800 Jahre Berschweiler? Vielleicht doch!
An der Erstnennung des Heusweiler Ortsteils Berschweiler scheiden sich bislang die Geister. Und das, obwohl in diesem Jahr der 800. Geburtstag gefeiert werden soll. Dank der Hilfe unserer Leser können wir das Rätsel um das Alter Berschweilers jetzt (fast)
Wenn Berschweiler tatsächlich erstmals im Jahr 1224 urkundlich Erwähnung gefunden haben sollte, wäre das gut. Gut für Berschweiler selbst, wo eine 800-Jahr-Feier geplant ist – und gut für die Gemeinde Heusweiler, die sich die Feier in dem Ortsteils 2500 Euro kosten lässt. Schlecht bestellt ist es dagegen mit dem Beleg für diese Erstnennung, wie wir bereits erklärt hatten. Statt schwarz auf weiß in einer Urkunde, findet sich das Jahr 1224 nämlich nur als beiläufiger Vermerk in einem gut 100 Jahre alten Buch eines Ortsschulinspektors, das für Schule und Haus gedacht war – also nicht gerade für heimatkundliche Grundlagenforschung.
August Hermann Jungk, so der Name des Buchautors, hat vor allem seinen Mitmenschen ein Stück Heimatgeschichte vermitteln wollen. Eigentlich eine feine Sache. Aber leider hat er dabei wohl Abstriche beim wissenschaftlich sauberen Arbeiten gemacht. Das beste Beispiel ist die Erstnennung Berschweilers: Jungk spricht von einer Urkunde aus dem Jahr 1224, benennt aber weder die Urkunde noch seine Quelle. Wir hatten daher einen Aufruf gestartet, ob unter unseren Lesern Genaueres bekannt ist.
Bei uns gemeldet hat sich Thomas Besse, 2. Vorsitzender des Heimatkundlichen Vereins Köllertal. Zur
Frage der Erstnennung verweist der Heimatforscher auf die Dissertation von Martina Pitz mit dem Titel „Siedlungsnamen auf -villare (-weiler, -villers) zwischen Mosel, Hunsrück und Vogesen“. Thomas Besse schildert: „Als Erstnennung erwähnt sie den Namen ‚Berßwilr` mit dem Jahr 1344 in einer Kopie des 15. Jahrhunderts“, das sei auch
mit einem Quellennachweis untermauert worden. Die Schlussfolgerung Besses aus den Ausführungen der Germanistin sind ernüchternd: „In der Fachliteratur ist dieser Beleg so lange unstrittig, bis eine frühere Quelle unstrittig nachgewiesen wird.“
Zwischenzeitlich gab es die Befürchtung, dass selbst die Kopie der
Urkunde aus dem Jahr 1344 als erster gesicherter Beleg Berschweilers wegbricht. Im Buch „Berschweiler und seine Mühlen“ist die Urkunde nämlich teils falsch ins moderne Deutsch übertragen. Hans Joachim Klein, Vorsitzender des heimatkundlichen Vereins Köllertal, hat uns darauf aufmerksam gemacht. Glücklicherweise wurde dabei aber, trotz falscher „Übersetzung“, zumindest das Datum richtig wiedergegeben.
Einen wichtigen Anhaltspunkt zur Erstnennung Berschweilers hat uns Bernd Gölzer geliefert, ehemaliger Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für saarländische Familienkunde. Ihm ist bei der Lektüre des Regestenwerks von August Hermann Jungk – einer Sammlung von Zusammenfassungen verschiedenster Quellen und Urkunden – ein Verzeichnis der ältesten Saarbrücker Lehensleute aufgefallen. Dort wird ein gewisser „Reiner der Freie“erwähnt, der unter anderem für den Hof „Bernoswilre“Burghut leisten musste. Und in diesem Werk für die Forschung hat Jungk auch seine Quelle benannt: Das Saarbrücker Genealogienbuch des Johann Andreae.
Tatsächlich findet sich bei Andreae besagter „Reinhard der Freie“. Allerdings auf Latein als „dominus Renerus liber“, der „pro curia“(„wegen einer Kirche“) in Bernoswilre Vasall des Grafen sei. Wann diese Belehnung stattgefunden hat, sagt uns Andreae leider nicht. Nur, dass es lange her sei. Glücklicherweise gibt uns die Sprache einen Hinweis: Der gräfliche Archivar führt nämlich nur sehr wenige Belehnungen auf Latein auf – höchstwahrscheinlich diejenigen, bei der auch die ursprüngliche Lehensurkunde selbst noch auf Latein verfasst wurde. Und als Verwaltungssprache war Latein in der Saarbrücker Grafschaft schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts aus der Mode gekommen. Damit gibt es ein starkes Indiz dafür, dass Berschweiler bereits im 13. Jahrhundert urkundliche Erwähnung findet – was zum Jahr 1224 und dem 800. Jubiläum passen würde.
Die Erkenntnisse aus Andraes Genealogienbuch decken sich mit weiteren Aussagen in der Literatur. Albert Ruppersberg, ein saarländischer Heimatforscher aus dem 20. Jahrhundert, datiert in seiner Ortschronik die Belehnung von Reiner dem Freien auf die Zeit um 1220. Auch diese Erkenntnis haben wir Bernd Gölzer zu verdanken.
Ruppersberg hat sein Wissen wohl von den Ausführungen Jungks zu Quierschied entnommen, das gemeinsam mit Berschweiler als Lehen an Reiner gegangen war. Ein merkwürdiger Zufall, dass Berschweiler in einer Belehnung „um 1220“und 1224 genannt worden sein soll. Es könnte sich also durchaus um die gleiche Urkunde handeln.
Was wissen wir jetzt also? Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde der gräfliche Vasall „Reiner der Freie“im 14. Jahrhundert mit Berschweiler belehnt. Ruppersberg und Jungk datieren die Belehnung auf etwa 1220 beziehungsweise auf 1224. Nur die exakte Urkunde selbst fehlt weiterhin und somit das letzte Puzzlestück, das das Berschweiler Jubiläumsjahr eindeutig belegen könnte. Aber wer weiß? Vielleicht findet sich doch noch irgendwann im Landesarchiv unter den Saarbrücker Lehensurkunden der geheimnisvolle „Renerus liber“, und mit ihm des Rätsels endgültige Lösung.