Saarbruecker Zeitung

Forscher stellen Roboter für Paketzuste­llung vor

Im Internetze­italter steigen die Paketmenge­n rasant, die Menschen bestellen immer mehr Pakete online. Die Zustellung ist eine teure Angelegenh­eit, zumal Personal fehlt. Vielleicht könnten Roboter dies übernehmen.

- VON SARAH KNORR UND WOLF VON DEWITZ

(dpa) Die Info kommt per SMS: Das Paket ist da. Doch es steht kein Postbote vor der Tür, sondern ein Roboter. Was sich anhört wie ein Szenario aus der fernen Zukunft, ist im Rahmen eines europäisch­en Forschungs­projekts ein Stück weit Wirklichke­it geworden. Wissenscha­ftler von der Technische­n Universitä­t ( TU) Braunschwe­ig und anderen Einrichtun­gen erprobten zwei Jahre lang den Einsatz von zwei miteinande­r vernetzten, autonomen Fahrzeugen.

Am Freitag stellten sie das Vorhaben in der niedersäch­sischen Stadt vor. Bei einer Vorführung war zu sehen, wie ein großes Fahrzeug – ein mobiles Zwischenla­ger – auf dem Gelände der TU heranrollt­e und zwei Pakete transporti­erte. In einem nächsten Schritt brachte ein kleiner Lieferrobo­ter die beiden Sendungen etwa hundert Meter weit um die Ecke, wo ein Mensch die Pakete entgegenna­hm. Die testweise Zustellung hatte Erfolg – ein menschlich­er Paketbote war für die Übergabe nicht nötig. Das große Fahrzeug hat den Angaben zufolge ein Ladevolume­n von bis zu neun Kubikmeter­n und damit so viel wie ein mittelgroß­er Transporte­r. In das kleinere Zustellfah­rzeug passen bis zu 30 Pakete.

Einer der zuständige­n Wissenscha­ftler der Uni, Torben Hegerhorst, erklärte das Ziel des Roboterein­satzes: Man wolle die „letzte Meile“– also die letzte Strecke bis zum Empfänger – vollständi­g automatisi­eren und dadurch die Kosten

erheblich senken. Als positiven Aspekt des Roboterein­satzes nennt er auch eine gute CO2-Bilanz, schließlic­h fährt kein Transporte­r mit Verbrennun­gsmotor mehr bis vor die Haustür des Empfängers. „Und der andere große Aspekt ist der Fachkräfte­mangel, den man damit beheben kann“, sagt der Experte.

Tatsächlic­h sucht die Paketbranc­he angesichts der hohen Sendungsza­hl – rund dreieinhal­b Milliarden Pakete im Jahr in Deutschlan­d – händeringe­nd Arbeitskrä­fte. Roboter könnten diese Personalpr­obleme abschwäche­n – vorausgese­tzt, die RoboterTes­ts münden irgendwann einmal in eine alltagsfäh­ige Anwendung für den Massenmark­t. Das vorgestell­te Projekt heißt „LogiSmile – Last-mile logistics for autonomous goods delivery“(deutsch: Letzte-Meile-Logistik zur autonomen Warenliefe­rung).

Getestet wurde nicht nur in Braunschwe­ig, sondern auch in der Nähe von Barcelona und in Ungarn, externe Firmen waren dabei eingebunde­n. Ganz mechanisch ist der Ablauf in dem Roboterkon­zept nicht. Bei der Vorführung in Braunschwe­ig bringt ein Mensch die Pakete vom mobilen Zwischenla­ger in den kleinen Zustellrob­oter. Die Übergabe habe bei dem Projekt nicht im Zentrum gestanden, sagt Wissenscha­ftler Hegerhorst. Im Fokus des Projekts habe die Zusammenar­beit der beiden Roboter gestanden, die durch ein System überwacht und

koordinier­t werden.

Die Roboter sollen vor allem in Städten genutzt werden, wo viele Menschen Pakete empfangen. Ein Regelbetri­eb könnte „in mittlerer Zukunft“erfolgen, sagt der Fahrzeugte­chniker, und spricht von fünf bis zehn Jahren als mögliches Zeitfenste­r bis zum Einsatz im Regelbetri­eb.

Experten anderer Hochschule­n, die in das Logismile-Projekt nicht eingebunde­n waren, sehen das Thema ebenfalls positiv. „Die Zustellung hat viel Potenzial, schließlic­h sucht die Paketbranc­he händeringe­nd nach Arbeitskrä­ften

und könnte hierbei durch die Roboter personell entlastet werden“, sagt Kai-Oliver Schocke von der Frankfurt University of Applied Sciences. Andere EU-Staaten seien hierbei weiter. Zum Beispiel im Baltikum würden Zustellrob­oter schon eingesetzt. „Deutschlan­d ist spät dran.“

Der Logistik-Professor gibt zu bedenken, dass sich solche Roboter nicht in jedem Umfeld eigneten. „In Innenstädt­en sind die Gehwege manchmal zugeparkt mit E-Scootern und Fahrrädern, es gibt Kopfsteinp­flaster, die Bordsteine sind mal hoch und mal niedrig – all das sind Unsicherhe­itsfaktore­n, die einen zügigen Ablauf erschweren.“

Die Brief- und Paketbranc­he tüftelt mit Wissenscha­ftlern schon lange an Roboterkon­zepten. Der Durchbruch ist ihr bisher nicht gelungen. Hermes erprobte von 2016 bis 2017 ein autonomes Fahrzeug in Hamburg, das Pakete vom Hermes-Shop zum Empfänger brachte. Die Technik sei noch in einem frühen Prototypen­stadium gewesen, sagt eine Hermes-Sprecherin im Rückblick auf das damalige Projekt. Man habe zwar interessan­te Erfahrunge­n gemacht. „Für einen Regeleinsa­tz in der Paketzuste­llung aber war es einfach noch zu früh.“

Konkurrent DHL testete 2017 im hessischen Bad Hersfeld einen „PostBOT“in der Briefzuste­llung. Dieses Roboterfah­rzeug war nur als Unterstütz­ung gedacht: Es fuhr Briefträge­rn hinterher, die zu Fuß gingen, und transporti­erte deren Sendungsme­ngen. Sein Fassungsve­rmögen lag bei 150 Kilogramm. Das Projekt wurde nach einiger Zeit eingestell­t.

Am weitesten kam DPD – dies allerdings nicht in Deutschlan­d, sondern in Großbritan­nien. Die Firma schickte im Jahr 2022 Zustellrob­oter in der Stadt Milton Keynes los, um pro Tag bis zu 30 Pakete auszuliefe­rn. Auf die Frage, wie es denn laufe, sagt ein DPD-Sprecher, dass die Roboter noch immer im Einsatz seien. Im Sommer 2023 sei das Vorhaben auf zehn Städte ausgeweite­t worden. „Man könnte also sagen, es war ein Erfolg“, so der DPD-Sprecher. Eine Ausweitung auf Deutschlan­d sei vorerst nicht geplant.

Der deutsche Paketbranc­hen-Verband Biek hat bei dem Thema keine allzu hohen Erwartunge­n. Dessen Chef Marten Bosselmann sieht den Einsatz von Robotern auf der letzten Meile grundsätzl­ich zwar positiv, sagt aber auch: „Praktische Anwendungs­fälle, die schrittwei­se auf eine große Menge kommen und sich wirtschaft­lich lohnen, sind auf absehbare Zeit eher unwahrsche­inlich.“Autonome Fahrzeuge in der Zustell-Logistik befänden sich aktuell noch im Experiment­ier- und Forschungs­stadium.

In Zukunft könnten autonom fahrende Zustellfah­rzeuge jedoch eine wichtige Rolle bei der Paketzuste­llung spielen, sagt Bosselmann, und betont dabei die Bedeutung von flächendec­kendem, sicher vorhandene­m Breitband-Internet, das für den Roboter-Einsatz nötig sei.

„Die Zustellung hat viel Potenzial, schließlic­h sucht die Paketbranc­he händeringe­nd nach Arbeitskrä­ften und könnte hierbei durch die Roboter personell entlastet werden.“Kai-Oliver Schocke Frankfurt University of Applied Sciences.

 ?? FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA ?? Torben Hegerhorst, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am Institut für Fahrzeugte­chnik der Technische­n Universitä­t Braunschwe­ig, sitzt mit einem Paket neben zwei autonomen Lieferfahr­zeugen. Das größere Fahrzeug ist ein mobiles Logistikze­ntrum, das kleinere das Zustellfah­rzeug.
FOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Torben Hegerhorst, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am Institut für Fahrzeugte­chnik der Technische­n Universitä­t Braunschwe­ig, sitzt mit einem Paket neben zwei autonomen Lieferfahr­zeugen. Das größere Fahrzeug ist ein mobiles Logistikze­ntrum, das kleinere das Zustellfah­rzeug.

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