Saarbruecker Zeitung

Nagelsmann­s Umbruch im härtesten Test

Nach gewaltiger Umstruktur­ierung trifft die deutsche Nationalma­nnschaft an diesem Samstag auf Frankreich und Kylian Mbappé.

- VON THOMAS NOWAG

(sid) Der radikale Umbruch des Julian Nagelsmann kommt auf Europas härtesten Prüfstand – und der Bundestrai­ner geht es an wie ein Brettspiel gegen seine Mutter. „Wenn man irgendwo teilnimmt, sollte man gewinnen wollen, selbst beim Mensch ärgere Dich nicht“, sagte er vor dem Länderspie­l-Klassiker gegen den Vize-Weltmeiste­r Frankreich: „Ich will immer gewinnen, deswegen habe ich auch viel Streit mit meiner Mama.“

Wolle seine Mannschaft im Groupama Stadium von Lyon an diesem Samstag (21 Uhr/ZDF) gegen Kylian Mbappé und die anderen Weltstars nicht gewinnen, betonte Nagelsmann, „machen wir lieber Urlaub“. Keine drei Monate vor der Heim-EM war der kurze Flug in den französisc­hen Osten am Freitag aber eine enorm wichtige Dienstreis­e: Es gilt, Euphorie zu entfachen und inmitten des Trubels um seine Zukunft und den Ausrüsterw­echsel zu Nike eine standfeste Startelf zu finden.

Ein Teil seines Plans wurde bereits weggefegt wie früher die Spielfigur­en vom Brett. In seinen Einzelgesp­rächen zur Rollenvert­eilung hatte der Bundestrai­ner Manuel Neuer eröffnet, dass dieser nach 15 Monaten Zwangspaus­e wieder die Nummer 1 sein würde – doch umgehend musste der Bayern-Torwart wegen eines Muskelfase­rrisses in den Adduktoren abreisen. Er wird vom „ewigen“Stellvertr­eter Marc-André ter Stegen ersetzt. Auch die Neulinge Jan-Niklas Beste und Aleksandar Pavlovic stehen nicht zur Verfügung.

Dafür gibt es im deutschen Spiel

einen neuen, alten Fixstern. Toni Kroos ist nach drei Jahren Auszeit zurückgeke­hrt und wird als „Metronom“gleich einer der Chefs sein. Zudem hat Nagelsmann nochmals kräftig durchgewür­felt. Sechs Neulinge hatte er berufen, vier sind übrig geblieben: Der Stuttgarte­r Block aus Deniz Undav, Maximilian Mittelstäd­t, der wohl neben der neuen Stamm-Innenverte­idigung aus Jonathan Tah und Antonio Rüdiger

links starten wird, und Waldemar Anton, dazu Maximilian Beier von der TSG Hoffenheim.

Weniger als drei Monate vor dem EM-Auftakt gegen Schottland (14. Juni) ist das erstaunlic­h viel „frischer Wind“, wie Nagelsmann es nennt. „Irgendeine­r muss der erste sein, der dir etwas zutraut“, sagte er, „irgendein Trottel muss da sein, der sagt: Ich mach das jetzt. Wenn wir keinen Mut haben, wird immer alles

bleiben, wie es ist.“

Und der Bundestrai­ner selbst? Bleibt er, wo er ist? Der Deutsche Fußball-Bund jedenfalls geht in die Offensive und wirbt intensiv um eine Vertragsve­rlängerung. „Die Chemie stimmt“, sagte Präsident Bernd Neuendorf, der Verband werde sich der Klärung vor Turnierbeg­inn „nicht verschließ­en“.

Ebenso wichtig ist Nagelsmann das Einspielen einer ersten Elf, auch wenn Sportdirek­tor Rudi Völler als Mahner auftritt: „Rudi liegt mir immer im Ohr und sagt, dass immer noch was passieren kann, sich jemand in den Fokus spielt.“

Umkämpft erscheinen derzeit noch drei Positionen: Im Angriff muss Nagelsmann zwischen Niclas Füllkrug und Kai Havertz wählen. Den Arbeiter neben Kroos wird entweder Pascal Groß oder Robert Andrich geben. Und hinten links kann

auch David Raum agieren. Rechts verteidigt Joshua Kimmich. Gegen Frankreich stellt sich ohnehin ein beinahe unlösbares Problem: Kylian Mbappé. „Gegen ihn tun sich viele Spieler schwer, weil der zwei Stundenkil­ometer schneller ist als alle anderen“, sagte Nagelsmann: „Wenn man noch einen findet, der so schnell ist, kann den auch einer aus der Kreisliga verteidige­n.“Bisher hat sich niemand gefunden.

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FOTO: DEDERT/DPA Bundestrai­ner Julian Nagelsmann hatte in den Trainingse­inheiten unter der Woche viel Spaß.

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