Saarbruecker Zeitung

„Reichsbürg­er“stehen in Stuttgart vor Gericht

In Stuttgart hat der erste von drei Prozessen gegen die mutmaßlich­e Reichsbürg­er-Gruppe um Prinz Reuß begonnen. Angeklagt sind jene, die Waffen für einen Umsturz beschafft haben sollen.

- VON NICO POINTNER UND DAVID NAU

(dpa) Die Männer hinter dem dicken Panzerglas wirken alles andere als eingeschüc­htert. Sie schmunzeln auf der Anklageban­k, tuscheln miteinande­r, winken ins Publikum, nur wenige von ihnen verstecken ihr Gesicht vor den Fotografen. Bei der Verlesung der Anklage schütteln sie immer wieder den Kopf – als ob sie die Vorwürfe nicht ernst nehmen könnten. Es geht um Terrorismu­s und Hochverrat, um die „Reichsbürg­er“-Szene, um Verschwöru­ngsmythen und versuchten Mord.

Am Montag hat mit dem Terrorproz­ess gegen die mutmaßlich­e Verschwöre­rgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß vor dem Stuttgarte­r Oberlandes­gericht ein historisch­es Verfahren begonnen. Die Verdächtig­en sollen einen gewaltsame­n Umsturz der Bundesregi­erung geplant haben. In Stuttgart geht es vor allem um den militärisc­hen Arm der Gruppe, der die Machtübern­ahme mit Waffengewa­lt hätte durchsetze­n sollen.

Insgesamt neun Männer, allerdings nicht Reuß selbst, müssen sich im streng gesicherte­n Saal in Stammheim verantwort­en. Ihnen wird die Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g vorgeworfe­n und die sogenannte „Vorbereitu­ng eines hochverrät­erischen Unternehme­ns“. Einer der Angeklagte­n steht zudem wegen versuchten Mordes vor Gericht – es handelt sich um den Mann, der im März 2023 bei der Durchsuchu­ng seiner Wohnung in Reutlingen mehrfach mit einem Gewehr auf Polizisten eines Spezialein­satzkomman­dos geschossen und dabei Beamte verletzt haben soll.

Zwei der Männer sagten am Montag, dass sie sich zu den Vorwürfen der Bundesanwa­ltschaft äußern wollen. Wann sie aussagen werden, ist noch unklar. Ein weiterer Angeklagte­r kündigte an, Angaben zur Person, aber nicht zur Sache machen zu wollen. Die restlichen sechs Angeklagte­n wollen zunächst überhaupt keine Angaben machen.

Die Gruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß war nach einer großangele­gten Anti-Terror-Razzia in mehreren Bundesländ­ern und im Ausland kurz nach dem Nikolausta­g 2022 bekannt geworden. Als Oberhaupt einer neuen Staatsform hätte Reuß fungieren sollen. Die Angeklagte­n werden alle der „Reichsbürg­er“-Szene zugeordnet, in der die Ansicht vorherrsch­t, das 1871 mit einem Kaiser an der Spitze gegründete historisch­e Deutsche Reich bestehe heute noch fort. Der Fall um Prinz Reuß ist dabei in drei Verfahren aufgesplit­tet, aus praktische­n Gründen und aufgrund der schieren Anzahl der Verdächtig­en. In Frankfurt sind ab dem 21. Mai die mutmaßlich­en Rädelsführ­er, darunter Reuß, angeklagt. In München stehen ab dem 18. Juni die übrigen mutmaßlich­en Mitglieder vor Gericht.

Diese Aufsplittu­ng auf drei Oberlandes­gerichte beanstande­ten am Montag beim Prozessauf­takt gleich mehrere Verteidige­r. Sie beantragte­n eine Einstellun­g oder Aussetzung des Stuttgarte­r Verfahrens und eine Zusammenle­gung der drei Prozesse. Nach Worten eines Anwalts sei eine effektive Strafverte­idigung nicht möglich, weil die Erkenntnis­se in einem Prozess nur schwer in die anderen einfließen könnten. Die Bundesanwa­ltschaft sei in allen drei Verfahren stets präsent, den Verteidige­rn sei dies nicht möglich – das verstoße gegen den „Grundsatz der Waffenglei­chheit“. Der Vorsitzend­e Richter Joachim Holzhausen wies den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens zurück. Die Forderung nach einer Zusammenle­gung der drei Prozesse werde zurückgest­ellt.

Der Fall um Prinz Reuß ist in drei Verfahren aufgesplit­tet – auch aufgrund der schieren Anzahl der Verdächtig­en.

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