Hier fallen Hüllen und manches Vorurteil
Da haben sie einen echten Knaller gelandet: Die Uni-Theatertruppe Thunis bringt „Ladies Night“auf die Bühne des Theaterschiffs und des Theaters im Viertel. Unterhaltung mit Tiefgang.
SAARBRÜCKEN Schwankende Bretter, die die Welt bedeuten: Für die Premiere von „Ladies Night“verließ Thunis, die deutschsprachige Theatergruppe der Universität des
Saarlandes, den sicheren Heimathafen des Campus und dockte auf dem Theaterschiff Maria-Helena an. Der Stoff des Stücks könnte von Ken Loach stammen, dem großen Sozialkritiker unter den britischen Regisseuren. In seinen Filmen beweist der Altmeister ein Herz fürs Arbeitermilieu und skurrile Typen aus der Unterschicht und äugt dabei gerne auch mal ins ( Tragi-)Komödienfach.
„Ladies Night“erzählt von sechs Underdogs, die ihre Zeit damit verbringen, in Kneipen abzuhängen und sich zu prügeln, weil die Fabrik im Ort dicht gemacht hat und sie seither erwerbslos vor sich hin frusten.
Bis einer von ihnen die abstruse Idee hat, aus ihren nicht gerade perfekten Körpern Kapital zu schlagen und als strippende Männer Karriere zu machen – die Chippendales können`s doch auch.
Bis zum ersten Auftritt ist es allerdings ein steiniger Weg, gepflastert mit Training, Tanzunterricht, Selbstzweifeln, familiären Streitigkeiten, männlichem Herumgezicke und
Turbulenzen aller Art: Das Vorhaben wird zur echten Belastungsprobe für die Freundschaft der Jungs.
Wer nun denkt: „Das kenn ich doch!“, denkt richtig. Mit „The full Monty“(deutsch: „Ganz oder gar nicht“) kam 1997 ein englischer Filmhit mit verdächtig ähnlicher Handlung ins Kino. Schon zehn Jahre früher jedoch wurde das Stück „Ladies Night“in einem Theater in
Auckland uraufgeführt. Die Parallelen zum Film sind eindeutig, und tatsächlich reichten die Dramen-Autoren Stephen Sinclair and Anthony McCarten mehrfach Plagiats-Klage gegen den Streifen ein.
Dafür, dass das Schauspiel zum kommerziell erfolgreichsten der neuseeländischen Theatergeschichte avancierte, gibt's bestechende Gründe, wie nun auch die Inszenierung von „Thunis“beweist: Unter der Regie von Anke Hirsch hält das Ensemble von Anfang an das Tempo hoch und kitzelt neben dem derben Humor der gepfefferten Dialoge und dem Slapstick des Originals auch die Facetten der unterschiedlichen Charaktere heraus.
Die mobile Ausstattung ist karg, aber dennoch grenzt es an ein Wunder, dass sich bei den Umbauten auf stockdunkler Bühne niemand den Hals bricht. Wir blicken etwa in die verwahrloste Bude von Frank (Mel Ditter), der nicht weiß, wie er den Unterhalt für sein Kind aufbringen soll. Er hat die Idee zum Nackigmachen und managt das Ganze; in seinem Wohnzimmer werden Bierchen gezecht, Pläne geschmiedet und erste Choreos (Alexander Hanauer) geprobt.
Die sind irre komisch, weil die Schauspieler bei ihren Grotesk-Tänzen anfangs herrlich ungelenk mit klischierter Phallus-Symbolik jonglieren und die Regisseurin mit sexuellen Orientierungen und Reminiszensen spielt – manche bizarre Aufmachung erinnert unverhohlen an die Schwulenband „Village People“. Der naive Andi (mit betörender Unschuldsmimik: Bernhard Krämer) ist gleich Feuer und Flamme. Der Macho Peter (Sebi Starck als Parade-Proll im Trainingsanzug) dagegen verweigert sich dem albernen Gehopse, während Tommi (wandlungsfähig: Adrian Graef) weder von seiner zanksüchtigen Gattin noch von seiner Gitarre lassen mag – die permanent präsente Klampfe wird zum Running Gag.
Weitere Station: das Etablissement von Clarissa (Chiara Günkel), bei der die Kerle einzeln vortanzen, um ein Engagement klar zu machen. Prompt erregt der bodygebuildete „Sportakus“Patrick ( Vincent Kiefer) die Eifersucht von Chiaras Freund ( Julian Tepper), obwohl Patrick eigentlich auf Männer steht, wie er dank der Bemühungen von Markus ( Jannik Sohn) herausfindet.
Und dann gibt es noch das Fitnessstudio, wo die als Coach angeheuerte Roxi (als resolute Wuchtbrumme: Elli Germann) die Jungs schleift. Sie bringt ihnen bei, was Frauen wirklich wollen, und liest ihnen kräftig die Leviten, als sie kurz vorm Ziel doch noch den Schwanz einziehen – pardon: nicht blankziehen – wollen.
Das garantiert köstliche Unterhaltung, man kommt aus dem unbeschwerten Lachen gar nicht mehr raus. Und doch werden Probleme wie sozialer Abstieg, Provinzmief, schwierige Gruppendynamik, religiös geprägte Moralvorstellungen und Beziehungsstress nicht diffamiert. Am Ende fliegen die Pheromone, weil bei heiß choreografierter Bauarbeiter-Erotik die Luft von Männerschweiß und Testosteron nur so trieft. Kleine Warnung an die Damen: In der ersten Reihe sitzt frau exponiert!
Man kommt aus dem unbeschwerten Lachen gar nicht mehr raus.
Weitere Vorstellungen: 2./3./4. Mai, jeweils 19.30 Uhr, diesmal im Theater im Viertel. Die Mundpropaganda war allerdings schnell, alle Vorstellungen sind ausverkauft, Restkarten an der Abendkasse. Tel. (0681) 390 46 02, www.dastiv.de