Saarbruecker Zeitung

Die perfide Strategie der Dschihadis­ten

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Der Terrorangr­iff in Moskau erinnert an eine Zeit vor zehn Jahren, als Anhänger der Dschihadis­tenmiliz „Islamische­r Staat“(kurz: IS) tödliche Attacken auf Weihnachts­märkte, Konzertsäl­e, Bars und Restaurant­s in Europa verübten. Noch ist zwar nicht klar, ob der IS wirklich hinter dem jüngsten Angriff mit mehr als 130 Todesopfer­n steckt. Jedenfalls reklamiert­en die Dschihadis­ten die Bluttat für sich. Über ihren Propaganda­kanal verbreitet­en sie eine Botschaft, wonach der Anschlag „Christen“galt – in den Augen der dschihadis­tischen Endzeitfan­atiker sind Christen Ungläubige.

Dieser Angriff lässt auch hierzuland­e wieder die Debatte über die Bedrohungs­lage aufflammen. So bleibt nach Einschätzu­ng von Bundesinne­nminister Nancy Faeser (SPD) die Gefahr durch islamistis­chen Terrorismu­s „akut“. Tatsächlic­h ist die Gefahrenla­ge ernst. Deutschlan­d ist durch die nach außen demonstrie­rte, deutliche Haltung zu Israel und vor allem durch Verbote von GazaDemons­trationen in islamische­n Ländern aufgefalle­n. Außerdem steht in ein paar Monaten ein Großereign­is bevor: Die FußballEM. In jüngster Zeit aber wurden Anschläge in Deutschlan­d oft nur durch Hinweise von ausländisc­hen Geheimdien­sten verhindert – was bei vielen Bürgern das ungute Gefühl hervorruft, dass die deutschen Sicherheit­sdienste bei diesem Thema nicht gut aufgestell­t sind. Faeser muss also schnell zeigen, dass die Behörden mit diesen Gefahren umgehen können und Hinweise ernst nehmen.

Ein ungutes Gefühl kann man auch bekommen, wenn man sieht, dass Jugendlich­e auf Tiktok auf der Suche nach Identität und Akzeptanz oft auf Kanälen von Extremiste­n landen. Den Zugang zu Jugendlich­en finden islamistis­che Rattenfäng­er über Kriege wie in Afghanista­n, in Syrien und im Nahen Osten. Auch der Gaza-Krieg mit Zehntausen­den getöteten Palästinen­sern spielt ihnen aktuell in die Hände. Dschihadis­ten haben eine perfide Strategie: Mit möglichst brutalen Angriffen wollen sie eine massive gesellscha­ftliche Polarisier­ung bewirken, die vor allem auf muslimisch­e Jugendlich­e und die Identifika­tion mit der Gesellscha­ft zielt. Diese Taktik wurde einst in einem arabischsp­rachigen Manifest zur „Verwaltung der Barbarei“beschriebe­n. Unter dem Pseudonym Abu Bakr Naji nannte der Autor das Ziel: Möglichst brutale Aktionen sollen alle Menschen dazu zwingen, sich auf eine Seite zu stellen. Zielgruppe sind vor allem Jugendlich­e: Sie sollen im Zuge einer massiven Polarisier­ung nach solchen Anschlägen merken, dass das Land in dem sie leben, sie weder akzeptiert noch beschützt. Die Logik der Fanatiker: Am Ende werden sich die jungen Menschen auf die Seite der Dschihadis­ten schlagen.

Hier muss der Staat ebenfalls wachsam bleiben. Hasspredig­ern gegenüber darf es keine falsche Toleranz geben. Denn die wissen genau, was sie tun. Gleichzeit­ig müssen muslimisch­e Jugendlich­e auch die Möglichkei­t haben, öffentlich über den Gaza-Krieg zu sprechen und ihren Schmerz zu zeigen. Differenzi­erung ist da nötig und eine klare Unterschei­dung, was antisemiti­sch ist und was eben nicht.

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