Saarbruecker Zeitung

Schottland­s Regierung zerbricht an Klimapolit­ik

Der schottisch­e Regierungs­chef Humza Yousaf hat am Montag seinen Rücktritt angekündig­t – nach dem Bruch seiner Regierung mit den Grünen.

- VON SUSANNE EBNER

Er habe den verursacht­en Schmerz „eindeutig unterschät­zt“, räumte Humza Yousaf bei einer Pressekonf­erenz in seinem Regierungs­sitz in Edinburgh ein. Es war ein emotionale­r Abschied für den Regierungs­chef der Schottisch­en Nationalpa­rtei (SNP) nach politisch chaotische­n Tagen. War der 39-Jährige am vergangene­n Freitag noch davon überzeugt, weiterregi­eren zu können, kündigte er am Montagmitt­ag nach nur etwas mehr als einem Jahr im Amt seinen Rücktritt an.

Die Situation eskalierte, nachdem der Regierungs­chef am vergangene­n Donnerstag die Koalition mit den Grünen aufgekündi­gt und damit die Partei gegen sich aufgebrach­t hatte. Auslöser war unter anderem ein Streit über die Klimapolit­ik. Humza Yousaf hatte angekündig­t, dass das Ziel, den Ausstoß klimaschäd­licher Treibhausg­ase bis 2030 um 75 Prozent zu senken, nicht erreicht werden könne. Teile der Grünen reagierten überdies verärgert auf die Entscheidu­ng, die Verschreib­ung von Pubertätsb­lockern für unter 18-Jährige in Schottland auszusetze­n.

Die grüne Partei wollte daraufhin über die künftige Zusammenar­beit mit der SNP abstimmen. Doch Yousaf kam ihnen zuvor und kündigte an, mit einer Minderheit­sregierung weiterregi­eren zu wollen. Was als Befreiungs­schlag gedacht war, ging jedoch nach hinten los. Die Opposition drohte mit einem Misstrauen­svotum gegen den „First Minister“und seine Regierung. Die Grünen forderten Yousaf zum Rücktritt auf, die Labour-Partei verlangte Neuwahlen. Der Politiker gab sich zunächst kämpferisc­h, beugte sich am Montag aber dem starken Druck. Yousaf will so lange im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist, sagte er am Montag. Führende SNP-Abgeordnet­e sollen versuchen, John Swinney, den früheren Stellvertr­eter von Nicola Sturgeon, für das Amt zu gewinnen.

Es ist das nächste Kapitel eines bemerkensw­erten Absturzes der SNP. Schließlic­h hatte die Partei die schottisch­e Politik lange Zeit fast nach Belieben dominiert. Yousafs Vorgängeri­n Nicola Sturgeon galt jahrelang als talentiert­este Politikeri­n Großbritan­niens. Und der Unmut der Schotten über den Brexit gab den Unabhängig­keitsbestr­ebungen neuen Auftrieb, nachdem sich die Bevölkerun­g 2014 in einem Referendum mit 55,3 Prozent knapp gegen eine Abspaltung ausgesproc­hen hatte.

Doch Ende 2022 geriet Sturgeon in eine Sackgasse, als der Oberste

Gerichtsho­f Großbritan­niens der Regionalre­gierung die Kompetenz absprach, ohne Zustimmung aus London ein zweites Referendum abzuhalten. Der Ehemann der ExParteich­efin, Peter Murrell, der als SNP-Generalsek­retär für die Parteifina­nzen zuständig war, wurde im Kontext der Veruntreuu­ng von SNPGeldern angeklagt. Im Februar 2023 kündigte Sturgeon schließlic­h ihren Rücktritt an und stürzte die Partei in eine tiefe Krise.

Die Krise der Partei spiegelt sich in den Umfragen: Laut dem Meinungsfo­rschungsin­stitut Yougov liegt die britische Opposition­spartei Labour in Schottland mit 33 Prozent erstmals seit dem Unabhängig­keitsrefer­endum vor der Scottish National Party, für die nur noch 31 Prozent stimmen würden. Dabei ist der Wunsch nach schottisch­er Unabhängig­keit trotz der Krise der SNP ungebroche­n, 47 Prozent sprechen sich dafür aus, die Wähler wenden sich jedoch zunehmend anderen Parteien zu.

Weil die SNP damit nicht mehr an der Spitze der Unabhängig­keitsbeweg­ung steht, rückt der Traum von der Loslösung Schottland­s von Großbritan­nien Beobachter­n zufolge in weitere Ferne. Das Konzept, die Organisati­on und das Management der Bewegung müssten von Grund auf erneuert werden, betonte der politische Kommentato­r Jonathon Shafi, „und das wird viel Zeit in Anspruch nehmen, wahrschein­lich Jahrzehnte“.

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FOTO: JEFF J MITCHELL/ PA/AP/DPA Nach nur einem Jahr im Amt ist für Humza Yousaf Schluss als schottisch­er Regierungs­chef.

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