Was sich Voit von der chinesischen Übernahme verspricht
Millison Technologies aus China übernimmt den St. Ingberter Automobilzulieferer Voit. Am Donnerstag wurden die Mitarbeiter über die Pläne informiert.
Mit dem chinesischen Unternehmen Millison hat der St. Ingberter Autozulieferer Voit Automotive einen Käufer gefunden, „mit dem wir uns sehr gut ergänzen“. Davon sind die Voit-Geschäftsführer Hendrik Otterbach und Christopher Pajak überzeugt. Beide Firmen sind auf Druckguss-Komponenten aus Aluminium spezialisiert, die sie an die Automobilindustrie liefern. „Während wir uns auf kleinere AluAggregate fokussiert haben, stellt Millison große Teile her und verfügt über viel Forschungs- und Entwicklungs-Know-how“, so Otterbach. Außerdem gieße Millison Alu-Komponenten für Mobilfunk-Masten der jüngsten Generation 5G, was möglicherweise auch für Voit interessant werden könnte.
In der vergangenen Woche war die geplante Übernahme durch Millison bekannt worden (wir berichteten), am Donnerstag wurden die Mitarbeiter über das Geschäft informiert. Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) sagte auf der Versammlung, dass er und Wirtschafts-Staatssekretärin Elena Yorgova-Ramanauskas „den umfangreichen ÜbernahmeProzess von Beginn an eng begleitet haben“. Bei einem Besuch am Firmensitz im zentralchinesischen Chongqing sei ihm klar geworden, „dass dies keine Luftnummer ist. Millison hat allein 197 Patente, kommt mit eigener Technologie nach Europa und ist Premiumpartner großer Technologiekonzerne in der Welt“.
Jetzt sind die Voit-Chefs dabei, die letzten juristischen Hürden zu nehmen. Unterstützt werden sie dabei von dem St. Ingberter Rechtsanwalt Matthias Bayer (Kanzlei Abel & Kollegen), der Voit seit 2019 als Restrukturierungsberater zur Seite steht. „Die Transaktion mit Millison ist eingebettet in ein komplexes Sanierungskonzept“, sagt er.
Denn Voit hat schwierige Jahre hinter sich – vor allem wegen Corona, aber auch aufgrund wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen in Deutschland mit hohen Energieund Arbeitskosten. „Wir mussten die Produktion während der Pandemie ständig den Fertigungszyklen unserer Kunden anpassen, allerdings auch ständig Lieferbereitschaft sicherstellen“, erläutert Pajak. „Außerdem machten uns die extrem gestiegenen Energiepreise Probleme, da wir vor allem bei dem Alu-Druckgussverfahren sehr viel Gas und Strom benötigen.“Daher wurden während der CoronaJahre Verluste geschrieben, „doch wir stehen wieder stabil da und verfügen über eine gute Auftragslage“, sagt Otterbach.
Zwei Drittel der Zulieferteile werden bei Voit im Aluminium Druckguss-Verfahren hergestellt, ein Drittel sind Stahlblechteile, die auf vier Großpressen in die gewünschte Form gestanzt werden. Außerdem entwickelt und fertigt Voit seine Guss- und Presswerkzeuge selbst. Der mit Abstand größte Kunde ist der Automatikgetriebe-Hersteller ZF mit einem Auftrags-Anteil von rund 80 Prozent. Weitere größere Kunden im Autozuliefer-Bereich sind Bosch und Brose. Von den Autoherstellern beliefert Voit vor allem VW und Audi sowie seit Kurzem den französischniederländischen Konzern Stellantis (Peugeot, Opel Chrysler, Fiat und andere Marken). Voit beschäftigt rund 1700 Mitarbeiter, davon 1000 in St. Ingbert. Die übrigen Frauen und Männer sind bei Voit Polska in Polen und der Fonderie Lorraine (Großbliederstroff) beschäftigt, ein Gemeinschaftsunternehmen mit Partner ZF. Der Jahresumsatz liegt bei rund 330Millionen Euro.
Voit versorgt ZF in erster Linie mit Komponenten für das Acht-GangAutomatikgetriebe, das im Saarbrücker Werk in großer Stückzahl gebaut wird. Die St. Ingberter liefern aber auch Komponenten für Achsen, die in Elektroautos ihren Dienst verrichten, sowie Teile für Hybrid-Pkw, aber auch Lenkgehäuse, die das autonome Fahren unterstützen. „Wir sind sowohl in der alten als auch in der neuen Autowelt zu Hause“, so Pajak.
Das Unternehmen war Ende 1947 von Willy Voit als Stanz- und Prägewerkstatt gegründet worden und stellte Kleinteile wie Schuh-Eisen, Tankdeckel oder Zubehör für Aktenordner her. 1959 wurde Voit Automobilzulieferer mit Gelenkstützen für Scheibenwischer von Bosch; 1995 begann die Zusammenarbeit mit ZF. Bis 2009 gehörte die Firma, die inzwischen stark gewachsen war, der Gründerfamilie Voit. Dann stieg das St. Ingberter Unternehmen Bieg Invest mit seinem Chef Jerzy Pajak ein. Seit 2011 gehört Voit zu zwei Drittel Bieg Invest und zu einem Drittel der Familie Voit. Im vergangenen Jahr beschlossen die Eigentümer in Abstimmung mit den Banken und dem Hauptkunden ZF, die ganze Gruppe zum Verkauf anzubieten. „Es gab eine Reihe von Interessenten, doch am Ende passte es mit Millison am besten“, sagt Christopher Pajak. Das Unternehmen erwirtschaftet rund 500 Millionen Euro Umsatz und beschäftigt mehr als 5000 Mitarbeiter.