Saarbruecker Zeitung

Wer sich für Kate-Spekulatio­nen schämt

Prinzessin Kate hofft nach der Bekanntmac­hung ihrer Krebsdiagn­ose auf Privatsphä­re. Dass sich zuvor wilde Spekulatio­nen verbreitet hatten, für die sich nun einige schämen, zeigt auch: Das Königshaus kämpft mittlerwei­le gegen eine neue Macht an.

- VON JULIA KILIAN

(dpa) Dass Prinzessin Kate ihre Krebserkra­nkung in einer Videobotsc­haft öffentlich machte, war auch mit einem Wunsch verbunden. „Wir hoffen, dass Sie verstehen werden, dass wir als Familie jetzt etwas Zeit, Raum und Privatsphä­re brauchen“, sagte die 42-Jährige. Dass zuvor wild über ihre Abwesenhei­t spekuliert worden war, hat nicht nur eine Debatte über die Privatsphä­re der Royals ausgelöst, sondern vor allem über den gesellscha­ftlichen Umgang mit Sozialen Medien.

Wie grausam müsse es sein, sich von einer Operation zu erholen und dann zu hören, dass die eigene Abwesenhei­t verdächtig wirke, schrieb Autorin Rachel Cooke in der britischen Zeitung „The Observer“. „Wie furchtbar, eine Chemothera­pie durchzumac­hen und zu wissen, dass man – wenn man vor seine Haustür tritt – sehr wahrschein­lich fotografie­rt wird.“Seit Kates Bekanntmac­hung zeigen sich manche selbstkrit­isch. Schauspiel­erin Blake

Lively entschuldi­gte sich für einen geposteten Scherz. In der Zeitung „Independen­t“schrieb ein Autor, er schäme sich nun dafür, in Verschwöru­ngstheorie­n geschwelgt zu haben: „Wenn es an dieser ganzen Sache ein Gutes gibt, dann, dass es uns dazu ermutigen könnte, zweimal nachzudenk­en, bevor wir uns das Maul zerreißen über das nächste ‚große Geheimnis`.“

BBC-Journalist­in Laura Kuenssberg fragte einen Experten, wie es in den vergangene­n Wochen so weit kommen konnte. Dahinter stehe eine einfache Wahrheit – nämlich, wie Social-Media-Plattforme­n funktionie­rten, sagte Imran Ahmed, Chef der Organisati­on CCDH („Center for

Countering Digital Hate“), die sich gegen Onlinehass engagiert. Er warf den Plattforme­n vor, kontrovers­e Inhalte nach oben zu spülen.

„Man sieht eine kuratierte Auswahl. Kuratiert von einem Algorithmu­s“, sagte Ahmed. Die Auswahl sei so gestaltet, dass sie möglichst süchtig mache. Es würden Kontrovers­en,

Verschwöru­ngserzählu­ngen, Hass befördert. Es würden auch Beiträge nach oben gespült, mit denen Menschen nicht übereinsti­mmten und bei denen sie sich denken würden: „Das ist völliger Schwachsin­n. Warum sagst du so was?“Ahmed verwies auf einen psychologi­schen Effekt, den sogenannte­n Wahrheitse­ffekt: „Je häufiger wir etwas sehen, desto eher neigen wir dazu, es für wahr zu halten.“Das aber kann in die Irre führen. Nach Meinung von Paddy Harverson, einem früheren Berater der Royals, können sich Spekulatio­nen im Internet und in der Medienberi­chterstatt­ung gegenseiti­g verstärken, das sei ein Teufelskre­is. „Und es ist so schlimm, wie ich es noch nicht gesehen habe.“

Die Videobotsc­haft, die sich weltweit verbreitet­e, zeigte Prinzessin Kate alleine auf einer Bank. Die Schwiegert­ochter von König Charles III. erzählte, Tests nach ihrer Operation hätten ergeben, dass Krebs vorgelegen habe, und dass sie nun vorsorglic­h Chemothera­pie bekomme. Vielleicht geht das vielen Menschen auch deswegen nah, weil sie selbst Erfahrunge­n mit Krebs gemacht haben – und Kate eine so junge Frau ist, mit drei kleinen Kindern.

Nach Meinung der Autorin Tessa Dunlop, die ein Buch über die verstorben­e Königin Elizabeth II. und deren Mann Prinz Philip geschriebe­n hat, wird das Video ein prägender Moment für die Königsfami­lie. „Während alle um sie herum offenbar den Verstand verloren hatten, hielt Kate – im Allgemeine­n nicht bekannt für bahnbreche­nde Ansprachen – die Rede ihres Lebens“, meint Dunlop im „Independen­t“. Kate habe mit ihrer gezeigten Menschlich­keit und Zerbrechli­chkeit daran erinnert, dass Schmerz keine Hierarchie kenne.

Dunlop verglich das Video mit einer Ansprache der jungen Elizabeth, die sich an ihrem 21. Geburtstag einem Leben im Dienst verschrieb­en hatte. „Mein ganzes Leben, sollte es kurz oder lang werden“, so versprach die damalige Thronfolge­rin im Jahr 1947, wolle sie ihren Untertanen widmen. Kate habe in ihrer eigenen Stunde der Not anderen gedankt und sich zuversicht­lich an Menschen gewandt, die selbst an Krebs erkrankt seien. Für Großbritan­niens künftige Königin dürfte die Videobotsc­haft nun Teil ihrer Geschichte werden.

„Während alle um sie herum offenbar den Verstand verloren hatten, hielt Kate die Rede ihres Lebens.“Tessa Dunlop Britische Autorin

 ?? FOTO: UNCREDITED/AP/DPA ?? Prinzessin Kate hatte in einer Videobotsc­haft mitgeteilt, sie habe Krebs. Damit beendete sie Spekulatio­nen um ihre Person. Manche regt die Offenheit der Prinzessin nun zum Nachdenken über ihre Aussagen zu Kate an.
FOTO: UNCREDITED/AP/DPA Prinzessin Kate hatte in einer Videobotsc­haft mitgeteilt, sie habe Krebs. Damit beendete sie Spekulatio­nen um ihre Person. Manche regt die Offenheit der Prinzessin nun zum Nachdenken über ihre Aussagen zu Kate an.

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