Der Ukraine-Krieg folgt Scholz nach Slowenien
Kaum mehr als eine halbe Stunde brauchen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der slowenische Ministerpräsident Robert Golob für ihr Vier-AugenGespräch auf Schloss Brdo bei Ljubljana. Sie sind sich in fast allem einig – nur in einer wichtigen weltpolitisch
Das hört Olaf Scholz selten zuhause in Berlin. Die Zusammenarbeit mit Deutschland sei „musterhaft“, sagt Sloweniens Ministerpräsident Robert Golob auf dem Gelände des Schlosses Brdo bei Ljubljana. Auch der Bundeskanzler lobt die „ausgezeichnete Zusammenarbeit“beider Länder. Man wolle künftig noch enger kooperieren, etwa bei der Modernisierung der Autoindustrie.
Doch die Kriege in der Ukraine und Gaza verfolgen Kanzler Scholz auch am Dienstag bei seiner Stippvisite in das kleine Balkan-Land. Die EU müsse schnell neue Waffen für die Ukraine von außerhalb beschaffen, sagt Scholz. Und im Gaza-Krieg setzt er sich ähnlich wie Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) für einen sofortigen Waffenstillstand ein, verbunden mit der Freilassung der israelischen Geiseln. Scholz fordert außerdem mehr als 500 Lastwagen täglich für die hungernde und ausgebombte Bevölkerung in Gaza. „Es muss mehr sein“, sagt der Kanzler.
Scholz ist zum ersten Mal als Kanzler nach Ljubljana gereist – vor allem, um die guten Beziehungen zu dem Balkanstaat zu pflegen. Es ist der erste Besuch eines Kanzlers überhaupt seit 13 Jahren. Ein Abendessen auf Schloss Bdro am Fuße der Karawanken und der Julischen Alpen auf Einladung des slowenischen Regierungschefs bringt ihm etwas Entspannung. Fortschritte gibt es in der Westbalkan-Frage: Vergangene Woche beschloss die EU Beitrittsgespräche mit BosnienHerzegowina, dem ersten von sechs Bewerberländern.
Doch in beiden Kriegen sieht sich Scholz unter Druck. Der wochenlange Streit über die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus in die Ukraine hat ihm geschadet. Auch in der Osterpause bleibt ihm wenig Zeit für eine Atempause. Und nun gerät die Ukraine im Krieg gegen Russland zunehmend in die Defensive, weil der Westen zögert und zu wenig neue Waffen und Munition liefert. Hinzu kommt, dass Kreml-Herrscher Wladimir Putin seine Angriffe auf die Ukraine nach dem verheerenden Terroranschlag in Moskau mit fast 140 Toten intensiviert.
Slowenien ist eines von meh
reren Nato-Ländern, das unter Ringtausch-Vereinbarungen mit Deutschland Kampfpanzer an die Ukraine geliefert hat. Mehr kann das kleine Land mit seinen gut zwei Millionen Einwohnern nicht mehr tun, weil es über mehr militärisches Material nicht verfügt. Aber es steht anders als etwa der Nachbar Ungarn fest an der Seite Deutschlands, der EU und der USA im Bemühen, die Ukraine zu unterstützen.
Anders sieht es im Gaza-Konflikt
aus: Deutschland steht in der EU mit seiner Unterstützung für Israel weitgehend isoliert da. Die übrigen Europäer haben kein Verständnis für das harte Vorgehen Israels im Gazastreifen. Erstmals hatten die UN in dieser Woche zudem per Resolution einen sofortigen Waffenstillstand gefordert. Möglich wurde das durch die unerwartete Enthaltung der USA in der UN-Sitzung. Israels Präsident Benjamin Netanjahu hat daraufhin eine Delegationsreise in die USA
kurzfristig abgesagt – ein Affront gegenüber seinem wichtigsten Verbündeten und Waffenlieferanten. „Wir verstehen die deutsche Position, die mit der Vergangenheit verbunden ist“, sagt Golob. Deutschland habe natürlich das Recht auf seine eigene Meinung, doch man teile sie nicht.
Der Kurz-Trip nach Slowenien kann Scholz auch kaum von innenpolitischen Sorgen ablenken. Am Mittwochabend trifft er Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) und FDPChef Christian Lindner im Kanzleramt, um über mehr Unterstützung für die angeschlagene deutsche Wirtschaft zu sprechen. Dabei soll es unter anderem um ein Maßnahmenpaket der Ampel-Regierung für mehr Wirtschaftswachstum gehen, hieß es in Koalitionskreisen.
Denn in der deutschen Wirtschaft läuft es schon seit fast zwei Jahren nicht mehr gut. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute attestieren ihr in ihrer neuen Prognose, die sie an diesem Mittwoch in Berlin vorstellen, mit 0,1 Prozent auch im laufenden Jahr praktisch kein Wachstum. Immerhin soll die Konjunktur wegen rückläufiger Inflationsraten und sinkender Zinsen ab der Jahresmitte endlich anspringen.
Habeck will Lindner überzeugen, mehr neue Schulden aufzunehmen, um die Wirtschaft anzuschieben, doch Scholz hält sich mit solchen Forderungen anders als die übrige SPD auffallend zurück. Denn Bundesfinanzminister Lindner zeigt sich in dieser Frage weiterhin völlig unbeweglich.
Er will nicht mehr staatliches Geld, sondern lieber mehr privates Kapital mobilisieren, etwa die Gelder, die bisher die Versicherungswirtschaft am Kapitalmarkt anlegt. Das Geld könne in die Infrastruktur investiert werden, so Lindner. Zudem fordert der Bundesfinanzminister mehr Bürokratieabbau und ein dreijähriges Moratorium für neue Sozialleistungen, das die SPD ablehnt. Ein neuer Infrastrukturfonds, finanziert aus privaten Mitteln, könnte der unter Druck stehenden Ampel Luft verschaffen.
Scholz ist zum ersten Mal als Kanzler nach Ljubljana gereist – vor allem, um die guten Beziehungen zu dem Balkanstaat zu pflegen.