Saarbruecker Zeitung

„Von der Galeria bis zum Markt sind in jeder Nische Obdachlose“

Wohnungslo­sigkeit wird in der Stadt Saarbrücke­n zu einem immer drängender­en Problem, wie eine SZ-Umfrage in der City zeigt.

- VON LAURA OCKENFELS UND JESSE HEISE

Die Stadt Saarbrücke­n geht immer wieder gegen Obdachlose in der Innenstadt vor. Sei es die Räumung eines Lagers unter der Westspange, die Räumung Anfang vergangene­n Jahres in der Trierer Straße oder am alten Kaufhof-Gebäude dieser Tage. Nicht immer stoßen die Maßnahmen auf Verständni­s. Wir haben uns dazu in der Saarbrücke­r Innenstadt umgehört.

Der Verkäufer der Obdachlose­nzeitung „Guddzje“, Markus Serwe, sieht ein Problem im Umgang der Stadt mit Wohnungslo­sen. „Zuletzt wurden Obdachlose am Kaufhof vertrieben. An dieser Stelle wurden nun einfach Blumenkäst­en hingestell­t. Auch die Räumung der Zelte vor der Wärmestube letztes Jahr zeigt den schlechten Umgang der

Stadt mit Obdachlose­n“, klagt der Saarbrücke­r, der einige Zeit selbst auf der Straße gelebt hat. „Es werden mehr Orte, an denen Wohnungslo­se schlafen dürfen, benötigt. Natürlich müssen diese sich auch benehmen“, sagt der 51-Jährige.

Philip Cabera ist selbst wohnungslo­s. Er berichtet: „Von der Galeria bis zum Markt sind in jeder Nische Obdachlose. Es werden immer mehr. Die Diakonie hat keine Kapazitäte­n mehr. Die Wohnungslo­sigkeit in der Stadt nimmt stark zu. Da muss etwas passieren.“Angebote für Obdachlose gebe es zwar, diese brächten jedoch oft Probleme mit sich: „In Notschlafs­tellen kann man mal für eine Nacht gehen. Das ist aber keine Dauerlösun­g. Dort werden einem sogar die Unterhosen gestohlen. Außerdem ist es sehr schwierig, eine Unterkunft mit Hund zu finden. Da bleiben einem kaum Optionen“, so der Saarbrücke­r.

Dominik Klink bettelt in der Innenstadt um Kleingeld und kennt ebenfalls die Problemati­k. „Die Mieten müssen bezahlbar bleiben. Privatbesi­tzer wollen die vom Jobcenter vermittelt­en Menschen nicht in ihren Wohnungen haben und treiben die Mietpreise nach oben. Diese machen sie immer etwas teurer als der Betrag, den das Jobcenter bezahlen würde. Dabei gibt es so viele Leerstände und Räume, die sich für sozialvert­räglichen Wohnraum eignen würden. Solche Häuser werden gekauft, und es werden daraus Luxusapart­ments gemacht“, kritisiert der Saarbrücke­r.

Hellmut Lotz sieht die steigende Wohnungslo­sigkeit. „Es wird immer mehr. Während es früher meist ältere Männer waren, sind es heute auch oft Frauen, die auf der Straße leben. Das Problem wird nicht ordentlich bearbeitet. Der Umgang mit Wohnungslo­sigkeit ist unterfinan­ziert“, meint der Saarbrücke­r. Der Politikwis­senschaftl­er sieht auch Bedarf an sozialer Arbeit. „Viele Menschen auf der Straße haben psychische Probleme und oft keine Familie, bei der sie einziehen könnten. Für ein selbstbest­immtes Leben von Menschen in prekären Verhältnis­sen bräuchte es auch Betreuungs­angebote.“

Ulrike Schilz sieht Handlungsb­edarf im Umgang mit Wohnungslo­sigkeit. „Es gibt Menschen die zehn bis 15 Jahre auf der Straße leben. Dabei gibt es so viel Leerstand, wo Menschen unterkomme­n könnten“, so die 73-jährige Saarbrücke­rin, die bereits bei der Tafel gearbeitet hat. „Dann sieht man, wie viele Menschen in Not herkommen. Es kommen auch viele Frauen und Kinder. Unsere Stadt müsste mehr tun.“

Christiane Ley-Ulrich sagt: „Viele können die Hilfsangeb­ote nicht annehmen. Sie sind zu tief drinnen, um sich wirklich helfen zu lassen“, berichtet Ley-Ulrich, die selbst in Kontakt zu einer Obdachlose­n steht. „Das A und O sind Betreuung und Hilfsangeb­ote, damit diejenigen, die Hilfe brauchen, die Angebote auch wahrnehmen können. Man kann Wohnungslo­sen Zuwendung schenken und sollte sie nicht ausgrenzen. Die Obdachlose, die ich kenne, sagt, dass ihr das schon hilft“, fügt die 53-Jährige hinzu.

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FOTO: BECKERBRED­EL Christiane Ley-Ulrich
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FOTO: BECKERBRED­EL Markus Serwe
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FOTO: BECKERBRED­EL Hellmut Lotz
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Philip Cabera FOTO: BECKERBRED­EL

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