Jetzt richten sich die Blicke auf das Streikrecht
Die Tarifeinigung zwischen Bahn und Lokführergewerkschaft GDL wird allenthalben begrüßt. Doch zugleich richten sich die Blicke schon nach vorn – und zwar auf das künftige Miteinander beider Parteien und vor allem auf das Streikrecht.
adRkhm Die Erleichterung war unüberhörbar, sowohl in der Politik als auch unter Wirtschaftsexperten. Nach der Tarifeinigung der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL jubelte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) regelrecht, gerade vor Ostern sei dies „eine wirklich frohe Botschaft“. Auch für den Wirtschaftsstandort, denn die ohnehin angespannten Lieferketten würden durch Streiks nicht länger belastet. Vier Monate hat die Auseinandersetzung gedauert, sechsmal sind die Lokführer in den
Ausstand getreten – die Blicke richten sich nun aufs Streikrecht.
Nicht ganz so freudig äußerte sich daher die Union. Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) sagte unserer Redaktion, die Beteiligten müssten jetzt Lehren aus dem Konflikt ziehen. „Ich kann beiden Parteien, Deutscher Bahn und GDL, nur empfehlen, zukünftig von Beginn an weniger verkrampft und dafür offener miteinander umzugehen.“Es sei zwar zu begrüßen, ergänzte Lange, dass beide Seiten sich für ein Optionsmodell bei der Arbeitszeit entschieden hätten. „Gleichzeitig bedauere ich es, dass die Deutsche Bahn so lange gebraucht hat, sich für dieses neue Modell zu öffnen“, so der Verkehrsexperte. „Und die GDL muss sich trotz der Einigung fragen lassen, inwieweit es nötig gewesen ist, hierfür die Pendler und die Volkswirtschaft über einen so langen Zeitraum immer wieder in Geiselhaft zu nehmen.“
Bahn und Gewerkschaft hatten sich auf die schrittweise Einführung eines Konzepts verständigt, bei dem Arbeitnehmer zwischen 35 und 40 Arbeitsstunden pro Woche wählen können. Außerdem einigte man
sich auf eine Inflationsausgleichsprämie von 2850 Euro, die in zwei Tranchen ausgezahlt wird, sowie eine Lohnerhöhung um insgesamt 420 Euro pro Monat in zwei Schritten. Der Fahrgastverband Pro Bahn lobte das Ergebnis. Der Vorsitzende Detlef Neuß sagte unserer Redaktion: „Das ist für die Fahrgäste eine ausgesprochene Erleichterung. Allerdings hätte man die Einigung auch ohne so viele Streiks erzielen können.“Ohne bessere Arbeitsbedingungen bekom
me die Bahn kein neues Personal. Zumal das Unternehmen nicht nur unter dem allgemeinen Arbeitskräftemangel leide, „sondern die Jobs in der Schicht- und Wochenendarbeit sind bisher nicht attraktiv genug gewesen“, so der Pro-Bahn-Vorsitzende.
Aus der Wirtschaft gab es ebenfalls Lob. Die Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, sagte unserer Redaktion: „Gut, dass endlich eine Einigung erzielt worden ist.“Sie ergänzte: „Gut auch, dass die von der GDL geforderte Kürzung der Stundenzahl nicht verpflichtend für alle Beschäftigten kommt, sondern jeder wählen kann, ob er für mehr Lohn mehr Stunden arbeiten will.“Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, betonte auf Nachfrage: „Der erzielte Kompromiss ist klug, weil er mehr Flexibilität für die Beschäftigten bei der Wahl ihrer Arbeitszeit schafft. Die erhöhte Flexibilität führt zu mehr Zufriedenheit, weniger Krankheitstagen und damit zu einer höheren Produktivität, wovon alle Seiten profitieren.“Auch erkaufe sich die Bahn mit der verzögerten Reduzierung der Arbeitszeit auf 35 Stunden bis zum Jahr 2029 Zeit, „neue Fachkräfte zu finden und auszubilden“, so Fratzscher.
Nun müssten Politik und Tarifparteien das Streikrecht so anpassen, „dass es eine schnellere Einigung gibt und der wirtschaftliche Schaden begrenzt bleibt“. Auch Minister Wissing merkte an: „Nach den vergangenen Monaten ist es kein Wunder, dass die Frage laut wurde, ob das Streikrecht womöglich an die Gegebenheiten unserer Zeit angepasst werden muss.“Ähnlich äußerte sich FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai: „Die Streiks der vergangenen Wochen haben Millionen Fahrgäste und die deutsche Wirtschaft enorm belastet“, sagte er unserer Redaktion. „Diese Erfahrung lehrt uns: Streiks im Bereich der kritischen Infrastruktur dürfen nicht unverhältnismäßig und maßlos sein. Hier sollte eine gesetzliche Anpassung erfolgen.“Schon im April könnte sich diesbezüglich politisch etwas bewegen – dann kommt der Bundestag zu seiner nächsten Sitzungswoche zusammen.
„Diese Erfahrung lehrt uns: Streiks im Bereich der kritischen Infrastruktur dürfen nicht unverhältnismäßig und maßlos sein.“Bijan Djir-Sarai FDP-Generalsekretär