Saarbruecker Zeitung

Neugebauer legt im „Wohnzimmer“los

Der Hoffnungst­räger der deutschen Leichtathl­etik will bei seinem ersten Zehnkampf des Jahres eine Duftmarke setzen.

- VON KRISTOF STÜHM

(sid) Der ganz große Olympia-Traum beginnt für Leo Neugebauer im eigenen „Wohnzimmer“. Im Mike-Myers-Stadium in Austin schuftet der Hoffnungst­räger der deutschen Leichtathl­etik jeden Tag für die Medaille in Paris. Hier kennt Neugebauer jeden Startblock, jeden Absprungba­lken, jede Kugel. Und hier nimmt Neugebauer ab diesem Mittwoch endgültig Schwung auf für die Olympische­n Spiele.

„Der Wettkampf findet auf meinem Homeground statt, ich mag das sehr. Viele Zuschauer werden da sein“, sagt Neugebauer vor seinem ersten Zehnkampf des Jahres bei den Texas Relays: „Also ich freue mich mega drauf, muss ich sagen. Wir haben uns sehr gut vorbereite­t, und ich fühle mich absolut top.“

Was möglich ist, wenn Neugebauer top drauf ist, hat der 23-Jährige erst vor gut zwei Wochen gezeigt. Mit 6347 Punkten brach er den alten deutschen Hallen-Rekord im Siebenkamp­f von Frank Busemann, Neugebauer hält damit nun beide deutschen Bestmarken im Mehrkampf – in der Halle und im Freien.

„Er hat nun beide Rekorde, das ist eine echte Marke. Und das sind gute Vorzeichen für Paris“, sagt der entthronte Busemann, der den Verlust seines Rekords bereits erwartet hatte. „Es war eine Frage der Zeit. Es war klar, dass es irgendwann passieren würde. Und es war mir klar: Wenn Leo sich nicht verläuft, und das kann er ja nicht so gut, weil er genau weiß, was er macht, dann wird er ihn knacken“, erklärt der 49-Jährige, Olympia-Zweiter von 1996 im Zehnkampf: „Klar ist man traurig. Ein bisschen Wehmut ist immer dabei. Wer erzählt, es ist geil, dass sein eigener Rekord gebrochen wird, erzählt Quatsch. Dafür sind wir alle Punktejäge­r. Man macht ja den Sport, weil man irgendwelc­he Abdrücke hinterlass­en will.“

Auch College-Student Neugebauer will Abdrücke hinterlass­en, er will mehr – und am liebsten am 2. und 3. August in Paris liefern. „Olympia steht für mich über allem“, sagt Neugebauer: „Das ist die größte Bühne überhaupt, weil da die besten Leute auf der ganzen Welt zusammenko­mmen. Und es findet nur alle vier Jahre statt, also bekommt man nicht sehr häufig die Möglichkei­t, dort mitzumache­n.“Und Neugebauer will gleich bei seinem Olympia-Debüt zeigen, „was ich draufhabe“. Was er als WM-Fünfter in Budapest verpasste, hofft Neugebauer in Paris nachzuhole­n: „Mein Traum wäre es, dort eine Medaille zu gewinnen. Das wäre sehr, sehr cool.“

Mit seinem deutschen FreiluftRe­kord von 8836 Punkten aus dem Vorjahr war Neugebauer nicht nicht von einem auf den anderen Moment in der Weltspitze angekommen und ein Medaillenk­andidat für die Weltmeiste­rschaft in Budapest, er hat auch sein Olympia-Ticket für Paris bereits sicher. Nun gilt es, die erste Duftmarke zu setzen. Eine genaue Punktzahl hat er dabei noch nicht im Kopf, für den Wirtschaft­s-Studenten steht ab Mittwoch vor rund 20 000 Fans erst einmal die Qualifikat­ion für die College-Meistersch­aften Anfang Juni im Vordergrun­d. „Das wird aber hoffentlic­h kein großes Problem sein“, sagt Neugebauer.

In rund einem Monat hat er auch seinen Bachelor-Abschluss in der Tasche, spätestens danach zählen dann nur noch die Sommerspie­le. Und vielleicht knackt Neugebauer, der längst der größte Medaillenk­andidat des Deutschen Leichtathl­etikVerban­des neben der Weitspring­erin Malaika Mihambo ist, irgendwann ja auch als erster Deutscher die magische 9000-Punkte-Marke. „Ich werde versuchen, immer mein Bestes zu geben, in den zehn Diszipline­n mein Maximum abzurufen“, sagt er: „Es kann sein, dass da mal die 9000 Punkte rauskommen, aber mein Fokus liegt einfach nur darauf, an mir selbst zu arbeiten und sicher zu gehen, dass ich immer ein bisschen besser werde.“Und dafür schuftet er jeden Tag in seinem „Wohnzimmer“.

„Mein Traum wäre es, dort eine Medaille zu gewinnen. Das wäre sehr, sehr cool.“Zehnkampf-Star Leo Neugebauer über die Sommerspie­le in Paris

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FOTO: LEE/IMAGO IMAGES Im März hatte Leo Neugebauer bereits allen Grund zum Jubeln. Bei einem College-Wettkampf in Boston knackte er mit 6347 Punkten den deutschen Siebenkamp­f-Rekord in der Halle.

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