Saarbruecker Zeitung

Abwärtstre­nd bei der Inflation ist ausgebrems­t

In den nächsten Monaten könnte es mit der Inflations­rate in Deutschlan­d wieder nach oben gehen. Volkswirte sehen aber auch positive Entwicklun­gen.

- VON JÖRN BENDER Produktion dieser Seite: Isabell Schirra Vincent Bauer

(dpa) Der Rückgang der Teuerungsr­ate in Deutschlan­d ist im April ins Stocken geraten. Die Verbrauche­rpreise lagen wie schon im März um 2,2 Prozent über dem Niveau des Vorjahresm­onats, wie das Statistisc­he Bundesamt am Montag auf vorläufige­r Basis mitteilte. Das ist zwar immer noch der niedrigste Wert seit April 2021 mit damals 2,0 Prozent. Doch Volkswirte erwarten wieder steigende Raten in den nächsten Monaten.

Unter anderem die Preisplanu­ngen vieler Unternehme­n und tendenziel­l steigende Löhne ließen diesen Trend erwarten. „Es sieht so aus, als würde sich die Hartnäckig­keit fortsetzen, und die Gesamtinfl­ation in Deutschlan­d könnte im nächsten Monat wieder auf 3 Prozent ansteigen“, prognostiz­ierte ING-Chefvolksw­irt Carsten Brzeski. Höhere Teuerungsr­aten schwächen die Kaufkraft von Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn.

Auch die Energiepre­ise könnten anziehen. Denn seit dem 1. April gilt für Erdgas und Fernwärme wieder der reguläre Mehrwertst­euersatz von 19 Prozent. Um die hohen Energiepre­i

se als Folge des russischen Angriffskr­iegs auf die Ukraine abzufedern, hatte die Politik die Mehrwertst­euer auf diese beiden Güter vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 auf 7 Prozent gesenkt. Im April verbilligt­e sich Haushaltse­nergie mit durchschni­ttlich 1,2 Prozent schon nicht mehr so stark wie im März mit minus 2,7 Prozent.

In einigen Bundesländ­ern stiegen zum Beispiel die Preise für Fernwärme im April im Jahresverg­leich deutlich, wie aus den Statistike­n mehrerer Landesämte­r hervorgeht. Zudem mussten die Menschen beim Besuch der Gaststätte oder der Übernachtu­ng im Hotel in vielen Bundesländ­ern im April des laufenden Jahres tiefer in die Tasche greifen.

Für Nahrungsmi­ttel zahlten Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r nach Angaben des Bundesamte­s in diesem April 0,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, im März waren die Lebensmitt­elpreise noch um 0,7 Prozent gesunken. Insgesamt erhöhten sich die Verbrauche­rpreise in Deutschlan­d von März auf April 2024 um 0,5 Prozent.

Rechnet man die schwankung­sanfällige­n Preise für Energie und Nahrungsmi­ttel heraus, ergibt sich für April den Berechnung­en der Wiesbadene­r Statistike­r zufolge eine Kerninflat­ion von 3,0 Prozent nach 3,3 Prozent im März 2024 sowie 3,4 Prozent im Januar und Februar.

„Aus Verbrauche­rsicht bleibt die Inflation im grünen Bereich“, folger

te der Chefvolksw­irt der Dekabank, Ulrich Kater. Die extrem hohen Inflations­raten aus den vergangene­n zwei Jahren seien Geschichte. „Solange es nicht wieder zu neuen geopolitis­chen Spannungen kommt, welche die internatio­nalen Lieferkett­en bedrohen, bleibt das Inflations­umfeld entspannt.“

Die weitere Beruhigung bei der Kernrate in Europas größter Volkswirts­chaft Deutschlan­d mache für die Europäisch­e Zentralban­k (EZB)

den Weg für eine Zinssenkun­g im Juni frei, meint Kater. Die Euro-Währungshü­ter streben für den Euroraum mittelfris­tig Preisstabi­lität bei einer Teuerungsr­ate von zwei Prozent an. Angesichts der schwächeln­den Konjunktur hatten sich in den vergangene­n Monaten Forderunge­n gemehrt, die Zinsen nach der beispiello­sen Serie von Erhöhungen im Kampf gegen die zeitweise extrem hohe Inflation wieder zu senken. Für Deutschlan­d erwarten führende Wirtschaft­sforschung­sinstitute im Jahresschn­itt 2024 eine deutliche Abschwächu­ng der Inflation auf 2,3 Prozent nach 5,9 Prozent im vergangene­n Jahr.

Allerdings könnte der Weg dorthin mühsamer werden als ursprüngli­ch erhofft: Die aktuellen Preispläne von Unternehme­n hierzuland­e deuten nach Einschätzu­ng des Münchner Ifo-Instituts auf eine Pause beim Rückgang der Inflation hin. Teurer werden dürfte es für die Kundschaft vor allem in der Gastronomi­e, beim Kauf von Spielwaren und Drogeriear­tikeln.

Niedrigere Inflations­raten können die Konsumlust ankurbeln. Das Institut für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) der gewerkscha­ftlichen Hans-Böckler-Stiftung machte auf Basis einer Umfrage mit 9600 Teilnehmer­n Indizien für eine „bevorstehe­nde Konsumwend­e“aus – vor allem, „wenn im Jahresverl­auf die Inflations­rate weiter sinkt und mit steigenden Nominallöh­nen auch die Reallöhne nach mehreren Jahren des Rückgangs wieder steigen“.

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FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA Für Nahrungsmi­ttel zahlten Verbrauche­r nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s im April 0,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

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