Sitzungsprotokolle in Causa Breitz gefordert
Ein offener Brief fordert die Kulturministerin Christine Streichert- Clivot (SPD) auf, das Protokoll der Sitzung zu veröffentlichen, bei der die Absage der Ausstellung von Candice Breitz beschlossen wurde. Die Antwort des Ministeriums fällt knapp aus.
Es ist weiterhin für die Öffentlichkeit unklar: Wie kam es genau zu der Absage der Ausstellung von Candice Breitz im Oktober 2023? Ein offener Brief fordert nun die Veröffentlichung des Protokolls jener Sitzung, in der das Kuratorium der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz (SSK) die Ausstellungsabsage beschlossen hat. Die Begründung aus Sicht der Stiftung: Breitz habe sich nicht ausreichend von dem Terror der Hamas distanziert – ein Vorwurf, den die jüdische Künstlerin bestreitet (wir berichteten mehrfach).
Nach außen hatten Andrea Jahn, die Vorständin der Stiftung, und Kulturministerin Christine Streichert-Clivot (SPD), zugleich Leiterin des Kuratoriums der SSK, die die Vorständin der Stiftung berät und beaufsichtigt, lange Einigkeit bezüglich der Absage demonstriert. Im März aber hatte der Saarländische Rundfunk einen Chatverlauf zwischen Breitz und
Jahn öffentlich gemacht, in dem Jahn an Breitz schreibt, sie selbst stehe nicht hinter der Absage, sei aber unter dem Druck der Kulturministerin. Drei Tage nach der Chat-Veröffentlichung teilte das Kulturministerium mit, Jahn und die Stiftung würden sich „einvernehmlich“trennen. Jahn geht vorzeitig Ende April, ihr Vertrag wäre bis Mitte 2025 gelaufen.
Ein offener Brief fordert nun die Kulturministerin auf, „das einschlägige Protokoll“der Sitzung „zur Einsicht“freizugeben. Nur dies könne „das Vertrauen in die Kulturpolitik des Saarlandes und die Integrität seiner kulturellen Entscheidungsprozesse“stärken.
Die Petitions-Urheber unter dem Namen „Kunstfreiheit Debattenkultur“kritisieren in diesem ihrem zweiten offenen Brief unter anderem, „in der Kunst- und Kulturszene“kursierten „bereits Gerüchte, es wird hinter vorgehaltener Hand geredet“, ohne dass eine öffentliche Diskussion stattfinde. „Wir – Autor, Filmemacherin, Künstlerinnen, Künstler und Schriftsteller – wenden uns mit diesem offenen Brief an Sie, um unsere Irritation über die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der Ausstellungsabsage auszudrücken.“Medienberichte über die Umstände der Absage hätten „Bedenken“aufkommen lassen „bezüglich Kunstfreiheit und demokratischen Grundwerten“.
Breitz beschuldige Streichert-Clivot nicht nur, schreiben die Initiatoren, die Direktorin des Saarlandmuseums Andrea Jahn unter Druck gesetzt und ihr Interviews verboten zu haben (ein Vorwurf, dem das Ministerium vor Wochen auf SZ-Nachfrage widersprochen hat); „sondern auch, sie vom Entscheidungsprozess hinsichtlich der Absage ihrer Ausstellung offenbar ausgeschlossen zu haben“. Diese Vorwürfe seien, falls sie zuträfen, „geeignet, das Vertrauen in Ihre Führung als Ministerin für Bildung und Kultur zu untergraben.
Sie selbst unterstreichen die Notwendigkeit von Transparenz und Aufklärung im demokratischen Prozess.“Um Transparenz herzustellen, solle Streichert-Clivot nun das Protokoll offenlegen. „Wir appellieren an Ihre Verantwortung als Kultusministerin, den kulturellen und demokratischen Werten, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, auf diese Weise gerecht zu werden.“Die „Förderung von Kunst und Kultur, die Wahrung von Meinungsfreiheit und die transparente Auseinandersetzung mit kritischen Stimmen“seien „essentiell für eine lebendige und offene Gesellschaft“. Man verbleibe in der „Hoffnung auf eine konstruktive Aus
einandersetzung und in Erwartung Ihrer Antwort“.
Die Initiatoren und Erstunterzeichner des Briefs sind Klaus Behringer, Autor und Vorsitzender des Landesverbands Saar des deutschen Schriftstellerverbands; Sung-Hyung Cho, Filmemacherin und Professorin an der Hochschule der Bildenden Künste Saar (HBK); Schriftsteller Andreas Dury; Meinrad Maria Grewenig, der ehemalige Generaldirektor des Weltkulturerbes Völklinger Hütte; Daniel Hausig, Künstler und Professor an der HBK; Künstlerin Sigrún Ólafsdóttir; Ulrike Rosenbach, Künstlerin und Professorin an der HBK; Autor und Herausgeber Ralph Schock; Georg
Winter, Künstler und Professor an der HBK.
Wie reagiert das Kulturministerium auf den Brief und auf die Nachfrage der SZ? Äußerst knapp, mit zwei Sätzen. „Der Brief hat uns heute Nacht (gemeint ist die Nacht von Sonntag auf Montag, Anmerkung der Redaktion) um 0.09 Uhr erreicht“, teilt ein Ministeriumssprecher mit, „und wird selbstverständlich beantwortet. Der Brief wirft keine neuen Fragen auf, zu denen wir als Kulturministerium, die Stiftung oder die Ministerin persönlich nicht bereits ausführlich Stellung genommen haben, sei es im Landtag oder in den vielen Presseanfragen und Interviews in den letzten
Monaten.“Zu der Frage, ob das Protokoll herausgegeben wird, hatte die Ministerin in einem SZ-Interview im Februar mitgeteilt: „Das Kuratorium tagt nicht öffentlich. Und das ist auch wichtig und richtig.“
Keine Reaktion kam am Montag auf die Frage ans Kulturministerium, ob Streichert-Clivot zu der Diskussion mit Candice Breitz am 15. Mai (wir haben berichtet) ins Saarbrücker Filmhaus komme.
Zu der Veranstaltung „Anatomie eines Vorfalls“ist Breitz eingeladen von der Rosa Luxemburg Stiftung Saarland und dem saarländischen Landesverband der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten ( VVN).
Ende Januar hatten saarländische Kultur-Akteurinnen und -Akteure unter dem Namen „Kunstfreiheit Debattenkultur“einen ersten offenen Brief verfasst, signiert von 55 Erstunterzeichnern, darunter einige Initiatoren der aktuellen Petition. Der Brief, den bis jetzt 435 Menschen unterzeichneten, appellierte an Stiftung und Ministerin, den öffentlichen Dialog mit der Künstlerin Breitz zu suchen. Zudem beklagte der Brief „ein Klima der Angst“und eine Einschränkung „in unserer Meinungsund Kunstfreiheit“.
Im Februar traf sich daraufhin die Ministerin mit drei Vertretern der Initiative: den Künstlerinnen Leslie Huppert und Petra Jung sowie dem Künstler Armin Rohr. Im Gespräch zeigte sich Streichert-Clivot laut Huppert generell offen für einen Dialog, befürchte bei einer öffentlichen Veranstaltung mit Candice Breitz aber eine Eskalation. In einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung wenige Tage zuvor hatte die Ministerin noch einmal betont, dass das Saarlandmuseum nicht der richtige Ort sei „für eine solche Diskussion“sei; generell sehe sie „keine Veranlassung“, Breitz „im Saarland eine Bühne für ihre Äußerungen zu geben“.