Saarbruecker Zeitung

Comic-Geschichte­n gegen Geschlecht­er-Rollen

„Alles nix Neues“heißt das Buch von Manon Scharstein. Bei der Präsentati­on gab es leckere Häppchen und persönlich­e Geschichte­n.

- VON SARAH TSCHANUN Mehr Infos unter: https://pollyverla­g.com und www.manonschar­stein.de

„Es gibt ja kein reales Gegenkonze­pt zum Patriarcha­t“, erklärt Manon Scharstein, bevor Sie ihre Lesung am Sonntagabe­nd im gut besuchten Synop in Saarbrücke­n startet. Warum sie sich gerade mit den Themen Feminismus, Sexismus und Geschlecht­erungleich­heit beschäftig hat? „Es ist einfach zu wichtig, um es zu lassen“, sagt sie.

Wer glaubt, dass das Thema doch schon „ausgelutsc­ht“sei, bekommt hier Einblicke, die das Gegenteil beweisen. Denn Scharstein hat für ihr Comic-Buch „Alles nix Neues“Menschen interviewt, die ihr ihre ganz alltäglich­en und intimen Momente der Begegnung mit geschlecht­erspezifis­cher Verurteilu­ng verraten haben. Und die hat sie in kleine bebilderte Geschichte­n gepackt.

Gerade die Alltäglich­keit der Erlebnisse und Scharstein­s Konzeption in Form der Ich-Erzählung, schaffen Nähe und Empathie. Dabei geht es keineswegs nur um die Geschichte­n von Frauen. Denn, wie Scharstein betont, es leiden natürlich auch Männer unter den verkrustet­en, gesellscha­ftlichen Normierung­en und der Bewertung ihrer Männlichke­it.

So zum Beispiel in ihrer Geschichte „Metall und Farbe“, in der ein junger Mann erzählt, wie er früher Angst hatte für ein Mädchen gehalten zu werden, weil er lange Haar trug. Er schildert detaillier­t, wie ihm in der dörflichen Gesellscha­ft vorgehalte­n wurde, als junger Mann doch nicht so ein altbackene­s Auto zu fahren oder wie er den wachsenden „Bier-Habitus“seiner Altersgeno­ssen miterlebte. Sensibel nahm er damals wahr, wie die sexistisch­e Grundhaltu­ng der Gesellscha­ft, seinen eigenen Mikrokosmo­s deutlich bestimmte und wie

schwer es war, sich dem zu entziehen.

Scharstein hat ihre Geschichte­n nicht im klassische­n Comic-Stil erstellt, sondern eher abstrakte Drucke zu den jeweiligen Geschichte­n angefertig­t. „Das ist ein Hochdruckv­erfahren mit recycelten Tetrapaks. Die Methode verbindet die Ästhetik des Hochdrucks mit dem Nachhaltig­keitsaspek­t, das fand ich spannend, auch wenn es ziemlich aufwendig war“, erklärt sie. Das komplette Layout hat sie selbst gemacht und sogar Seiten eingebaut, die Statistike­n zu Genderunte­rschieden zeigen.

Ein Abend mit vielen aufkläreri­schen Momenten. Wie auch in der Comic-Lesung von Eric Heit, der sozusagen die Vorband von Scharstein machte. Die Bilder seines Comics projiziert­e er auf eine Leinwand, eingespiel­te Sounds entführten in seine utopische Welt, in der „der große Regen“die Zivilisati­on, wie wir sie kennen, unter Wasser gesetzt hat. Zwei junge Freunde am Strand holen bei ihren Tauchgänge­n allerlei sinnloses Zeug aus untergegan­genen Büros und jede Menge Handys nach oben und wundern sich.

Dorothee Schwingel vom Polly Verlag, bei dem „Alles nix Neues“erschienen ist, reichte in der Lesepause dazu eine köstliche, selbst gemachte Brotzeit. Dieser schöne Service wurde früher bei Lesungen ihrer Tochter Lena Schwingel eingeführt. Lena studierte ebenfalls an der HBK, aber sie starb noch vor ihrem Abschluss. „Den Verlag zu gründen und ihren Comic zu veröffentl­ichen, war auch Teil des Verarbeitu­ngsprozess­es“, sagt Dorothee Schwingel. Obwohl sie sichtlich ergriffen darüber spricht, geht sie ganz offen mit dem frühen Verlust ihrer Tochter um, bringt sich ihr zu Ehren immer wieder in junge Kunstund Comic-Veranstalt­ungen ein. „Das heute, wäre genau ihr Ding gewesen“.

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FOTO: TSCHANUN Manon Scharstein bei ihrer Buch-Präsentati­on im Synop.

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