Tötung mit Säure oder doch Selbstmord?
Eine 39-Jährige aus Schmelz soll ihrer Mitbewohnerin Essigessenz eingeflößt haben. Ihr Anwalt äußert Zweifel.
Fortsetzung im Totschlag-Prozess vor dem Saarbrücker Landgericht gegen die 39-Jährige, die in Schmelz ihre Mitbewohnerin im Mai 2023 mit Essigessenz getötet haben soll. Dabei habe sie – so der Vorwurf – ihr 52-jähriges Opfer an einen Stuhl gefesselt, habe es mit Klebeband geknebelt und ihr die Essigessenz eingeflößt. Gefunden hat die Polizei die Frau allerdings in ihrem Bett, ohne Fesseln, die hat sie erst später unter einer Treppe gefunden. Die 39-Jährige hingegen finden sie in einem „psychischen Ausnahmezustand“vor der Wohnung. Schreiend (wir berichteten). Rechtsmediziner finden später Verätzungen im Mund des mutmaßlichen Opfers, im Rachen, in der Speiseröhre, die Frau soll infolgedessen an einem Herzversagen gestorben sein. 50 Milliliter Essigessenz würden dafür reichen.
Die Frauen lebten erst etwas mehr als einen Monat zusammen, beide
waren von der Obdachlosigkeit bedroht. Beide Frauen hatten offenbar mit psychischen Problemen zu kämpfen. Auch das Opfer: Nicht nur am Tattag soll es wirre Selbstgespräche geführt haben oder psychotische Gespräche mit Menschen, die nicht da sind. Was für die Angeklagte an dem Tag kaum auszuhalten war, wie die Anklageschrift wohl vermutet. Außerdem habe das Opfer an diesem Tag „vom Essen der Angeschuldigten gegessen“, wie Oberstaatsanwalt Thomas Schardt ein weiteres mögliches Streit-Motiv anführte.
Mit der mutmaßlichen Täterin hat sich nun eine Gutachterin beschäftigt. Sie habe die 39-Jährige sieben Stunden untersucht und habe sich ihre Patientenakten angeschaut. Die Angeklagte war bereits mehrfach in Therapie, auch im St. Nikolaus-Hospital in Wallerfangen, einer Fachklinik für Psychiatrie. Diese Berichte hat die Gutachterin auch ausgewertet. Ergebnis: Amphetamin, Cannabis und Alkohol waren ein regelmäßiger Begleiter in den vergangenen Jahren, berichtet sie. Und von Essstörungen. Von Mobbing. Von einem sehr problematischen Verhältnis zu den Eltern, sie habe keinen Kontakt mehr zur Familie, habe keine abgeschlossene Ausbildung. Sie sei geschieden. Sowieso: „Bei Männern sei sie oft in Abhängigkeit geraten“, erlebte Gewalt in der Beziehung. Auch reagierte sie öfter aggressiv. Gegenüber Mitarbeiterinnen des Jugendamtes besonders, wie es heißt. Ihre drei Kinder hat ihr das Jugendamt auch wegen dieser Aggressionen entzogen.
Fazit: Die mutmaßliche Täterin leide an einer krankhaften seelischen Störung, sie habe depressive Stimmungsschwankungen, teils psychotische Symptome, ihre Impulskontrolle sei gestört. Eine Dauerstörung, die bei fehlender Behandlung immer wieder ausbrechen könnte, sagt die Gutachterin. Daher sei die 39-Jährige im Maßregelvollzug gut aufgehoben. In der Forensik in Merzig. Aufgrund der Erkrankung sei ihre Steuerungsfähigkeit bei der Tat erheblich vermindert gewesen.
Die Angeklagte selbst äußerte sich nicht, dafür ihr Anwalt Walter Teusch. Die Angeklagte könne sich an nichts erinnern, habe zu diesem Tag einen Filmriss. Für Teusch käme auch ein Selbstmord in Frage, sprich, das Opfer habe sich die Essigflasche selbst angesetzt. Zumal es zuvor Selbstmordgedanken geäußert habe. Daher hat er beantragt, noch Fingerabdrücke von den in Frage kommenden Flaschen zu nehmen. Und mit Betreuern und Ärzten des Opfers zu sprechen. Der Prozess wird fortgesetzt.