Kroos und Co. entfachen das EM-Feuer
Die neuformierte deutsche Fußball-Nationalmannschaft überrascht beim 2:0 gegen Frankreich. Blitztor von Wirtz.
dpa) Die lange vermisste EMVorfreude war bei den Fans geweckt, und Rudi Völler kam nach der Nacht der vielen Helden mit einem Lächeln aus Lyon zurück. „Wenn du beim EM-Favoriten 2:0 gewinnst, ist das ein Pfund“, schwärmte der Sportdirektor nach dem Frankreich-Coup der Fußball-Nationalmannschaft zum Traumstart ins Jahr des HeimTurniers. Die Aussicht, am Dienstag gegen die Niederlande die wiederentdeckte deutsche Fußball-Lust von Comeback-König Toni Kroos, Blitz-Torschütze Florian Wirtz und dessen Zauberer-Kollegen Jamal Musiala schnell noch einmal demonstriert zu bekommen, hielt die Laune bei der Rückkehr nach Frankfurt auf dem höchsten Level. „Jetzt müssen wir am Dienstag noch mal nachziehen“, forderte Völler.
Die allergrößten EM-Sorgen haben sich aufgelöst, das war auch Julian Nagelsmann nach seinem ersten großen Sieg als Bundestrainer anzumerken. „Losgelöst von dem Gegner, geht es erst mal um die Art und Weise“, sagte der 36-Jährige. Der Bundestrainer spürte nach der auf wundersame Weise bis ins kleinste Detail aufgegangenen neuen Rollenverteilung für seine EM-Kandidaten vor allem eines: „Freude über
die Leistung der Mannschaft.“
Die wichtigsten Erkenntnisse: Das Kroos-Comeback war ein königlicher Schachzug. Joshua Kimmich ist hinten rechts bestens aufgehoben, sogar gegen einen Turbo-Stürmer wie Kylian Mbappé. Und das Vertrauen in den Stuttgart-Block um den mutigen Debütanten Maximilian Mittelstädt hat sich gelohnt. Auf Marc-André ter Stegen ist im Tor sowieso Verlass, wenn Manuel Neuer ausfällt. Plötzlich gibt es keine erkennbare Baustelle mehr in der DFB-Elf, die noch im November beim 0:2 in Österreich nur Schlagloch-Fußball zeigte. „Wir ha
ben eine klare Rollenverteilung“, erklärte Niclas Füllkrug seine Rolle als Backup von Torschütze Kai Havertz.
„Sie sollen machen, was Spaß macht“, sagte Nagelsmann über seine simple Anforderung an die Spieler. „Als Mannschaft haben wir richtig Spaß gehabt“, sagte Jamal Musiala. „Nach ein paar Sekunden hat es schon unglaublichen Spaß gemacht“, sagte Völler und sprach dabei vom Acht-Sekunden-Rekordtor von Wirtz. Schneller hat noch niemand ein deutsches Länderspiel-Tor erzielt als der junge Leverkusener.
„Es wurde ja einiges geändert.
Das war ein bisschen die Frage, ob die Veränderung so schnell Früchte tragen kann“, gestand Kroos. Der Superstar von Real Madrid erfüllte souverän alle Erwartungen. „Toni macht das Spiel für dich ganz einfach. Er kann gut zocken“, fasste Musiala die Lobpreisungen von allen Seiten für den 34-Jährigen in zwei Sätzen zusammen.
Für Frankreich hatte der Bundestrainer das Motto „Wir kicken“gewählt. Dass dies gegen den verblüfften WM-Zweiten hervorragend funktionierte, war die besondere Note eines denkwürdigen Abends. „Wir waren nicht in der Lage, uns
an das Level unseres Gegners anzupassen“, sagte Frankreichs Trainer Didier Deschamps. „Sie waren sehr aggressiv, sehr fokussiert, sie haben ein sehr gutes Spiel gemacht.“
Das alles darf sich Nagelsmann als Komplimente gutschreiben. Begleitet von den Störgeräuschen des für viele zu bunten EM-Trikots, der Hysterie um den Ausrüster-Deal mit Nike und der selbst entfachten Vertragsdebatte für die Zeit nach der EM schaffte er es dem von ihm auserkorenen Personal im Eiltempo eine erstaunliche Handlungssicherheit zu geben. In Krisenzeiten muss eben jeder wissen, was er tun muss.