Ex-Grünen-Landeschef tritt für die AfD an
Gerold Fischer war Direktor eines Gymnasiums und Landesvorsitzender der Grünen. Dem Völklinger Stadtrat will er nach Jahrzehnten erhalten bleiben – und kandidiert nun für die AfD.
Die Nachricht, dass der ehemalige Grünen-Landesvorsitzende Gerold Fischer bei der Stadtratswahl in Völklingen am 9. Juni für die AfD antritt, ist schon ein paar Tage alt. Doch das Entsetzen bei Menschen, die den Oberstudiendirektor a.D. eigentlich schätzen, ist geblieben. „Wir sind fassungslos“, sagt die
Vorsitzende der Völklinger Grünen, Ursula Meyer. „Es passt nicht zu dem Bild, das wir von Herrn Dr. Fischer hatten.“Die Völklinger Oberbürgermeisterin Christiane Blatt (SPD) sagt: „Das hätte ich nie gedacht.“Nicht zu fassen, heißt es auch aus der Völklinger CDU.
Gerold Fischer, der dem Stadtrat mit zehnjähriger Unterbrechung seit 1984 angehört und in der Anfangszeit der Grünen und dann wieder von 2000 bis 2002 ihr Landesvorsitzender war, hatte die Partei im Dezember 2023 verlassen, nach über 40 Jahren. Der ehemalige Direktor des Völklinger Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasiums (von 1998 bis 2012) mit den Fächern Mathematik, Physik und Informatik begründete dies mit Entscheidungen der Bundespartei und der Bundesregierung. „Insbesondere sehe ich die Militarisierung unserer Gesellschaft sehr kritisch.“
Am 10. März ließ sich Fischer dann, für Außenstehende völlig überraschend, auf den sicheren Platz 3 der Völklinger AfD-Liste wählen. Er stehe nach wie vor für Ökologie, Gewaltfreiheit, Basisdemokratie „und gegen Hass und Hetze“, versicherte er anschließend. Er unterstütze die AfD auch nicht im Bund, ihm gehe es nur um Lokalpolitik, wo er seine Arbeit im Stadtrat fortsetzen wolle.
Er legt Wert darauf, dass er kein AfD-Mitglied ist. „Ich habe mich von den Grünen getrennt, weil ich nicht für die Politik der Partei auf Bundesebene verantwortlich gemacht werden wollte“, schrieb er der SZ. „Da wäre es doch mehr als töricht, jetzt zu einer anderen Partei zu wechseln, wo das Problem in verschärfter Form ebenfalls vorhanden ist.“
Der Völklinger AfD-Vorsitzende Dieter Müller sagt, er akzeptiere das voll und ganz, er sei selbst ja auch nicht mit allem einverstanden, was die AfD im Bund macht. Allerdings ist sich Müller sicher, Fischer („eine Koryphäe im Rat“) liege „im Großen und Ganzen auf unserer Wellenlänge“.
Für den früheren Direktor hat die Nachricht seiner Kandidatur bereits eine erste Konsequenz: Den Vorsitz eines Vereins, der mit 80 Beschäftigten die Nachmittagsbetreuung an
elf Schulen übernimmt, hat er am Dienstag abgegeben, „um Schaden von ihm abzuwenden“. Fischer hatte den Verein 1999 mit aufgebaut, ein „Herzensprojekt“. Im Umfeld des Vereins hatte Fischers Kandidatur für die AfD Irritationen ausgelöst.
Dass Gerold Fischer, der im Stadt
rat stets sachlich argumentiert, „nicht in die braune Ecke“gehört, bestätigen Menschen, die ihn lange kennen. Ebenso, dass ihm das Thema Frieden immer wichtig war – zu den Grünen kam er über die Friedensbewegung. Gegen deutsche Waffen für die Ukraine bezog er intern früh Stellung.
Was treibt ihn also an? Im Raum steht der Verdacht einstiger Weggefährten, Fischer wolle unbedingt im Stadtrat bleiben (um einen Listenplatz bei den Grünen bemühte er sich nicht) und sehe nicht, dass er mit seiner Kandidatur für die AfD seine Reputation zerstöre. Er selbst sagt: „Als Parteiloser bekam ich nun die Möglichkeit, auf der Liste der AfD erneut für den Stadtrat in Völklingen zu kandidieren, um dort weiterhin meine Erfahrungen einbringen zu können. Mehr ist nicht passiert.“
Steht Fischer der AfD inhaltlich nun nahe, wie es die Partei nahelegt? Auf SZ-Anfrage erklärte er: „Ich würde mich immer noch als liberalen Grünen bezeichnen. Die aktuelle Politik der Bundesregierung schafft allerdings mehr Probleme, als sie löst. Wer Klimaschutz will, muss zunächst dafür sorgen, dass Kriege enden. Vor allem aber darf die Klimapolitik nicht dazu führen, dass die Wirtschaft zusammenbricht.“Und wie stehen Sie zu den Positionen der AfD in der Migrations- und Klimaschutzpolitik? Fischer: „Mein Kontakt zur AfD ist rein auf kommunaler Ebene, wo ich konstruktiv mithelfen will, konkrete Probleme zu lösen. Die Klimapolitik der AfD teile ich nicht.“
Was unstreitig ist: Fischer und der AfD-Fraktionschef im Landtag, Josef Dörr, kennen sich seit Jahrzehnten, beide machten früher bei den Saar-Grünen gemeinsame Sache im Realo-Flügel. Dort galt Fischer immer schon als „Dörrs Mann“. Dörr, früher Schatzmeister der Saar-Grünen, habe ihn jetzt wohl hinübergezogen. Dörr bestätigt, dass beide stets Kontakt gehalten hätten und er in der AfD um Fischer geworben habe. „Ich habe immer gesagt: Erst nehmen wir ihnen die Wähler weg, dann die Leute.“