Künstler mit Stahl aus dem Saarland
Der weltbekannte US-Künstler Richard Serra ist tot. Auch hierzulande hinterließ er einige Spuren.
Der Stahl aus dem Saarland hatte es ihm angetan: Über Jahrzehnte baute der USKünstler Richard Serra seine großen Kunstwerke mit Material aus der Dillinger Hütte. Serras Skulpturen aus hiesigem Stahl fanden ihren Platz in Basel und Bilbao, in Amsterdam und in der Wüste von Katar, in New York, Paris, auf dem Luxemburger Kirchberg – und im Saarland: 1992 stellte der Bildhauer, der nun im Alter von 85 Jahren gestorben ist, sechs in- und aneinander gelehnte Stahlplatten auf den Campus der Saarbrücker Uni auf – „Torque“nannte er die 246 Tonnen schwere und 17 Meter hohe Plastik, grob übersetzt „Drehmoment“. Eine ironisch-sinnige Bezeichnung, ragt Serras Kunst doch rostig und monumental aus einem Verkehrskreisel heraus. 2006 konnte die Dillinger Hütte Serra für eine Skulptur gewinnen, die sie der Stadt Dillingen schenkte: „Viewpoint“, aus sechs knapp zehn Meter hohen Segmenten, insgesamt über 100 Tonnen schwer.
Serra, 1939 in San Francisco geboren, hatte nach einem Literaturund Kunststudium zur Arbeit mit Metall gefunden. Seine Skulpturen im öffentlichen Raum lösten, von Serra so gewollt, Diskussionen über Sinn- und Unsinn, über Schönheit
und Hässlichkeit aus. 1981 hatte er in New York eine 36 Meter lange, leicht geneigte Stahlwand aufgestellt – die Passanten fühlten sich von der Skulptur „Tilted Arc“derart gestört, dass sie nach einem langen Rechtsstreit abgebaut und verschrottet wurde.
Auch „Torque“auf dem Saarbrücker Uni-Campus wurde nach der Errichtung kontrovers diskutiert, wenn auch nicht ganz so heftig wie „Viewpoint“in Dillingen: Bei einer Telefon-Aktion der Saarbrücker Zeitung zum ersten Geburtstag der Skulptur riefen 969 Menschen in der Redaktion an, 898 davon sag
ten, dass ihnen die Skulptur am Verkehrskreisel noch nie gefallen habe. Keine repräsentative Umfrage, aber doch ein Zeichen, dass Serras Kunst Reaktionen stets auslöste.
Nach dem Tod Serras, der an den Folgen einer Lungenentzündung gestorben ist, würdigte ihn am Mittwoch unter anderem der „Denkmal für die ermordeten Juden Europas e.V.“. Serras künstlerische Vision habe „entscheidend zur Konzeption des Holocaust-Denkmals in Berlin“beigetragen, er habe „einen unverzichtbaren Grundstein für das heute weltweit anerkannte Stelenfeld gelegt“. Der Künstler hatte gemeinsam
mit dem Architekten Peter Eisenman an dem Projekt gearbeitet, das Stelenfeld war Serras Grundidee.
Der Dillinger Kunstverein zeigt ab 16. Juni bis 14. Juli die schon länger vorbereitete und zum 85. Geburtstag Serras geplante Ausstellung „Work comes out of Work“: mit rund 100 Fotografien des Fotokünstlers Dirk Reinartz (1947-2004). Der hatte die Entstehung der Skulpturen vor allem in Dillingen dokumentiert. Auch Skizzen von Richard Serra werden zu sehen sein.