Die Zeit des Wegschauens muss jetzt vorbei sein
WWeSntanditn m eeinherradlsetuatusscehnedn Männer auf die Straße gehen und mit Wut und Hass in der Stimme ein Kalifat fordern, also einen islamischen Gottesstaat, dann sollten Politiker aller Couleur vor allem eines bitte nicht mehr tun: wegschauen.
Denn was da am Samstag in Hamburg passiert ist, hat eine neue, äußerst beunruhigende Qualität: Ein erst vor wenigen Jahren zum Islam konvertierter Mann, der in Deutschland aufgewachsen ist, hetzt in einer Art und Weise gegen Politiker und Journalisten, wie man es ansonsten eher von rechtsextremen Aufmärschen kennt. Der Slogan der Demonstration, zu der die vor allem im Internet agierende Gruppe „Muslim Interaktiv“aufgerufen hatte, war: „So gehorche nicht den Lügnern“.
Politiker sollten jetzt nicht den Fehler machen und eine neue Debatte über Muslime im Allgemeinen beginnen. Denn islamische Kultur und Regeln spielten auf dieser Demo und in den vielen Videos von „Muslim Interaktiv“keine wirkliche Rolle, trotz der häufigen religiösen Rufe und der plakativen Forderung, die Demokratie hierzulande durch ein Kalifat zu ersetzen. Religion wird hier vor allem als Ersatzidentität missbraucht, als Seelentröster für Kränkungen, Zurückweisungen und dem Gefühl, Bürger zweiter Klasse zu sein.
Schaut man sich den Auftritt dieser relativ neuen Islamisten im Internet an, wird schnell klar, dass man es mit einer anderen Kategorie radikaler Muslime als bisher zu tun hat: Sie sind jung, meist männlich, in Deutschland geboren und sozialisiert. Ob man will oder nicht: Diese neuen Islamisten sind Teil der Gesellschaft in Deutschland und fordern nun laut und aggressiv ein, auch Teil des öffentlichen Diskurses zu sein. Damit stellen sie eine besondere Gefahr dar, auf die viele noch nicht vorbereitet sind: weder in der Schule, noch im Alltag oder in den Sicherheitsbehörden.
Erreichen wollen die Islamisten vor allem Jugendliche mit Wurzeln in muslimischen Ländern. Der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster, Mouhanad Khorchide, hat beobachtet, dass in der Heimat der Großeltern, etwa in der Türkei oder Marokko, diese Jugendlichen als Deutsche betrachtet werden. In Deutschland wiederum fühlen sie sich ebenfalls nicht zugehörig. „Nationale Identitäten versagen, wenn es darum geht, diesen jungen Menschen Halt zu geben. Deshalb kommt zunehmend Religion ins Spiel“, so Khorchides Resümee.
Jetzt rächt sich auch, dass die Politik den Islam letztlich jahrzehntelang als etwas Fremdes betrachtet hat, zu wenig zwischen den sehr unterschiedlichen Menschen muslimischen Glaubens differenziert hat: Entweder wurden alle verteufelt oder selbst radikale Islamisten wurden verharmlost. Nötig ist eine ehrliche Debatte, in der vor allem moderate Muslime das Wort ergreifen und auch gehört werden. Wer differenziert diskutiert, darf nicht als Rassist beschimpft werden. Den Rassismusvorwurf gegen Kritiker hat übrigens auch „Muslim interaktiv“schon für sich entdeckt – und weiß ihn geschickt für sich zu nutzen.