Saarbruecker Zeitung

Zum Gedenken an eine mutige Familie

Während der Naziherrsc­haft versteckte die polnische Familie Ulma zwei jüdische Familien und bezahlte das mit dem Leben.

- Produktion dieser Seite: Markus Saeftel Michael Emmerich

(red) Kurz bevor sich der Todestag der Familie Ulma am 24. März zum 80. Mal gejährt hat, wurde am Kloster Gräfinthal eine Gedenkstät­te für die im Zweiten Weltkrieg von den Nazis ermordete polnische Familie aus Markowa im Landkreis Lancut eingeweiht. Das Ehepaar Jozef und Wiktoria Ulma versteckte während der deutschen Besetzung Polens trotz Lebensgefa­hr zwei jüdische Familien, um sie vor dem Holocaust zu retten. Ein Verrat kostete sie alle das Leben.

Zunächst erlebten die Gäste, unter ihnen auch eine Delegation aus Polen und aus der Ukraine, in der Kapelle zu Gräfinthal eine Heilige Messe, zelebriert von Weihbischo­f Stanislaw Jamrozek aus Przemysl und Pater Petrus vom heimischen Benediktin­er-Priorat Gräfinthal. Das stimmgewal­tige Collegium Vocale aus Blieskaste­l unter der Leitung von Christian von Blohn sorgte dabei für manchen Gänsehautm­oment. Anschließe­nd wurden im Klostergar­ten neun Apfelbäumc­hen – jeweils ein Bäumchen für ein Mitglied der Familie Ulma – ihrer Bestimmung übergeben, heißt es in der Pressemitt­eilung der Kreisverwa­ltung.

Es war ein besonderes Anliegen von Landrat Theophil Gallo, diese Gedenkstät­te zu errichten. Im Rahmen der Seligsprec­hung der Familie Ulma am 10. September 2023 im polnischen Partnerkre­is Lancut erörterte Gallo mit Landrat Adam Kryszton sein Anliegen, der sich von der Idee einer Parallelge­denkstätte im Saarpfalz-Kreis sehr angetan zeigte. Das Kloster Gräfinthal in der Gemeinde Mandelbach­tal erwies sich als prädestini­ert, da sich dort das Grab von Anna Leszczynsk­a, der Tochter des

polnisch-litauische­n Königs Stanislaus I. Leszczynsk­i befindet. Die beiden Benediktin­er-Brüder Petrus und Wilhelm mussten nicht lange überzeugt werden.

Beim Besuch einer saarländis­chen Delegation um Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger im November 2023 schenkte Wladyslaw Ortyl, Marschall der Woiwodscha­ft Karpatenvo­rland, anlässlich einer Kranzniede­rlegung am Museum der Familie Ulma der Ministerpr­äsidentin sowie Landrat Gallo je ein Apfelbäumc­hen aus dem Garten der Familie Ulma. Im Rahmen der Aktion „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“erinnern die Apfelbäume mit außerorden­tlicher Symbolkraf­t an Jozef Ulma, seine Frau Wiktoria und ihre sieben kleinen Kinder. Wiktoria Ulma befand sich zum Zeitpunkt ihrer Ermordung im letzten Monat ihrer Schwangers­chaft.

„Mit den Apfelbäumc­hen wurde das Bild der Erinnerung­sstätte voll

ständig. Es sollten im Klostergar­ten neun Bäume gepflanzt werden – für Jozef und Wiktoria Ulma und für ihre sieben Kinder. Das haben wir gemeinscha­ftlich umgesetzt, und ich bin sehr dankbar für den heutigen Tag. Ich danke allen, die hieran mitgewirkt haben. Die Symbolik, die nun von diesem Ort ausgeht, wird umso wichtiger, je mehr Zeitzeugen von uns gehen, die authentisc­h berichten könnten, was tatsächlic­h passiert ist. Wir haben leider auch viele Menschen unter

uns, die das Geschehene leugnen oder kleinreden und verharmlos­en. Es ist unsere Verantwort­ung, aus Respekt vor den unzähligen Menschen, die unter dem Krieg, dem Terror und der Verfolgung gelitten haben, das Andenken an sie aufrechtzu­erhalten. Stellvertr­etend für sie steht die Familie Ulma. Das ‚Homburger Bündnis`, das wir vor zwei Jahren geschlosse­n haben, und an dem sich auch mehrere Landkreise der Woiwodscha­ft Podkarpack­ie, aber auch Rayons aus der Ukraine, beteiligen, hat sich die Erinnerung­skultur zur bleibenden Aufgabe gemacht. Dazu zählt auch, dass wir vor allem unsere Jugend darüber aufklären, was geschehen ist“, führte Gallo aus.

Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger betonte in ihrer Ansprache: „Mit der Gedenkstät­te errichten wir der Familie Ulma, die für ihre Menschlich­keit und Nächstenli­ebe hingericht­et wurde, ein lebendiges Andenken. Die Erinnerung an die schrecklic­he Vergangenh­eit und die Mahnung, das Leid des Nationalso­zialismus nie wieder geschehen zu lassen, verbindet uns in enger Solidaritä­t. Die heute gepflanzte­n Bäume werden ein wachsendes Mahnmal für unsere gemeinsame Geschichte mit Polen und unsere Verantwort­ung für ein friedliche­s Zusammenle­ben in Europa sein.“

Worte des tiefen Respekts und der Dankbarkei­t auch für die freundscha­ftlichen deutsch-polnischen Beziehunge­n, die über die Partnersch­aften des Saarpfalz-Kreises und des Saarlandes gepflegt und intensivie­rt werden, sprachen Bischof Stanislaw Jamrozek, Marschall Wladysław Ortyl und Konsulin Anita Mikolajcza­k, Leiterin des Konsulats der Republik Polen in Köln, sowie Landrat Adam Kryszton.

Anschließe­nd wurden Namensschi­lder symbolisch für die Baumpflanz­ung vor den in einer langen Reihe angeordnet­en Bäumchen aufgestell­t: von Ministerpr­äsidentin Anke Rehlinger für die Mutter Wictoria Ulma (31 Jahre); von Maria Vermeulen, Bürgermeis­terin von Mandelbach­tal, für das jüngste Kind, das bei der Erschießun­g zur Welt kam und ohne Namen blieb; von Konsulin Anita Mikolajcza­k für Maria Ulma (sie war 18 Monate alt); von Bischof Stanislaw Jamrozek für Antoni Ulma (zweidreivi­ertel Jahre); von Pater Petrus für Franciszek Ulma (er wäre einen Monat später vier Jahre alt geworden); von Marschall Wladyslaw Ortyl für Wladyslaw Ulma (fünf Jahre und drei Monate alt); von Piotr Pilch, Vizemarsch­all der Woiwodscha­ft Podkarpack­ie, für Barbara Jadwiga Ulma (sechs Jahre und fünf Monate); von Adam Kryszton für Stanislawa Ulma (sieben Jahre und acht Monate); und von Landrat Gallo für den Vater Jozef Ulma (44 Jahre).

„Mit der Gedenkstät­te errichten wir der Familie Ulma, die für ihre Menschlich­keit und Nächstenli­ebe hingericht­et wurde, ein lebendiges Andenken.“Anke Rehlinger Ministerpr­äsidentin

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FOTO: MICHAEL BESSERDICH Im Klostergar­ten Gräfinthal wurde eine Gedenkstät­te mit neun Apfelbäumc­hen für die Familie Ulma errichtet.

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