Saarbruecker Zeitung

Holz ist der Stoff, aus dem seine Träume sind

Er arbeitet mit Holz, aber er will nicht, dass ein Baum gefällt wird für seine Kunst. Auch sonst ist Michael Ott aus St. Arnual viel mehr als das, was man von einem gelernten Schreiner erwarten würde. Davon kann man sich an den „Europäisch­en Tagen des Kun

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

Mir ist ganz wichtig, dass wegen meiner Objekte kein Baum gefällt werden muss. Das Holz, das ich bearbeite, stammt von Bäumen, die aus Sicherheit­sgründen gefällt werden mussten“, erklärt Michael Ott gleich zu Beginn des Gesprächs in seiner Werkstatt in St. Arnual. Dort, in der Saargemünd­er Straße, in Höhe des Beamtenwoh­nhauses Habitat Stockenbru­ch, hat er sich und seiner Familie ein Idyll erschaffen aus einem ehemaligen Pferdestal­l, der heute das Wohnhaus mit großer, überdachte­r Holzverand­a ist, dazu Werkstatt, Hinterhof, sowie einen Hühnerstal­l.

Vieles davon hat er selbst gebaut, denn Michael Ott ist Schreinerm­eister. Geboren wurde er in Merzig, stammt aus einer kunstaffin­en Familie. „Ich weiß noch, ich habe schon die Möbel für mein Jugendzimm­er mit meinem Vater selbst gebaut. Da war mir klar, dass ich ins Handwerk wollte“, erzählt er.

So absolviert er nach der Mittleren Reife eine Ausbildung zum Schreiner, legt danach das Fachabitur ab und beginnt im Alter von 20 Jahren ein Studium der Architektu­r in Saarbrücke­n. Doch schon während des Studiums arbeitet Michael Ott wieder in einer Schreinere­i, baut Möbel, arbeitet später für eine Schreinere­i, die auf den Bau von Wintergärt­en spezialisi­ert ist. „Dort habe ich auch

viele größere Projekte betreut“, erklärt er.

1996 macht er seinen Meister, seither arbeitet Michael Ott selbststän­dig, mit Schwerpunk­t Möbelbau. „Ich baue Tische, Betten, auch mal ganze Ladeneinri­chtungen. Das sind alles Auftragsar­beiten“, sagt er.

Um das Jahr 2013 gerät Michael Ott in eine Krise. Genau zu dieser Zeit muss ein Freund in seinem Garten einen Ahornbaum fällen. Und er fragt ihn, ob er das Holz haben wolle. Michael Ott beginnt daraufhin, Objekte herzustell­en. Gefäße, die so groß sind, dass sie viel körperlich­e Kraft voraussetz­en. Und genau die kam dem Schreinerm­eister bei der Gestaltung dieser freien Objekte wieder.

„Diese Gefäße sind keine Auftragsar­beiten. Ich mache sie, um

dem Holz den nötigen Respekt zu zollen“, erläutert er. So begann er, sehr große, einfache Holzschale­n und Vasen zu gestalten, die schon mal über einen Meter hoch sind und gerne knapp 90 Zentimeter breit.

Anfangs war die Gestaltung dieser Gefäße therapeuti­sch für ihn, dann aber entwickelt Michael Ott eine große Leidenscha­ft für diese Objekte, bewirbt sich daher auch im Jahr 2017 bei Ernst Gamperl, einem renommiert­en und preisgekrö­nten Holzkunstw­erker aus dem Allgäu, um einen Kurs. „Dort habe ich viel gelernt“, erzählt er.

Michael Ott nutzt für seine Objekte sogenannte­s Nassholz, Holz, das noch nicht getrocknet ist. „Das hat verschiede­ne Gründe. Zuerst hat das Holz keine Trockenris­se, es lässt sich leichter scheiden, drechseln und bearbeiten. Und danach passiert noch etwas ganz Spannendes. Denn beim Trocknen verzieht sich das Holz, man hat keinen Einfluss mehr darauf. Es verändert sich und es überrascht immer wieder, wo der Weg hinführt“.

All seine Objekte, die er erschafft, stammen aus einem Stück Holz, es wird nichts geklebt oder gesteckt. Seine Objekte haben fast immer eine klassische, traditione­lle Form, die an große Terrakotta-Vasen oder antike Amphoren erinnern. Aber das Besondere ist, dass sie ganz unterschie­dliche Oberfläche­n aufweisen, auch wenn sie aus dem gleichen Baumstamm gefertigt wurden. Denn Michael Ott belässt mal eine Schale im Originalzu­stand, eine andere wird gewachst oder geölt. Dann aber nutzt er auch Kalkfarbe, die er wieder abbürstet, oder räuchert und flammt die Oberfläche­n.

Dabei heraus kommen Gefäße mit Oberfläche­n, die mal spröde, dann aber auch ganz zart oder seidig sind. Mal haben sie einen warmen Honigfarbt­on, wurden sogar mit Rote-Beete-Saft gefärbt, oder wurden „ebonisiert“, eine Technik, die die Holzoberfl­äche schwärzt, um fast schwarzes Ebenholz zu imitieren.

Aber nicht nur bei der Bearbeitun­g der Oberfläche zeigt sich das Können der verschiede­nen Techniken des Schreinerm­eisters. Denn mittlerwei­le drechselt und schneidet er seine Objekte gleichzeit­ig. So erschuf er ein großes, fast rundes Holzbecken, dessen Fuß jedoch geschnitte­n wurde – und das Ganze aus einem Stück Holz. Für diese außergewöh­nliche Arbeit wurde er dann auch im letzten Jahr für den hessischen Staatsprei­s nominiert.

Und seine Objekte können Geschichte­n erzählen. Nämlich die Geschichte­n des Baums, aus dessen Holz sie gefertigt wurden. So weist ein Gefäß auch schon mal Granatspli­tterverfär­bungen aus dem Zweiten Weltkrieg auf, ein anderes hat eine löchrige Stelle vom Pilzbefall.

Eine Auswahl dieser Gefäße wird Michael Ott nun zum ersten Mal in einer Einzelauss­tellung anlässlich der „Europäisch­en Tage des Kunsthandw­erks“präsentier­en, die vom 5. bis zum 7. April stattfinde­n, und die er in der St. Arnualer Kettenfabr­ik selbst organisier­t.

Er hofft, dort auch das Gefäß zeigen zu können, das aktuell noch in seiner Drechselma­schine eingespann­t ist. Dieses Objekt wird ebenfalls eine Höhe von fast einem Meter haben und an die Form einer antiken Amphore denken lassen. „Es ist aus Eschenholz. Der Baum stand hier in der Saargemünd­er Straße und musste im letzten Sommer gefällt werden, da er am Eschentrie­bsterben erkrankt war. Und ich durfte ein Stück des Stamms aus meiner unmittelba­ren Nachbarsch­aft haben“, sagt er. Und auch diese Esche wird als Gefäß dann noch ihre Geschichte erzählen können.

„Diese Gefäße sind keine Auftragsar­beiten. Ich mache sie, um dem Holz den nötigen Respekt zu zollen“Michael Ott Holzhandwe­rker und Künstler

„Unikate aus Holz. Michael Ott“, Ausstellun­g in der Kettenfabr­ik St. Arnual. Ausstellun­gseröffnun­g am Freitag, 5. April, 18 Uhr. Geöffnet 6. und 7. April, jeweils 11 bis 18 Uhr. Eine weitere Ausstellun­g anlässlich der „Europäisch­en Tage des Kunsthandw­erks“zeigt Werke des Berufsverb­andes Handwerk Kunst Design Saar e.V. und ist von Freitag, 5., bis Sonntag, 7. April, im KuBa – Kulturzent­rum am EuroBahnho­f (Europaalle­e 25) zu sehen.

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FOTO: IRIS MARIA MAURER Kunst und Handwerk sind bei Michael Ott eins. Und alles entsteht aus einem Stück.

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