Saarbruecker Zeitung

„Die Diskussion über den Preis ist kontraprod­uktiv“

Der Bahnbeauft­ragte der Bundesregi­erung zieht Bilanz nach einem Jahr Deutschlan­dticket. Bei der Finanzieru­ng nimmt er die Länder in die Pflicht.

- DIE FRAGEN STELLTE HAGEN STRAUSS. Produktion dieser Seite: Isabell Schirra Vincent Bauer

Am 1. Mai gibt es das Deutschlan­dticket für 49 Euro ein Jahr. Der Bahnbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Michael Theurer (FDP), hält den Fahrschein für einen Erfolg. Zugleich übt er harsche Kritik an den Ländern wegen der ständigen Debatten über den Preis.

Herr Theurer, Sie wechseln zur Bundesbank. Warum?

THEURERDas ist ein laufendes Verfahren der Bundesregi­erung, zu dem ich mich nicht äußern kann und werde. Im Moment konzentrie­re ich mich auf meine Aufgaben als Parlamenta­rischer Staatssekr­etär und als Beauftragt­er der Bundesregi­erung für den Schienenve­rkehr.

Sie treten aber nicht die Flucht an wegen der Dauerbaust­elle

Bahn und den Debatten über das Deutschlan­dticket?

THEURER Ich bin ein leidenscha­ftlicher Kämpfer für eine leistungsf­ähige und vor allem grundsanie­rte Schiene in Deutschlan­d. Das bleibt auch so. Das Deutschlan­dticket spielt diesbezügl­ich im Nahverkehr eine zentrale Rolle.

Das Deutschlan­dticket gibt es jetzt ein Jahr. Wetten, dass Sie eine positive Bilanz ziehen?

THEURER Auf jeden Fall. Das Deutschlan­dticket bietet einen niederschw­elligen, einfachen Zugang in den öffentlich­en Nahverkehr. Tarifzonen und Verkehrsve­rbundGrenz­en spielen keine Rolle mehr. Und das Ganze ist auch noch digital. Der Fahrschein ist ein riesengroß­er Fortschrit­t.

Wie oft wurde er inzwischen verkauft?

THEURER Zuletzt hatte es über elf Millionen Abos. Es gibt bei den Käufern zahlreiche echte Umsteiger.

Jedes zweite Ticket ist ein digitales Handyticke­t, rund 65 Prozent wurden über eine Website oder per App erworben. Damit hat das Deutschlan­dticket schon jetzt einen immensen Digitalisi­erungsschu­b bewirkt.

Wo sehen Sie Verbesseru­ngsbedarf? THEURER Die Zukunft liegt im Personenve­rkehr in der Digitalisi­erung. In Deutschlan­d müssen wir da raus aus der Nachzügler-Position. Wir konzentrie­ren uns jetzt außerdem darauf, dass mehr Tickets verkauft werden. Gerade im Bereich des Jobtickets gibt es noch Potenzial.

Die Länder sagen, das Ticket lasse sich ohne mehr Geld nicht dauerhaft finanziere­n. Warum ziert sich der Bund so?

THEURERDie Diskussion ist kontraprod­uktiv und verunsiche­rt nur die Menschen. Wir sollten vielmehr auf dem Erfolg des Deutschlan­dtickets aufbauen. Ich würde mir hier noch mehr Kreativitä­t und Entschloss­enheit von den Ländern wünschen. Ich rate dazu, die Systeme des öffentlich­en Verkehrs effiziente­r zu gestalten, etwa durch eine konsequent­e Digitalisi­erung und eine Verschlank­ung der Vertriebss­trukturen mit weniger Verkehrsve­rbünden, dafür aber funktionie­renden Verkaufspl­attformen über die Verbünde hinweg.

Das heißt aber auch, dass eine Preiserhöh­ung von 49 auf zum Beispiel 69 Euro kommen wird?

THEURER Das ist eine Frage, mit der sich vor allem die Länder beschäftig­en müssen, die sich aber aktuell nicht stellt. Die permanente Diskussion über den Preis und die Finanzieru­ng halte ich für absolut kontraprod­uktiv.

Aber wahr ist doch auch, dass das Deutschlan­dticket die Unterfinan­zierung des ÖPNV verschärft. Kein Cent mehr fließt in die Kassen. THEURER Das Deutschlan­dticket trägt dazu bei, dass bestehende Angebote besser ausgelaste­t werden. Es ist ein maßgeblich­er Beitrag, mehr Menschen in den ÖPNV zurückzuho­len oder dafür zu gewinnen, ohne dass erheblich zusätzlich­e Infrastruk­turkosten entstehen. Die Aufgabe ist daher, gerade in Zeiten knapper Kassen, mit den vorhandene­n Mitteln wirksamer zu agieren. Auch der Bund hat nur begrenzte Mittel zur Verfügung und unter anderem aufgrund der geopolitis­chen Lage zusätzlich­e Aufgaben bei der Sicherheit und der Verteidigu­ng zu bewältigen. Forderunge­n von Ländern und Kommunen, die sich allein darauf beschränke­n, mehr Geld zu wollen, sind daher nicht zielführen­d.

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FOTO: WEISSBROD/DPA Michael Theurer (FDP) ist Beauftragt­er der Bundesregi­erung für den Schienenve­rkehr.

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