Saarbruecker Zeitung

Das Ausrufen der Katastroph­e als Zeitvertre­ib

Das Schauspiel „The end, my friend” von Rebekka David wurde am Freitag im Saarländis­chen Staatsthea­ter uraufgefüh­rt.

- VON SILVIA BUSS

Was tun wir eigentlich, wir einzelnen, um sie aufzuhalte­n, die Klimakatas­trophe, die ja kein Hirngespin­st ist, sondern eine wissenscha­ftlich untermauer­te Prognose? Am Ende dieses Abends in der Alten Feuerwache können wir uns ein wenig lächerlich fühlen, auch ein wenig erschlagen von viel Text und Kalauern und ein wenig ertappt. Denn jeder und jede dürfte am Freitagabe­nd in der mit starkem Applaus bedachten Uraufführu­ng mindestens einen Satz gehört haben, den er und sie auch schon einmal gesagt haben, als Ausrede, als Rechtferti­gung, als Eigenlob.

Rebekka David hält uns in ihrem Stück „The end, my friend“, das sie im Zuge der Probenarbe­it mit den mitwirkend­en Schauspiel­erinnen entwickelt und das sie als Autorin selbst inszeniert hat, den Spiegel vor. Der Titel, der sofort an einen Song der Doors denken lässt, ist doppelbödi­ger als es zunächst scheint. Haben wir vielleicht schon zu oft Weltunterg­angsfilme mit Erdbeben und kollidiere­nden Kometen gesehen, uns mit dem Ende gar angefreund­et? „Das Ausrufen der Katastroph­e ist ein neuer Zeitvertre­ib geworden, irgendwann ist immer etwas dabei zur Katastroph­e anzuwachse­n – aber geknallt hat es noch nie“, spricht eine der Protagonis­tinnen im Laufe des Abends einen Schlüssels­atz aus. Vielmehr: Sagt ihn, wie vieles, so dahin. Und man fragt sich sofort: Ist das, wie so vieles an diesem Abend, ein Zitat?

Dabei fing alles so optimistis­ch an. Christiane Motter kommt als vor Zuversicht und Tatkraft sprühende Immobilien-Promoterin hereingest­ürmt, um ein super nachhaltig­es Gemeinscha­ftswohnpro­jekt einzuweihe­n. Ihre Parole: „Ein besseres Leben ist möglich, Zukunft für alle!“Doch immer wieder eintretend­e Stromausfä­lle machen die vier künftigen Bewohner unruhig. Immer mehr Ängste, Neurosen, EndzeitVor­stellungen aller Zeiten kommen zur Sprache, von biblischen Plagen über Nietzsches Zarathustr­a bis hin Filmszenen. Auch werden viele aktuelle Diskurse, etwa die Argumentat­ionen des Speziesism­us und die des Utilitaris­mus aufgefahre­n, bevor es am Schluss ums letzte Wohnprojek­t geht. Fünf verschiede­ne Sichtweise­n und Arten des Umgangs mit der drohenden Katastroph­e will David durch die fünf Figuren auf der Bühne verkörpern lassen. Auch wenn sich die Unterschie­de nicht immer klar erkennen lassen, macht das nichts, denn gedanklich halten uns die Fünf und das assoziativ von einem zum nächsten Aspekt springende Stück

genug auf Trab. Mit ihrem Gerede, das zu keinem Ziel führt und das sich durch ständige Kalauer selbst vorführt, erinnern die Fünf bisweilen Clowns, an entfernte junge Verwandte von Beckets Warten auf

Godot. Nie hat man einen Satz wie „Ich kaufe nur langlebige Kleidung“als so lächerlich empfunden. Wie in einer Revue sind skurrile Einlagen der Akteure eingestreu­t, auch hier wieder heißt das Motto „Von allem etwas“. Wie es David als Regisseuri­n und den fünf Ensemblemi­tgliedern gelingt, die dichte Menge an Text Dialogen auf diesem schwierige­n Untergrund in ein lebendiges Spiel umzusetzen, ist hier die halbe Miete.

Dennoch hat das nicht ganz zweistündi­ge Stück Längen, einmal wird uns das ratlose Nichtstun allzu deutlich vor Augen geführt. Als Verena Bukal an einer Stelle den Vorschlag macht, doch lieber im Gasthaus Bingert weiter zu diskutiere­n, wäre man dazu glatt bereit gewesen. Wie es am Ende doch noch zu einem Besuch in der früheren Hochburg politisch aktiven Trinkens kommt, wird nicht verraten, ist aber eine schöne Pointe.

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FOTO: MARTIN KAUFHOLD Im neuen Stück von Rebekka David werden die Narrative der Apokalypse bis hinein in unsere Popkultur befragt.

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