Völklingen – die Bananen-Stadt an der Saar
Als Mit- Geschäftsführer von Früchte Himbert, einem Familienunternehmen in vierter Generation, leitet Johannes Himbert in Völklingen-Fenne auch die einzige Bananenreiferei im Saarland. Von Stürmen bis zum organisierten Verbrechen muss der junge Unternehme
Sie kommen aus aller Herren Länder in die saarländischen Lebensmittelläden: Bananen. Eine Zwischenstation legen die meisten der gekrümmten Südfrüchte dabei in dem kleinen Völklinger Stadtteil Fenne ein. Dort befindet sich ein großes, aber unscheinbares Gebäude, direkt gegenüber dem Kraftwerk. Ins Auge springt allerdings der rege Lkw-Verkehr auf dem Gelände. Ein x-beliebiges Logistikzentrum im Industriegebiet? Könnte man meinen. Nur das Unternehmenslogo der Himbert GmbH – ein grüner Apfel – verrät, dass hier mit Obst hantiert wird. Was nicht zu erkennen ist: Es handelt sich auch um die einzige Bananenreiferei in unserem Bundesland.
Im Inneren der Firma führen verwinkelte Gänge und schmale Treppenhäuser zu dem Büro der Unternehmensleitung. Von dort aus verwaltet Jungunternehmer Johannes Himbert, als einer von zwei Geschäftsführern, das Familienunternehmen in vierter Generation. Dekoriert sind das Büro und die Vorzimmer mit Firmengeschichte. Auch die Löwenfigur, die das Unternehmen für die Saarbrücker 1000-Jahr-Feier mit Fruchtmotiven bemalen ließ, findet sich dort. Ebenso Kurioses, wie eine zerquetschte Bananenspinne im Einmachglas, die ihre Mitfahrgelegenheit in einer Bananenkiste nach Europa schon unterwegs mit dem Leben bezahlt hat. Jedem wird hier klar, dass sich Himbert mit seiner Firma identifiziert. „Heute ist das Unternehmen nicht mehr meine Arbeit, sondern mein Leben“, sagt er selbst.
Das war nicht immer so. Seine Zukunft sah der 34-Jährige früher mal in der IT oder der Technik. Die Begeisterung dafür ist ihm allerdings bis heute erhalten geblieben. In einer Halle, die für Giganten gemacht scheint, präsentiert er stolz hochmoderne Reifekammern. Automatisch werden hier die quietschgrün in der Halle ankommenden Bananen – darunter circa 30 Prozent Bio- und 10 bis 20 Prozent Fairtrade-Früchte – bei einer bestimmten Temperatur und mit dem Reifegas Ethylen aus ihrem Winterschlaf geweckt. Je wärmer die Kammer, desto schneller der Reifeprozess. Dadurch können Kunden auf den Tag genau Bananen eines bestimmten Reifegrads bestellen – von tiefgrün bis dunkelgelb mit braunen Flecken.
Bestellung nach Maß also. „Früher wurde das tatsächlich alles nach Gefühl gemacht“, betont Himbert. Heute läuft der Prozess zum Großteil über eine futuristisch anmutende Steuerkonsole.
Bevor die Bananen überhaupt in die Reifekammer kommen, muss allerdings ihre Qualität kontrolliert werden. Herumflitzende Gabelstapler bringen die Kisten, in denen die Südfrüchte angeliefert werden, in Position: Kistentürme, die sich überall in der Halle der Decke entgegenstrecken, sind das Ergebnis. Dort geht die richtig harte Arbeit erst los. Denn jede einzelne Banane muss per Hand kontrolliert werden.
„Wir setzen am Tag pro Person bis zu 15 Tonnen Bananen um“, schildert Himbert die hohen Anforderungen.
Warum der ganze Aufwand? Wenn die Bananenstaude von Viren oder Pilzen befallen war oder wenn sich reife Bananen unter die Lieferung verirren, setzen die Südfrüchte von selbst Ethylen frei. Ein ungleichmäßiger Reifeprozess ist die Folge. Gelb-grün-gesprenkelte Früchte entstehen – und müssen aussortiert werden, damit sie die anderen Früchte nicht „anstecken“. Also nehmen die Fabrikarbeiter jede einzelne Kiste in die Hand. Bei 19 Kilo pro Kiste geht das natürlich gehörig auf die Bandscheiben. Nur merken
tut man davon beim Zuschauen wenig.
Den Grund dafür stellt Johannes Himbert mit einiger Zufriedenheit in der Stimme vor: Ein Exoskelett hilft den Arbeitern von einer gebückten in eine aufrechte Haltung. Außerdem unterstützt das mechanische Gerüst, das ähnlich einem modernen Rucksack umgeschnallt wird, beim Tragen schwerer Lasten. So werden die Kisten auf ein „gefühltes Gewicht“von nur sechs Kilo reduziert und der Rücken geschont.
Der technikaffine Jungunternehmer muss auch sonst immer schnelle Lösungen für Probleme parat haben. Im Moment wirkt zum Beispiel
die Halle des Unternehmens viel zu groß für die gelagerten Früchte. Der Grund: Rund zweimal im Jahr bricht die Sturmzeit auf den Weltmeeren an. Schiffe kommen nicht in ihre Zielhäfen. Geschäftsführer Himbert muss dann mit Zähnen und Klauen um jedes Stückchen Fracht kämpfen, um den Umsatz nicht einbrechen zu lassen.
Auch die sogenannte Panama Krankheit, die gerade unter den Bananen der Sorte Cavendish wütet, bekommt die Reiferei indirekt zu spüren: „Wenn die Krankheit erkannt wird, wird die ganze Plantage vernichtet. Diese Früchte kommen nicht bei uns an. Aber es gibt dann
halt weniger Bananen auf dem Markt“, erklärt Himbert.
Nicht alltäglich war eine Begegnung mit dem organisierten Verbrechen. Himbert weiß noch genau, in welcher der vielen Reifekammern sich das Drama abgespielt hat. Er zeigt fast anklagend mit dem Finger darauf: „Vor drei oder vier Jahren haben wir mal Kokain unter den Bananen in der Kammer gefunden. Ganze 320 Kilo. In jeder Kiste waren 10 Kilo versteckt. Die Ware sollte ursprünglich nach England gehen, wurde aber wegen Problemen im Hamburger Hafen notgelöscht. Am Ende landete sie dann bei uns. Gott sei Dank hat die Polizei vor den ursprünglichen Besitzern bei uns vorbeigeschaut.“
Ein geräumiger Industrieaufzug führt ins Untergeschoss, wo sich die Bananen den Platz mit anderen Obstsorten teilen müssen. Dort versteckt sich, in einer entlegenen Ecke, die alte Seele der Reiferei. Denn hier befinden sich die ältesten noch vorhandenen Reifekammern, die manuell bedient werden müssen. Himberts Vater konnte das noch. Für ihn selbst seien die alten Anlagen ein Rätsel. Aber wohl auch eine Einladung zum Träumen. Über die Zukunft des Unternehmens. Denn dort erzählt der Jungunternehmer, dass die neueren Kammern auch zur Reifung von Mangos und Avocados fähig sind. In diese Richtung wolle man – wenn alles gut geht – expandieren. Einige andere Früchte und auch Gemüse hat man schon im Programm. Von der Banane zum Obstkorb also.