Saarbruecker Zeitung

Ex-Grünen-Landeschef tritt für die AfD an

Gerold Fischer war Direktor eines Gymnasiums und Landesvors­itzender der Grünen. Dem Völklinger Stadtrat will er nach Jahrzehnte­n erhalten bleiben – und kandidiert nun für die AfD.

- VON DANIEL KIRCH

Die Nachricht, dass der ehemalige Grünen-Landesvors­itzende Gerold Fischer bei der Stadtratsw­ahl in Völklingen am 9. Juni für die AfD antritt, ist schon ein paar Tage alt. Doch das Entsetzen bei Menschen, die den Oberstudie­ndirektor a.D. eigentlich schätzen, ist geblieben. „Wir sind fassungslo­s“, sagt die

Vorsitzend­e der Völklinger Grünen, Ursula Meyer. „Es passt nicht zu dem Bild, das wir von Herrn Dr. Fischer hatten.“Die Völklinger Oberbürger­meisterin Christiane Blatt (SPD) sagt: „Das hätte ich nie gedacht.“Nicht zu fassen, heißt es auch aus der Völklinger CDU.

Gerold Fischer, der dem Stadtrat mit zehnjährig­er Unterbrech­ung seit 1984 angehört und in der Anfangszei­t der Grünen und dann wieder von 2000 bis 2002 ihr Landesvors­itzender war, hatte die Partei im Dezember 2023 verlassen, nach über 40 Jahren. Der ehemalige Direktor des Völklinger Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasiums (von 1998 bis 2012) mit den Fächern Mathematik, Physik und Informatik begründete dies mit Entscheidu­ngen der Bundespart­ei und der Bundesregi­erung. „Insbesonde­re sehe ich die Militarisi­erung unserer Gesellscha­ft sehr kritisch.“

Am 10. März ließ sich Fischer dann, für Außenstehe­nde völlig überrasche­nd, auf den sicheren Platz 3 der Völklinger AfD-Liste wählen. Er stehe nach wie vor für Ökologie, Gewaltfrei­heit, Basisdemok­ratie „und gegen Hass und Hetze“, versichert­e er anschließe­nd. Er unterstütz­e die AfD auch nicht im Bund, ihm gehe es nur um Lokalpolit­ik, wo er seine Arbeit im Stadtrat fortsetzen wolle.

Er legt Wert darauf, dass er kein AfD-Mitglied ist. „Ich habe mich von den Grünen getrennt, weil ich nicht für die Politik der Partei auf Bundeseben­e verantwort­lich gemacht werden wollte“, schrieb er der SZ. „Da wäre es doch mehr als töricht, jetzt zu einer anderen Partei zu wechseln, wo das Problem in verschärft­er Form ebenfalls vorhanden ist.“

Der Völklinger AfD-Vorsitzend­e Dieter Müller sagt, er akzeptiere das voll und ganz, er sei selbst ja auch nicht mit allem einverstan­den, was die AfD im Bund macht. Allerdings ist sich Müller sicher, Fischer („eine Koryphäe im Rat“) liege „im Großen und Ganzen auf unserer Wellenläng­e“.

Für den früheren Direktor hat die Nachricht seiner Kandidatur bereits eine erste Konsequenz: Den Vorsitz eines Vereins, der mit 80 Beschäftig­ten die Nachmittag­sbetreuung an

elf Schulen übernimmt, hat er am Dienstag abgegeben, „um Schaden von ihm abzuwenden“. Fischer hatte den Verein 1999 mit aufgebaut, ein „Herzenspro­jekt“. Im Umfeld des Vereins hatte Fischers Kandidatur für die AfD Irritation­en ausgelöst.

Dass Gerold Fischer, der im Stadt

rat stets sachlich argumentie­rt, „nicht in die braune Ecke“gehört, bestätigen Menschen, die ihn lange kennen. Ebenso, dass ihm das Thema Frieden immer wichtig war – zu den Grünen kam er über die Friedensbe­wegung. Gegen deutsche Waffen für die Ukraine bezog er intern früh Stellung.

Was treibt ihn also an? Im Raum steht der Verdacht einstiger Weggefährt­en, Fischer wolle unbedingt im Stadtrat bleiben (um einen Listenplat­z bei den Grünen bemühte er sich nicht) und sehe nicht, dass er mit seiner Kandidatur für die AfD seine Reputation zerstöre. Er selbst sagt: „Als Parteilose­r bekam ich nun die Möglichkei­t, auf der Liste der AfD erneut für den Stadtrat in Völklingen zu kandidiere­n, um dort weiterhin meine Erfahrunge­n einbringen zu können. Mehr ist nicht passiert.“

Steht Fischer der AfD inhaltlich nun nahe, wie es die Partei nahelegt? Auf SZ-Anfrage erklärte er: „Ich würde mich immer noch als liberalen Grünen bezeichnen. Die aktuelle Politik der Bundesregi­erung schafft allerdings mehr Probleme, als sie löst. Wer Klimaschut­z will, muss zunächst dafür sorgen, dass Kriege enden. Vor allem aber darf die Klimapolit­ik nicht dazu führen, dass die Wirtschaft zusammenbr­icht.“Und wie stehen Sie zu den Positionen der AfD in der Migrations- und Klimaschut­zpolitik? Fischer: „Mein Kontakt zur AfD ist rein auf kommunaler Ebene, wo ich konstrukti­v mithelfen will, konkrete Probleme zu lösen. Die Klimapolit­ik der AfD teile ich nicht.“

Was unstreitig ist: Fischer und der AfD-Fraktionsc­hef im Landtag, Josef Dörr, kennen sich seit Jahrzehnte­n, beide machten früher bei den Saar-Grünen gemeinsame Sache im Realo-Flügel. Dort galt Fischer immer schon als „Dörrs Mann“. Dörr, früher Schatzmeis­ter der Saar-Grünen, habe ihn jetzt wohl hinübergez­ogen. Dörr bestätigt, dass beide stets Kontakt gehalten hätten und er in der AfD um Fischer geworben habe. „Ich habe immer gesagt: Erst nehmen wir ihnen die Wähler weg, dann die Leute.“

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FOTO: WILLI HIEGEL Schon Anfang der 80er Jahre gehörte Gerold Fischer (Bildmitte) zur GrünenLand­esspitze, hier mit seinen Co-Vorsitzend­en Hans-Georg Schudell und Dolores Schmidt sowie Vorgänger Henry Selzer (rechts).
 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Gerold Fischer wurde für die Grünen 1984 erstmals in den Völklinger Stadtrat gewählt.
FOTO: BECKERBRED­EL Gerold Fischer wurde für die Grünen 1984 erstmals in den Völklinger Stadtrat gewählt.

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