Das Ausrufen der Katastrophe als Zeitvertreib
Das Schauspiel „The end, my friend” von Rebekka David wurde am Freitag im Saarländischen Staatstheater uraufgeführt.
Was tun wir eigentlich, wir einzelnen, um sie aufzuhalten, die Klimakatastrophe, die ja kein Hirngespinst ist, sondern eine wissenschaftlich untermauerte Prognose? Am Ende dieses Abends in der Alten Feuerwache können wir uns ein wenig lächerlich fühlen, auch ein wenig erschlagen von viel Text und Kalauern und ein wenig ertappt. Denn jeder und jede dürfte am Freitagabend in der mit starkem Applaus bedachten Uraufführung mindestens einen Satz gehört haben, den er und sie auch schon einmal gesagt haben, als Ausrede, als Rechtfertigung, als Eigenlob.
Rebekka David hält uns in ihrem Stück „The end, my friend“, das sie im Zuge der Probenarbeit mit den mitwirkenden Schauspielerinnen entwickelt und das sie als Autorin selbst inszeniert hat, den Spiegel vor. Der Titel, der sofort an einen Song der Doors denken lässt, ist doppelbödiger als es zunächst scheint. Haben wir vielleicht schon zu oft Weltuntergangsfilme mit Erdbeben und kollidierenden Kometen gesehen, uns mit dem Ende gar angefreundet? „Das Ausrufen der Katastrophe ist ein neuer Zeitvertreib geworden, irgendwann ist immer etwas dabei zur Katastrophe anzuwachsen – aber geknallt hat es noch nie“, spricht eine der Protagonistinnen im Laufe des Abends einen Schlüsselsatz aus. Vielmehr: Sagt ihn, wie vieles, so dahin. Und man fragt sich sofort: Ist das, wie so vieles an diesem Abend, ein Zitat?
Dabei fing alles so optimistisch an. Christiane Motter kommt als vor Zuversicht und Tatkraft sprühende Immobilien-Promoterin hereingestürmt, um ein super nachhaltiges Gemeinschaftswohnprojekt einzuweihen. Ihre Parole: „Ein besseres Leben ist möglich, Zukunft für alle!“Doch immer wieder eintretende Stromausfälle machen die vier künftigen Bewohner unruhig. Immer mehr Ängste, Neurosen, EndzeitVorstellungen aller Zeiten kommen zur Sprache, von biblischen Plagen über Nietzsches Zarathustra bis hin Filmszenen. Auch werden viele aktuelle Diskurse, etwa die Argumentationen des Speziesismus und die des Utilitarismus aufgefahren, bevor es am Schluss ums letzte Wohnprojekt geht. Fünf verschiedene Sichtweisen und Arten des Umgangs mit der drohenden Katastrophe will David durch die fünf Figuren auf der Bühne verkörpern lassen. Auch wenn sich die Unterschiede nicht immer klar erkennen lassen, macht das nichts, denn gedanklich halten uns die Fünf und das assoziativ von einem zum nächsten Aspekt springende Stück
genug auf Trab. Mit ihrem Gerede, das zu keinem Ziel führt und das sich durch ständige Kalauer selbst vorführt, erinnern die Fünf bisweilen Clowns, an entfernte junge Verwandte von Beckets Warten auf
Godot. Nie hat man einen Satz wie „Ich kaufe nur langlebige Kleidung“als so lächerlich empfunden. Wie in einer Revue sind skurrile Einlagen der Akteure eingestreut, auch hier wieder heißt das Motto „Von allem etwas“. Wie es David als Regisseurin und den fünf Ensemblemitgliedern gelingt, die dichte Menge an Text Dialogen auf diesem schwierigen Untergrund in ein lebendiges Spiel umzusetzen, ist hier die halbe Miete.
Dennoch hat das nicht ganz zweistündige Stück Längen, einmal wird uns das ratlose Nichtstun allzu deutlich vor Augen geführt. Als Verena Bukal an einer Stelle den Vorschlag macht, doch lieber im Gasthaus Bingert weiter zu diskutieren, wäre man dazu glatt bereit gewesen. Wie es am Ende doch noch zu einem Besuch in der früheren Hochburg politisch aktiven Trinkens kommt, wird nicht verraten, ist aber eine schöne Pointe.