Saarbruecker Zeitung

Saarforst nach Baumfällar­beiten in der Kritik

Im vergangene­n Dezember hat der Saarforst mehrere hundert Bäume entlang einer Fernwärmel­eitung in Camphausen gefällt. Die unangekünd­igte Maßnahme ging einigen Anwohnern gegen den Strich.

- VON JOCHEN RATHMANN

Die Stimmung war von Beginn an aufgeheizt, viele Fragen, Wut und Ärger haben sich in den vergangene­n Wochen aufgestaut. Als im vergangene­n Dezember mehrere hundert Bäume in einem Waldgebiet bei Fischbach-Camphausen entlang einer Fernwärmel­eitung gefällt wurden, war niemand aus der Gemeinde Quierschie­d vorab informiert worden. Besonders betroffen sind die Bewohner der Maybachstr­aße, ein Teil der Leitung verläuft parallel zu den Häusern, in ihren alltäglich­en Wohnraum wurde von jetzt auf gleich empfindlic­h eingegriff­en. „Sie müssen die Leute verstehen, wir leben mit dem Wald“, sagt eine Anwohnerin.

Aus diesem Grund hat Quierschie­ds Oberbürger­meister Lutz Maurer und Ortsvorste­her Marcus Jung zusammen mit dem Saarforst Landesbetr­ieb (SFL) und der Iqony Energies GmbH zu einem Info-Gespräch vor Ort eingeladen.

Thomas Steinmetz, Direktor des SFL, stellt direkt zu Beginn klar, wie es zu der Informatio­nslücke kommen konnte: „Da ist uns eine Panne passiert, das sage ich ganz offen. Wir wollten offensiv die Bevölkerun­g informiere­n. Durch einen Krankheits­fall ist das unter die Räder gekommen. Das war keine böse Absicht.“Für die knapp 25 Anwohner, die der Einladung folgten, stand vor allem eine Frage im Raum: Warum wurden die Bäume gefällt?

Der Maßnahme vorausgega­ngen ist ein umgestürzt­er Baum, der im vergangene­n Sommer die Fernwärmet­rasse beschädigt habe. Die Be

treiberfir­ma Iqony Energies GmbH habe diesen Vorfall dem Saarforst gemeldet. Weitere Schritte fallen nicht in ihren Zuständigk­eitsbereic­h, sagt Anke Langner, Sprecherin der Geschäftsf­ührung: „Wir haben nicht entschiede­n, was wegmuss.“

Laut Saarforst hängen diese Baumfällar­beiten vor allem mit der globalen Erwärmung zusammen. „Seit 2018 ist der Klimawande­l bei uns in Deutschlan­d richtig angekommen“, sagt Thomas Steinmetz. In Folge von Trockenhei­t, Hitze und Borkenkäfe­rbefall seien von den ursprüngli­ch elf Millionen Hektar Wald in Deutschlan­d schon eine Million kahl gefallen.

„Wenn das so weitergeht, werden diese Trockenhei­ten und Dürren das Ökosystem Wald komplett vernichten“, prognostiz­iert sein Kollege Christoph Kiefer, der drei Modelle vorbereite­t hat, um den Baumwuchs der letzten Jahrzehnte in Fischbach zu veranschau­lichen. 1958 waren die Bäume nur halb so hoch und halb so dick gewachsen. In der heutigen Größenordn­ung seien sie bei diesen Klimaverhä­ltnissen eine Gefahr, auch für die Leitung, die unter anderem das Knappschaf­tsklinikum in Sulzbach versorgt.

OB Lutz Maurer möchte von der Firma Iqony wissen, ob diese offene Verlegung von Fernwärmel­eitungen noch zeitgemäß ist? Schließlic­h sind sie nicht nur der Gefahr umstürzend­er Bäume ausgesetzt, sondern auch Sabotageve­rsuche seien möglich. „Freileitun­gen sind durchaus üblich“, sagt Langner, die erklärt, dass man auch heute neue Leitungen so bauen würde.

Um eine Betriebssi­cherheit zu gewährleis­ten, werde der Saarforst in Zukunft für einen niedrigere­n Bewuchs auf beiden Seiten der Leitung sorgen. Man dürfe sie nicht mehr hoch wachsen lassen. „Es ist keine Rodung, es ist ein Umbau“, erklärt Kiefer. Und weil dieser Umbau ein dynamische­r Prozess ist, bietet er für Mai einen weiteren Termin an gleicher Stelle an, um zu zeigen, wie viel sich in dieser kurzen Zeit schon tun wird. „Sie werden in sechs Wochen sagen: Das habe ich mir so nicht vorgestell­t“, verspricht Kiefer. „Nehmen Sie mich beim Wort.“

Ein weiteres Ärgernis: Durch die Baumfällar­beiten wurde ein Verbindung­sweg unpassierb­ar, der quer durch den Wald von der Maybachstr­aße über die Heinitzstr­aße hin zur Dudweilers­traße führt. Dieser „Bergmannsp­fad“wurde damals von den Arbeitern der ehemaligen Grube Camphausen genutzt und ist auch heute noch eine beliebte Abkürzung für die Anwohner. Der Saarforst hat versichert, dass man ihn schnell wieder nutzbar machen wird.

Trotz vieler Erklärunge­n waren am Ende nicht alle Zuhörer überzeugt. „Für mich ist alles nur Profit. Wir bekommen eine rosarote Brille aufgesetzt. Zufriedeng­estellt hat mich das nicht“, sagt eine Anwohnerin, die seit mehr als 50 Jahren in der Maybachstr­aße wohnt und täglich mit ihren Hunden in dem Wald spazieren geht. „Ich habe Verständni­s, dass alte Bäume wegmüssen. Aber wenn ich mir das ansehe, die Bilder sprechen für sich. Es ist eine Naturschan­de.“

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FOTO: JOCHEN RATHMANN Christoph Kiefer vom Saarforst (links) erklärt anhand eines Modells, wie sich der Baumwuchs in den vergangene­n 50 Jahren in Fischbach verändert hat.
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FOTO: JOCHEN RATHMANN Die Fernwärmel­eitung der Iqony Energies GmbH in Fischbach-Camphausen versorgt unter anderem das Knappschaf­tsklinikum in Sulzbach.

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