Saarbruecker Zeitung

In Deutschlan­d schützt Arbeit nicht vor Armut

- VON JAKUB DROGOWSKI

(SZ) Der Paritätisc­he Gesamtverb­and stellte am Dienstag in Berlin seinen Armutsberi­cht 2024 vor. Dieser basiert auf Daten des Statistisc­hen Bundesamte­s aus dem Jahr 2022 und ist ernüchtern­d.

Wie viele Armutsbetr­offene gibt es in Deutschlan­d?

Insgesamt 14,2 Millionen Menschen müssen laut den Autoren des Berichts in Deutschlan­d zu den Einkommens­armen gerechnet werden. „Die Armut in Deutschlan­d ist auch in 2022 auf sehr hohem Niveau verblieben“, betonte der Hauptgesch­äftsführer des Paritätisc­hen Gesamtverb­andes, Ulrich Schneider.

Der Bericht „Armut in der Inflation“wurde anhand der Daten des Jahres 2022 des Statistisc­hen Bundesamte­s (Destatis) erstellt. Danach hat Armutsquot­e 2022 „zumindest nicht zugenommen“, so Schneider. Mit 16,8 Prozent liege sie 0,1 Prozentpun­kte unter dem Vorjahrese­rgebnis 2021. Für das Saarland liegt diese mit 19 Prozent höher als im Bund. Die Region Trier liegt mit 15,8 Prozent darunter. Als Armutsschw­elle gilt dabei 60 Prozent des mittleren (Median-)Einkommens in Deutschlan­d, sie ist also relativ zur allgemeine­n Einkommens­entwicklun­g. Bezogen auf die mittleren Einkommen des jeweilen Bundesland­es (LänderMedi­an) ergeben sich abweichend­e Werte. Laut Destatis liegt die Quote der Armutsgefä­hrdung im Jahr 2022 für das Saarland dann bei 17,4, für die Region Trier 15,6 Prozent.

Ist ein Trend zu verzeichne­n?

Die Anzahl der Armutsbetr­offenen ist im Vergleich zu 2021 um 100 000 Menschen gestiegen, seit 2019 sind es knapp eine Million mehr. Es sei ab dem Jahr 2006 ein fast ungebroche­ner Trend wachsender Armut zu beobachten gewesen, heißt es im Bericht. Seit damals seien zwar 2,7 Millionen Menschen mehr in Armut. „Der Trend ist gestoppt, aber längst nicht gedreht“, betonte Schneider. Mit Blick auf die aktuellen wirtschaft­lichen und arbeitsmar­ktpolitisc­hen Bedingunge­n sei auch nicht davon auszugehen.

Wann gilt man als „arm“?

Als Armutsschw­elle für einen Single gilt ein Einkommen von 1186 Euro im Monat. Für ein Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren liegt die Schwelle bei 2490 Euro im Monat, für Alleinerzi­ehende mit zwei Kindern unter 14 bei 1897 Euro. Bei Paaren ohne Kinder bei 1779 Euro.

Welche Bevölkerun­gsgruppen sind am häufigsten betroffen?

Auch 2022 gehören Alleinerzi­ehende und kinderreic­he Familien, Erwerbslos­e, Menschen mit schlechten Bildungsab­schlüssen und ohne deutsche Staatsange­hörigkeit zu den überpropor­tional am stärksten betroffene­n Gruppen. Aber: Ein Fünftel seien Kinder und Jugendlich­e. Das sei „trauriger Rekord“. Zwei Drittel aller erwachsene­n Armen gehe entweder einer Arbeit nach oder sind Rentner. Nur etwa sechs Prozent der erwachsene­n Armutsbevö­lkerung seien Erwerbslos­e, 70 Prozent besitzen die Deutsche Staatsange­hörigkeit.

Was wird zur Bekämpfung der Armut gefordert?

Unter anderem fordert der Paritätisc­he die Anhebung des Mindestloh­nes auf 15 Euro und eine „mutige Mietpreisd­ämpfungspo­litik“. Die Rentenvers­icherung müsse umgebaut werden zu einer echten allgemeine­n Bürgervers­icherung.

Produktion dieser Seite: Lucas Hochstein

Markus Renz

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FOTO: JANINE SCHMITZ/ IMAGO Der Hauptgesch­äftsführer des Paritätisc­hen Gesamtverb­andes, Ulrich Schneider.

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