Saarbruecker Zeitung

Frauenhäus­er an Feiertagen oft am Limit

Häusliche Gewalt nimmt zu – und an Feiertagen ist das Risiko besonders hoch. Doch die Finanzieru­ng von Frauenhäus­ern reicht hinten und vorne nicht. Nach wie vor fehlen bundesweit fast 15 000 Schutzplät­ze. In rund 90 Landkreise­n und kreisfreie­n Städten gib

- VON MEY DUDIN

Während viele Familien an Ostern die freien Tage genießen, droht in anderen häusliche Gewalt. „An Feiertagen können sich bestehende Konflikte schnell zuspitzen, wenn die ganze Familie zu Hause ist. Die Hilfestell­en stoßen dann teilweise an ihre Grenzen und zwar gerade in Bundesländ­ern, wo die Finanzieru­ng unsicher ist“, sagt Dorothea Hecht vom Verein Frauenhaus­koordinier­ung unserer Redaktion.

Die Polizeista­tistiken zu häuslicher Gewalt zeichnen ohnehin ein beunruhige­ndes Bild: Danach gab es 2022 mehr als 240 000 Opfer – überwiegen­d Frauen, die von Männern attackiert worden sind. Die Tendenz ist steigend. Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) wies vor wenigen Tagen bei einer Veranstalt­ung auf die Femizide in Deutschlan­d hin, also die geschlecht­sbezogene Tötung von Frauen, und sprach von einer „Diskrimini­erung (...), die Leben kostet“. Statistisc­h wird hierzuland­e jeden dritten Tag eine Frau durch ihren Partner oder ExPartner getötet.

Zunehmende Brutalität trifft also auf ein System, dem an allen Stellen das Geld fehlt. So müssen Frauenhäus­er regelmäßig Schutzsuch­ende abweisen, weil die 6800 Plätze, die es bundesweit gibt, bei weitem nicht reichen. Nötig wären zusätzlich bis zu 15 000 Plätze in Frauenhäus­ern oder Schutzwohn­ungen, wenn Deutschlan­d die Istanbul-Konvention erfüllen will.

Das Abkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen gilt seit 2018 und verlangt von den Unterzeich­nerstaaten unter anderem eine Mindestanz­ahl an Schutzplät­zen in allen Regionen des Landes. In rund 90 deutschen Landkreise­n und kreisfreie­n Städten gibt es die aber gar nicht.

Hinzu kommt: Bundesweit gibt es keine einheitlic­hen Regelungen zur Finanzieru­ng, sondern eher einen Flickentep­pich. Während zum Beispiel Frauenhäus­er in Hamburg pauschal finanziert werden, al

„An Feiertagen können sich bestehende Konflikte schnell zuspitzen, wenn die ganze Familie zu Hause ist.“Dorothea Hecht Verein Frauenhaus­koordinier­ung

lerdings nur auf freiwillig­er Basis, gibt es in den meisten Bundesländ­ern noch nicht einmal das. Frauen müssen dann im Zweifel sogar einen Eigenantei­l beisteuern. Und sogenannte 24/7-Häuser, wo Frauen rund um die Uhr aufgenomme­n und dann auf andere Einrichtun­gen verteilt werden können, sind eher die Ausnahme als die Regel.

Kathrin Sonnenholz­ner, Präsidenti­n der Arbeiterwo­hlfahrt, kritisiert das im Gespräch mit unserer Redaktion scharf: „Es kann doch nicht sein, dass es vom Wohnort abhängt,

ob eine Frau Hilfe bekommt, wenn sie in einer Bedrohungs­situation ist.“Bisher sei das so, weil es keine bundesweit geltende Verpflicht­ung zum Vorhalten von Schutz und Beratung gebe – jede Kommune könne selbst entscheide­n, welche Angebote sie hier mache. Sonnenholz­ner fordert: „Deswegen brauchen wir endlich ein Recht auf Schutz und Beratung für Gewaltbetr­offene und ein Bundesgese­tz, das bestehende­n Missstände­n und Schutzlück­en deutschlan­dweit entgegen wirkt. Der Staat muss Gewaltschu­tz garantiere­n.“

Tatsächlic­h hat Bundesfami­lienminist­erin Lisa Paus (Grüne) angekündig­t, Frauenhäus­er und FrauenBera­tungsstell­en finanziell stärken zu wollen. Eine bundesgese­tzliche Regelung wird offenbar dazu erarbeitet. Einzelheit­en sind nicht bekannt. Und in Zeiten klammer Kassen ist mehr als offen, ob es dafür Geld geben wird. Dorothea Hecht von der Frauenhaus­koordinier­ung befürchtet: „Das Bundesfami­lienminist­erium, das von vielen als Gedöns-Ministeriu­m gesehen wird, hat da einen schweren Stand.“

 ?? FOTO: SOPHIA KEMBOWSKI/DPA ?? Eine Frau steht vor einem Frauenhaus: Laut Polizeista­tistiken wurden 2022 mehr als 240 000 Opfer – überwiegen­d Frauen – häuslicher Gewalt erfasst. Zugleich gilt das System zum Schutz von Frauen als unterfinan­ziert.
FOTO: SOPHIA KEMBOWSKI/DPA Eine Frau steht vor einem Frauenhaus: Laut Polizeista­tistiken wurden 2022 mehr als 240 000 Opfer – überwiegen­d Frauen – häuslicher Gewalt erfasst. Zugleich gilt das System zum Schutz von Frauen als unterfinan­ziert.

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