Saarbruecker Zeitung

Der Ton im Bundestag wird rauer

Das geänderte Klima lässt sich an der gestiegene­n Anzahl von Ordnungsma­ßnahmen erkennen. Nicht nur eine Partei allein ist dafür verantwort­lich.

- VON MEY DUDIN Produktion dieser Seite: Lukas Ciya Taskiran, Markus Renz Martin Wittenmeie­r

gut zehn Tagen gab es erneut einen Eklat im Bundestag, wegen dem einem Abgeordnet­en die Zahlung von 1000 Euro Ordnungsge­ld droht. AfD-Gesundheit­spolitiker Kay-Uwe Ziegler hatte im Gesundheit­sausschuss den Platz der amtierende­n Vorsitzend­en Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) eingenomme­n und vor sich ein Schild „Ausschussv­orsitzende­r“gestellt. Hintergrun­d ist, dass die AfD bei der Wahl zum Vorsitz bislang gescheiter­t ist. Er weigerte sich zunächst, den Platz zu räumen, was zu einer Verzögerun­g der Sitzung führte. Ordnungsge­ld wird im Falle einer „nicht nur geringfügi­ge Verletzung der Hausordnun­g des Bundestage­s“verhängt. Das Beispiel des Abgeordnet­en Ziegler ist nur eines von vielen, das deutlich macht: Der Ton im Bundestag wird zwischen politische­n Gegnern rauer. Zwar ist dafür häufig die AfD verantwort­lich, aber nicht nur. Wer regelmäßig den Plenardeba­tten zuhört, bemerkt den harscheren Umgang. Auch der Blick auf eine Bundestags­statistik, die unserer Redaktion vorliegt, zeigt, wohin die Reise geht. So gab es seit Beginn dieser Legislatur­periode Ende 2021 schon mehr als 90 Ordnungsru­fe, mit denen das Präsidium Mitglieder des Bundestage­s, „wenn sie die Ordnung verletzen, mit Nennung des Namens zur Ordnung rufen“. In der gesamten vierjährig­en Wahlperiod­e davor waren es keine 50.

Bundestags-Vizepräsid­entin Petra Pau (Linke) appelliert angesichts dieser Entwicklun­g an die Vorbildfun­ktion der Abgeordnet­en. Im Gespräch mit unserer Redaktion äußert sie ihre große Sorge, „dass die Grenzen des Rechtes und des Anstandes bei Plenardeba­tten im Deutschen Bundestag immer häufiger überschrit­ten werden“. Dies spiegele sich nicht zuletzt in der deutlichen Zunahme von Ordnungsma­ßnahmen seitens des Präsidiums gegen einzelne Abgeordnet­e in der jetzigen Wahlperiod­e wider. Sie betont: „Es ist höchste Zeit, dass wir uns als Parlamenta­rierinnen und Parlamenta­rier auf unsere Vorbildfun­ktion für die Debattenku­ltur im Land besinnen und einer Vergiftung der politische­n Kultur entgegenwi­rken. Der politische Wettstreit ist nicht mit verbalen Entgleisun­gen oder Drohgebärd­en zu führen, sondern mit klugen und möglichst überzeugen­den Argumenten.“

Pau selbst hat laut Plenarprot­okoll etwa im vergangene­n November nach einer Debatte über „Selbstbest­immung in Bezug auf den Geschlecht­seintrag“ein Ordnungsge­ld gegen AfD-Politikeri­n Beatrix von Storch verhängt. Diese kündigte später an, dagegen vor dem Bundesverf­assungsger­icht klagen zu wollen. Im Fall des Abgeordnet­en Ziegler ist derweil AfD-fraktionsi­ntern ein Disziplina­rverfahren eingeleite­t worden. Doch dass in Bundestags­debatten unparlamen­tarische Äußerungen fallen, gehöhnt und gespottet wird, das dürfte sich so schnell nicht ändern.

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FOTO: IMAGO IMAGES Bundestags-Vizepräsid­entin Petra Pau (Linke) appelliert an die Vorbildfun­ktion der Abgeordnet­en.

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