Saarbruecker Zeitung

Neuer Anlauf für Waffenruhe im Gazastreif­en

„Globale Herausford­erungen“sollten im Fokus des Wirtschaft­sforums in Riad stehen. Doch die Konferenz hat sich in ein Krisentref­fen zum Gaza-Krieg verwandelt.

- VON JOHANNES SADEK, NEHAL EL-SHERIF UND SARA LEMEL Produktion dieser Seite: Vincent Bauer, Isabell Schirra

(dpa) Mit Spitzendip­lomatie in Riad und parallelen Gesprächen in Kairo haben Vermittler einen neuen Anlauf gestartet, um eine Waffenruhe im Gaza-Krieg auszuhande­ln und eine große Offensive Israels auf die Stadt Rafah abzuwenden. Vor der Hamas lag nach Worten des britischen Außenminis­ters David Cameron am Montag ein Vorschlag über eine 40 Tage lange Feuerpause. Demnach sollten „möglicherw­eise Tausende“Palästinen­ser aus israelisch­en Gefängniss­en freigelass­en werden im Gegenzug für die Freilassun­g von Geiseln aus Gewalt der Hamas, sagte Cameron am Montag in Riad bei einer Konferenz des Weltwirtsc­haftsforum­s ( WEF).

„Ich hoffe, dass die Hamas sich auf diesen Deal einlässt“, sagte Cameron. Aller Druck weltweit und „alle Augen“sollten jetzt auf der Hamas liegen. US-Außenminis­ter

Antony Blinken sagte, Israel habe einen „sehr, sehr großzügige­n“Vorschlag gemacht. Das Einzige, was die Menschen in Gaza jetzt von einer Waffenruhe trenne, sei die Hamas. Diese müsse „entscheide­n und sie müsse schnell entscheide­n“, sagte Blinken. Eine Hamas-Delegation traf am Montag in Kairo ein, um über den jüngsten Vorschlag zu verhandeln.

Israelisch­e Medien hatten zuvor berichtet, dieser Vorschlag sehe eine Freilassun­g von 33 Geiseln aus der Gewalt der Hamas vor. Im Gegenzug beabsichti­ge Israel, mehrere Hundert palästinen­sische Häftlinge aus Gefängniss­en zu entlassen. Unter ihnen seien Frauen, auch Soldatinne­n, ältere Menschen, Verletzte und „psychisch Beeinträch­tigte“. Die Länge der Feuerpause sollte dabei den Berichten zufolge von der Zahl der freigelass­enen Geiseln abhängen. Israel würde sich demnach auch von einer zentralen Straße zurückzieh­en, die den Gazastreif­en in Norden und Süden teilt. Einwohner des nördlichen Abschnitts dürften auch in ihre Wohnorte zurückkehr­en. Eine große Mehrheit der rund 2,2 Millionen Einwohner des Gazastreif­ens ist während des Krieges in den Süden geflohen.

Vom Ausgang der Verhandlun­gen hängt auch ab, inwieweit Israel seine Angriffe in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreif­ens fortsetzt und zu einer großangele­gten Offensive ausweitet. Entgegen wiederholt­er Warnungen von Verbündete­n wegen Hunderttau­sender Binnenflüc­htlinge in der Stadt will Israel dort die verblieben­en Hamas-Bataillone zerschlage­n. Bei neuen israelisch­en Angriffen in Rafah wurden laut der von der Hamas kontrollie­rten Gesundheit­sbehörde mindestens 27 Palästinen­ser getötet. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Im Zusammenha­ng mit den Verhandlun­gen in Kairo und den Kämpfen in Rafah gab es Spekulatio­nen, Israels Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu müsse sich möglicherw­eise zwischen einem Geisel-Deal und dem Fortbestan­d seiner Regierung entscheide­n. Israels Finanzmini­ster Bezalel Smotrich hatte am Sonntag mit einem Ende der Regierung gedroht, sollte der gegenwärti­ge Geisel-Deal umgesetzt und ein Militärein­satz in Rafah gestoppt werden. Netanjahus politische­s Überleben hängt von seinen Koalitions­partnern ab.

In Riad sollten am Montag am Rande der WEF-Konferenz mehrere Außenminis­ter westlicher und arabischer Länder über den Konflikt beraten - Diplomaten­kreisen zufolge im Format 5+5. Neben Blinken sollten unter anderem Bundesauße­nministeri­n Annalena Baerbock teilnehmen sowie deren Amtskolleg­en aus Ägypten, Jordanien und Saudi-Arabien. Die WEF-Konferenz drehte sich eigentlich um Themen zu Umwelt, Gesundheit und Finanzen, wurde aber stark beherrscht vom Gaza-Krieg und dessen Auswirkung­en auf die Region.

Auch an Israels nördlicher Grenze zum Libanon hielten die Kämpfe am Montag an. Die Kassam-Brigaden, der militärisc­he Arm der Hamas, reklamiert­e einen Angriff mit zahlreiche­n Raketen auf ein Militärlag­er nahe der Grenzstadt Kiriat Schmona für sich. Es gab keine Berichte zu Verletzten oder Sachschäde­n. Israelisch­e Medien berichtete­n, die meisten der rund 20 Geschosse seien von der Raketenabw­ehr abgefangen worden. Der Rest sei auf unbewohnte­m Gebiet eingeschla­gen. In der Nacht hatte Israel nach eigenen Angaben Ziele der Schiitenmi­liz Hisbollah im Süden des Libanon beschossen.

 ?? FOTO: EVELYN HOCKSTEIN/POOL REUTERS/AP/DPA ?? US-Außenminis­ter Antony Blinken (Mitte) bei einem Ministertr­effen mit saudischen Kollegen in Riad am Montag.
FOTO: EVELYN HOCKSTEIN/POOL REUTERS/AP/DPA US-Außenminis­ter Antony Blinken (Mitte) bei einem Ministertr­effen mit saudischen Kollegen in Riad am Montag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany