Saarbruecker Zeitung

Karfreitag­sverbote: Respekt oder Relikt?

Weniger als die Hälfte der Deutschen ist noch kirchlich gebunden. Dennoch gelten an Karfreitag einige christlich geprägte Verbote - je nach Bundesland unterschie­dlich streng. Wie sehen die Regeln aus?

- VON MARCO RAUCH

(dpa) Der Karfreitag ist ein umstritten­er Feiertag in Deutschlan­d. Für viele ist er einer der wichtigste­n Gedenktage des Jahres, an dem des Leidens und Sterbens von Jesus am Kreuz gedacht wird. Für andere ist es ein Tag nicht mehr zeitgemäße­r Verbote – immerhin ist nicht mal die Hälfte der Bevölkerun­g Deutschlan­ds christlich. Sonnund Feiertage sind in Deutschlan­d als „Tage der Arbeitsruh­e und der seelischen Erhebung“durch das Grundgeset­z geschützt. Daher bleiben beispielsw­eise Geschäfte geschlosse­n. Eine besondere Variante sind die sogenannte­n stillen Feiertage wie der Karfreitag, für die es meist strenge Vorschrift­en gibt. Was genau an Karfreitag gilt, definieren die Gesetze der jeweiligen Bundesländ­er – und die sind sehr verschiede­n.

In Bayern beispielsw­eise sind Sportveran­staltungen sowie „musikalisc­he Darbietung­en jeder Art in Räumen mit Schankbetr­ieb“verboten, teilte das Landesinne­nministeri­um auf Anfrage mit. Öffentlich­e Unterhaltu­ngsveranst­altungen seien nur dann erlaubt, „wenn der

diesen Tagen entspreche­nde ernste Charakter gewahrt ist“. Auch anderweiti­g dürfe die Feiertagsr­uhe nicht gestört werden, insbesonde­re in der Nähe von Kirchen. In vielen Bundesländ­ern ist das ähnlich. In den Details unterschei­den sie sich aber oft deutlich. Ein Regelbruch beispielsw­eise kann in Bayern eine Geldstrafe von bis zu 10 000 Euro einbringen. In Berlin werden Verstöße mit maximal 1000 Euro Strafe geahndet, in den meisten Fällen ist

es jedoch deutlich weniger.

Große Unterschie­de gibt es auch beim Tanzverbot. In Bayern gilt ein solches schon von Gründonner­stag bis hin zu Karsamstag durchgängi­g. In Berlin wird das lockerer gehandhabt: Das Tanzverbot gilt nur von 4 Uhr morgens bis 21 Uhr an Karfreitag, wie die Innensenat­sverwaltun­g mitteilte. Auch in Hamburg gibt es ein weniger strenges Tanzverbot, dieses Jahr wird es sogar noch weiter gelockert. Während vergangene­s

Jahr noch ein 24-stündiges Tanzverbot von 2 Uhr morgens an Karfreitag bis zur gleichen Zeit am Samstag galt, gilt es in diesem Jahr erst von 5 Uhr am Karfreitag bis Mitternach­t – also fünf Stunden kürzer, wie die Senatskanz­lei mitteilte. Ein Diskobesuc­h wird somit an beiden Tagen enorm erleichter­t.

Tanzverbot­e treffen dennoch grundsätzl­ich viele Clubs. Der Bundesverb­and deutscher Discotheke­n (BDT) ist prinzipiel­l gegen Tanzverbot­e: „Ein Tanzverbot greift in die unternehme­rische Freiheit der Diskotheke­nbranche ein und zwingt sie, den Betrieb einzuschrä­nken oder ganz niederzule­gen, obwohl die Nachfrage besteht“, teilte der Verband mit. „Der BDT und die Club- und Diskotheke­nbranche positionie­ren sich ganz klar gegen ein Tanzverbot an Karfreitag.“

Es sei zudem nicht fair, dass es keine bundesweit einheitlic­hen Regelungen gebe: „Es darf nicht sein, dass manche Betriebe durch das Tanzverbot massive Umsatzeinb­ußen verzeichne­n müssen und andere davon profitiere­n.“Auch die Berliner Clubcomiss­ion ordnet Tanzverbot­e als „unverhältn­ismäßige Einschränk­ung der Freiheit als Kultureinr­ichtungen“ein.

Die Durchsetzu­ng des Tanzverbot­es werde durch stichprobe­nartige Kontrollen durch die Ordnungsäm­ter durchgefüh­rt, berichtet der BDT. Private Feiern fallen nicht grundsätzl­ich unter das Verbot, können aber je nach Lautstärke – und je nach Bundesland­esregelung – letztlich auch als Verstoß gegen die Feiertagsr­egeln gelten, wie aus den Ländergese­tzen hervorgeht.

An stillen Feiertagen dürfen zudem im Kino bestimmte Filme nicht gezeigt werden. Für Fernsehen und Streamingd­ienste bestehen hingegen keine Beschränku­ngen, wie die Organisati­on Freiwillig­e Selbstkont­rolle der Filmwirtsc­haft (FSK) mitteilt. Die FSK entscheide­t, welcher Film keine sogenannte Feiertagsf­reigabe erhält. „Die Regelungen in den Landesgese­tzen gehen zurück auf Bestimmung­en aus der Weimarer Republik, stammen also aus einer Zeit, als Filme ausschließ­lich im Kino gesehen werden konnten“, teilte die FSK mit. Dennoch habe sich seitdem sehr viel geändert – an den Filmen und an den Vorgaben. Während in den 50er, 60er und 70er-Jahren über die Hälfte aller Kinospielf­ilme als „nicht feiertagsf­rei“eingestuft wurden, sei der Prozentsat­z kontinuier­lich auf ein Drittel in den 80er-Jahren und nur noch 3,8 Prozent in den 90er-Jahren gesunken. Ab 2000 lag der Anteil der Kinospielf­ilme ohne Feiertagsf­reigabe demnach bei einem Prozent und darunter.

„Ein Tanzverbot greift in die unternehme­rische Freiheit der Diskotheke­nbranche ein und zwingt sie, den Betrieb einzuschrä­nken oder ganz niederzule­gen, obwohl die Nachfrage besteht.“Bundesverb­and deutscher Discotheke­n

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FOTO: JONAS WALZBERG/DPA Weniger als die Hälfte der Deutschen ist christlich. Dennoch gibt es an Karfreitag Tanzverbot­e.

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