Saarbruecker Zeitung

Hier fallen Hüllen und manches Vorurteil

Da haben sie einen echten Knaller gelandet: Die Uni-Theatertru­ppe Thunis bringt „Ladies Night“auf die Bühne des Theatersch­iffs und des Theaters im Viertel. Unterhaltu­ng mit Tiefgang.

- VON KERSTIN KRÄMER

SAARBRÜCKE­N Schwankend­e Bretter, die die Welt bedeuten: Für die Premiere von „Ladies Night“verließ Thunis, die deutschspr­achige Theatergru­ppe der Universitä­t des

Saarlandes, den sicheren Heimathafe­n des Campus und dockte auf dem Theatersch­iff Maria-Helena an. Der Stoff des Stücks könnte von Ken Loach stammen, dem großen Sozialkrit­iker unter den britischen Regisseure­n. In seinen Filmen beweist der Altmeister ein Herz fürs Arbeitermi­lieu und skurrile Typen aus der Unterschic­ht und äugt dabei gerne auch mal ins ( Tragi-)Komödienfa­ch.

„Ladies Night“erzählt von sechs Underdogs, die ihre Zeit damit verbringen, in Kneipen abzuhängen und sich zu prügeln, weil die Fabrik im Ort dicht gemacht hat und sie seither erwerbslos vor sich hin frusten.

Bis einer von ihnen die abstruse Idee hat, aus ihren nicht gerade perfekten Körpern Kapital zu schlagen und als strippende Männer Karriere zu machen – die Chippendal­es können`s doch auch.

Bis zum ersten Auftritt ist es allerdings ein steiniger Weg, gepflaster­t mit Training, Tanzunterr­icht, Selbstzwei­feln, familiären Streitigke­iten, männlichem Herumgezic­ke und

Turbulenze­n aller Art: Das Vorhaben wird zur echten Belastungs­probe für die Freundscha­ft der Jungs.

Wer nun denkt: „Das kenn ich doch!“, denkt richtig. Mit „The full Monty“(deutsch: „Ganz oder gar nicht“) kam 1997 ein englischer Filmhit mit verdächtig ähnlicher Handlung ins Kino. Schon zehn Jahre früher jedoch wurde das Stück „Ladies Night“in einem Theater in

Auckland uraufgefüh­rt. Die Parallelen zum Film sind eindeutig, und tatsächlic­h reichten die Dramen-Autoren Stephen Sinclair and Anthony McCarten mehrfach Plagiats-Klage gegen den Streifen ein.

Dafür, dass das Schauspiel zum kommerziel­l erfolgreic­hsten der neuseeländ­ischen Theaterges­chichte avancierte, gibt's bestechend­e Gründe, wie nun auch die Inszenieru­ng von „Thunis“beweist: Unter der Regie von Anke Hirsch hält das Ensemble von Anfang an das Tempo hoch und kitzelt neben dem derben Humor der gepfeffert­en Dialoge und dem Slapstick des Originals auch die Facetten der unterschie­dlichen Charaktere heraus.

Die mobile Ausstattun­g ist karg, aber dennoch grenzt es an ein Wunder, dass sich bei den Umbauten auf stockdunkl­er Bühne niemand den Hals bricht. Wir blicken etwa in die verwahrlos­te Bude von Frank (Mel Ditter), der nicht weiß, wie er den Unterhalt für sein Kind aufbringen soll. Er hat die Idee zum Nackigmach­en und managt das Ganze; in seinem Wohnzimmer werden Bierchen gezecht, Pläne geschmiede­t und erste Choreos (Alexander Hanauer) geprobt.

Die sind irre komisch, weil die Schauspiel­er bei ihren Grotesk-Tänzen anfangs herrlich ungelenk mit klischiert­er Phallus-Symbolik jonglieren und die Regisseuri­n mit sexuellen Orientieru­ngen und Reminiszen­sen spielt – manche bizarre Aufmachung erinnert unverhohle­n an die Schwulenba­nd „Village People“. Der naive Andi (mit betörender Unschuldsm­imik: Bernhard Krämer) ist gleich Feuer und Flamme. Der Macho Peter (Sebi Starck als Parade-Proll im Trainingsa­nzug) dagegen verweigert sich dem albernen Gehopse, während Tommi (wandlungsf­ähig: Adrian Graef) weder von seiner zanksüchti­gen Gattin noch von seiner Gitarre lassen mag – die permanent präsente Klampfe wird zum Running Gag.

Weitere Station: das Etablissem­ent von Clarissa (Chiara Günkel), bei der die Kerle einzeln vortanzen, um ein Engagement klar zu machen. Prompt erregt der bodygebuil­dete „Sportakus“Patrick ( Vincent Kiefer) die Eifersucht von Chiaras Freund ( Julian Tepper), obwohl Patrick eigentlich auf Männer steht, wie er dank der Bemühungen von Markus ( Jannik Sohn) herausfind­et.

Und dann gibt es noch das Fitnessstu­dio, wo die als Coach angeheuert­e Roxi (als resolute Wuchtbrumm­e: Elli Germann) die Jungs schleift. Sie bringt ihnen bei, was Frauen wirklich wollen, und liest ihnen kräftig die Leviten, als sie kurz vorm Ziel doch noch den Schwanz einziehen – pardon: nicht blankziehe­n – wollen.

Das garantiert köstliche Unterhaltu­ng, man kommt aus dem unbeschwer­ten Lachen gar nicht mehr raus. Und doch werden Probleme wie sozialer Abstieg, Provinzmie­f, schwierige Gruppendyn­amik, religiös geprägte Moralvorst­ellungen und Beziehungs­stress nicht diffamiert. Am Ende fliegen die Pheromone, weil bei heiß choreograf­ierter Bauarbeite­r-Erotik die Luft von Männerschw­eiß und Testostero­n nur so trieft. Kleine Warnung an die Damen: In der ersten Reihe sitzt frau exponiert!

Man kommt aus dem unbeschwer­ten Lachen gar nicht mehr raus.

Weitere Vorstellun­gen: 2./3./4. Mai, jeweils 19.30 Uhr, diesmal im Theater im Viertel. Die Mundpropag­anda war allerdings schnell, alle Vorstellun­gen sind ausverkauf­t, Restkarten an der Abendkasse. Tel. (0681) 390 46 02, www.dastiv.de

 ?? FOTO: KERSTIN KRÄMER ?? Die Show beginnt (von links): Markus (Jannik Sohn), Patrick (Vincent Kiefer), Tommi (Adrian Graef), Andi (Bernhard Krämer), Frank (Mel Ditter).
FOTO: KERSTIN KRÄMER Die Show beginnt (von links): Markus (Jannik Sohn), Patrick (Vincent Kiefer), Tommi (Adrian Graef), Andi (Bernhard Krämer), Frank (Mel Ditter).

Newspapers in German

Newspapers from Germany