Saarbruecker Zeitung

„Loslassen geht ganz wunderbar“

Richard Weber, zwei Jahrzehnte lang Präsident der Saar-IHK und als ehemaliger Chef der Karlsberg-Brauerei auch erfolgreic­her Unternehme­r, wird heute 80 Jahre alt. Ein Mann mit vielen Seiten, der auch Veränderun­gen zu schätzen weiß.

- VON THOMAS SPONTICCIA

Mit Verträgen kennt er sich bestens aus. Ein „Abschluss“lässt jedoch besonders aufhorchen. Den hat Richard Weber schon vor 20 Jahren getätigt, wie er verschmitz­t anmerkt. Und verrät bis heute nicht, wer der geheimnisv­olle Verhandlun­gspartner ist. Doch dieser muss wohl über besondere Macht verfügen und sehr attraktive Konditione­n. Denn im Stillen hat Weber erst vor kurzem versucht, den Vertrag erneut zu verlängern. Und lacht spitzbübis­ch, als er sagt: „Ich habe allen schon damals erzählt, dass ich einen Vertrag unterschri­eben habe, nach dem ich 102 Jahre alt werde. Mittlerwei­le wollte ich auf 106 verlängern. Doch da hat mein Vertragspa­rtner gesagt: Du kannst den Vertrag jetzt nicht mehr einseitig kündigen.“

Angesichts all seiner Aktivitäte­n käme Weber ein nochmalige­s längeres Durchstart­en sicherlich gelegen. Doch am heutigen Mittwoch wird der Jubilar, auch ohne Vertragsun­terzeichnu­ng erst einmal 80 Jahre alt. Wir treffen ihn zum Gespräch an einem seiner Lieblingso­rte: dem Golfclub Homburg Websweiler Hof. Weber erscheint zum Gespräch im flotten Freizeithe­md. Und schon auf den ersten Blick fällt sofort eine optische Veränderun­g an ihm auf: der „Stifte-Kopp“ist weg. Der hat ihn über Jahrzehnte geprägt, alle kannten ihn so. „Viele haben den StifteKopp mit mir verbunden und gesagt: Das ist der Richard. Aber dann kam eben Corona. Und das bedeutete auch für mich: mehrere Monate kein Friseur.“So machte er aus der Not eine Tugend und trägt heute wieder einen Seitensche­itel, wie schon zu seiner Jugendzeit.

Zumindest nach außen wirkt Richard Weber auch gelassener als zu seinen Zeiten als Brauerei-Chef und langjährig­er Präsident der saarländis­chen Industrie- und Handelskam­mer (IHK). 21 Jahre lang, ab 1996, stand er an der Spitze dieser einflussre­ichen Stimme der Saar-Wirtschaft. Seit 2017 ist er Ehrenpräsi­dent der IHK. Mag sein, dass das Loslassen

von Ämtern und Verpflicht­ungen einem auch neue Freiheiten gibt. Die neue Gelassenhe­it spürt man bei Weber jedenfalls spätestens dann, wenn er auf seine „Golfer-Karriere“zu sprechen kommt. Auch ein einst ehrgeizige­s Unterfange­n von ihm. Heute sagt er dazu ganz locker: „Das Handicap ist immer noch stabil um die zehn rum. Das ist für mich keine große Verbesseru­ng, aber auch keine Verschlech­terung. Und das reicht mir auch. Ich wollte mal auf Handicap fünf oder sechs. Aber dann hatte ich nicht mehr den Ehrgeiz, so oft zu spielen.“

Doch jetzt im Frühjahr und Sommer wächst alleine schon aus Witterungs­gründen wieder die Lust am Spiel. Zumal Weber gerade im Golfsport besondere Ansprüche entdeckt hat: „Wenn du auf dem Platz bist und den Schläger in die Hand nimmst, dann hast du plötzlich das Gefühl, an nichts anderes mehr denken zu dürfen. Es gibt nur noch die volle Konzentrat­ion. Zumal du beim Schlagen oder Gehen die Physik nicht außer Kraft setzen kannst. Aber das lernst du. Hinzu kommt dann noch, dass ich sechs bis acht

Kilometer gehe, wenn ich auf dem Golfplatz bin. Das ist auch körperlich immer wieder eine Ertüchtigu­ng.“Nicht nur das Golfen selbst hat Weber für sich entdeckt, seit der Gründung des Golfclubs Websweiler Hof ist er auch dessen ehrenamtli­cher Präsident. Sport gehört generell zum festen Tagesablau­f von Richard Weber.

Ein anderes Hobby des gebürtigen Homburgers ist genauso spannend. Weber sammelt seit einiger Zeit Oldtimer. Als Sammler will er sich noch einmal zurückvers­etzen in selbst erlebte Zeiten, in denen er schon einige dieser Schätze selbst gefahren hat. Und so verweist er auf ein Juwel in seiner Sammlung, einen Alfa Romeo 1600 Spider Jahrgang 1964. Weber hat sich mit anderen Oldtimer-Sammlern vernetzt und ist so „mittendrin in einer anderen Welt. Die kommen aus dem In- und Ausland, kümmern sich um ganz an

dere Dinge als ich das früher getan habe.“Wieder treibt ihn die Neugier an. Eins macht er dann aber doch energisch klar: „Ich repariere keine Oldtimer. Ich bin kein Schrauber.“Ab April will er sich wieder mit Mitstreite­rn treffen. Den Auftakt macht ein Oldtimer-Treffen in Essen.

Unterwegs ist Richard Weber nach wie vor häufig, oft auch in Verbindung mit Orten, die ihm etwas Besonderes bedeuten. So ist er gerade von einer Wandertour in Tirol zurückgeko­mmen. Und hat das gleich mal mit dem Besuch alter Wirkungsst­ätten verbunden, an denen er seine Studienzei­t verbracht hat.

Nach Möglichkei­t informiert sich Weber auch heute täglich ein bis zwei Stunden über das aktuelle Geschehen in den Medien. Und hat dabei weiter ein besonderes Augenmerk auf das Saarland. Dessen Entwicklun­g verfolgt er aufmerk

sam. „Die Region stand schon immer für Produktion. Früher waren es vor allem Kohle und Stahl, dann verstärkt Informatio­nstechnolo­gie.“Momentan gehe industriel­le Wertschöpf­ung verloren, wie auch das Beispiel Ford zeigt, und es komme wenig nach. Beim grünen Stahl müsse sich erst einmal zeigen, ob dieser am Ende wirklich konkurrenz­fähig ist. Womit Weber zugleich eine Verbindung zur Karlsberg-Brauerei herstellt. Denn die weitere Entwicklun­g der Industrie habe auch direkte Auswirkung­en auf die Brauerei. „Wenn es künftig weniger Menschen im Saarland geben sollte, verkaufen wir auch weniger Bier und andere Produkte“, so Weber. Deshalb bestehe die Wachstumss­trategie der Brauerei schon von jeher darin, auch auf anderen Märkten im In- und Ausland Marktantei­le zu gewinnen, ohne die Bindung zur Region und den Menschen zu vernachläs­sigen.

Das Saarland sei gut beraten, außer dem grünen Stahl auch neue Innovation­en in anderen Wirtschaft­sbereichen hervorzubr­ingen. „Ohne Produktion geht im Saarland das Licht aus. Es geht nur mit der Industrie“, mahnt Weber. Hier könne die Informatio­nstechnolo­gie am Erfolg mitwirken, indem sie durch neue Technologi­en die Produktivi­tät der saarländis­chen Industrieb­etriebe erhöht. Die Landespoli­tik sei zudem gut beraten, auch den Mittelstan­d stärker zu unterstütz­en. Dieser stehe für hohe Kompetenz und zahlreiche Arbeitsplä­tze.

Jetzt schon gut aufgestell­t für die Zukunft sieht Richard Weber seine jahrzehnte­lange Wirkungsst­ätte, die Karlsberg-Brauerei in Homburg, in die er 1974 eintrat und deren Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der promoviert­e Volkswirt bereits 1978 wurde. Rund 50 Jahre setzt er als Vordenker in der Tradition seines Vaters Paul Weber Meilenstei­ne im Karlsberg-Verbund. Und konzentrie­rt sich auf den Ausbau von Märkten, Marktantei­len und neuen Produkten: national wie internatio­nal. Zu seinen besonderen Leistungen gehört auch die Verbreiter­ung des Sortimente­s, um sich unabhängig­er von der reinen Bierproduk­tion zu machen. Eine der vielen Innovation­en, die untrennbar mit seinem Namen verbunden sind, ist die Markteinfü­hrung von Mixery. Bis heute eines der erfolgreic­hsten Produkte von Karlsberg.

„Brauen ist etwas hoch Emotionale­s. Das musst du jeden Tag leben. Das haben schon die Vorfahren unserer Familie hier in Homburg gemacht, ich durfte es viele Jahre tun und jetzt steht nach einem Generation­swechsel mein Sohn Christian an der Spitze, der diese Emotionen mit anderen und neuen Ideen fortführt in eine erfolgreic­he Zukunft.“Mit Christian zusammen ist Richard Weber weiter geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der Brauerei. Und stolz auf das, was Christian Weber in fünfter Generation seit seinem Eintritt ins Unternehme­n im August 2010 auf die Beine gestellt hat. Wobei der Übergang zur neuen Geschäftsf­ührung vom Ablauf her genauso überrasche­nd war wie der Übergang von Paul Weber zu Richard Weber. „Ich habe vom einen auf den anderen Tag die Brauerei sporadisch betreten. Dann im Freizeitlo­ok, um meine Post abzuholen.“Loslassen, so einfach, nach Jahrzehnte­n? Geht das wirklich? „Das geht ganz wunderbar. 2017 habe ich alles losgelasse­n: keine IHK mehr, kein europäisch­er Brauerbund mehr als Präsident, kein Brauereive­rband mehr, kein nix mehr.“Es sieht tatsächlic­h so aus, dass Richard Weber seine neuen Freiheiten und sein neues Leben genießt. Man darf also auch gespannt sein, was bis zum Ende des Vertrags im 102. Lebensjahr noch so alles passiert.

„2017 habe ich alles losgelasse­n: keine IHK mehr, kein europäisch­er Brauerbund mehr als Präsident, kein Brauereive­rband mehr, kein nix mehr.“Richard Weber Ex-IHK-Präsident

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FOTO: IRIS MARIA MAURER Richard Weber, langjährig­er Chef der Karlsberg-Brauerei und ehemaliger IHK-Präsident, wird am heutigen Mittwoch 80 Jahre alt.

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