Comic-Geschichten gegen Geschlechter-Rollen
„Alles nix Neues“heißt das Buch von Manon Scharstein. Bei der Präsentation gab es leckere Häppchen und persönliche Geschichten.
„Es gibt ja kein reales Gegenkonzept zum Patriarchat“, erklärt Manon Scharstein, bevor Sie ihre Lesung am Sonntagabend im gut besuchten Synop in Saarbrücken startet. Warum sie sich gerade mit den Themen Feminismus, Sexismus und Geschlechterungleichheit beschäftig hat? „Es ist einfach zu wichtig, um es zu lassen“, sagt sie.
Wer glaubt, dass das Thema doch schon „ausgelutscht“sei, bekommt hier Einblicke, die das Gegenteil beweisen. Denn Scharstein hat für ihr Comic-Buch „Alles nix Neues“Menschen interviewt, die ihr ihre ganz alltäglichen und intimen Momente der Begegnung mit geschlechterspezifischer Verurteilung verraten haben. Und die hat sie in kleine bebilderte Geschichten gepackt.
Gerade die Alltäglichkeit der Erlebnisse und Scharsteins Konzeption in Form der Ich-Erzählung, schaffen Nähe und Empathie. Dabei geht es keineswegs nur um die Geschichten von Frauen. Denn, wie Scharstein betont, es leiden natürlich auch Männer unter den verkrusteten, gesellschaftlichen Normierungen und der Bewertung ihrer Männlichkeit.
So zum Beispiel in ihrer Geschichte „Metall und Farbe“, in der ein junger Mann erzählt, wie er früher Angst hatte für ein Mädchen gehalten zu werden, weil er lange Haar trug. Er schildert detailliert, wie ihm in der dörflichen Gesellschaft vorgehalten wurde, als junger Mann doch nicht so ein altbackenes Auto zu fahren oder wie er den wachsenden „Bier-Habitus“seiner Altersgenossen miterlebte. Sensibel nahm er damals wahr, wie die sexistische Grundhaltung der Gesellschaft, seinen eigenen Mikrokosmos deutlich bestimmte und wie
schwer es war, sich dem zu entziehen.
Scharstein hat ihre Geschichten nicht im klassischen Comic-Stil erstellt, sondern eher abstrakte Drucke zu den jeweiligen Geschichten angefertigt. „Das ist ein Hochdruckverfahren mit recycelten Tetrapaks. Die Methode verbindet die Ästhetik des Hochdrucks mit dem Nachhaltigkeitsaspekt, das fand ich spannend, auch wenn es ziemlich aufwendig war“, erklärt sie. Das komplette Layout hat sie selbst gemacht und sogar Seiten eingebaut, die Statistiken zu Genderunterschieden zeigen.
Ein Abend mit vielen aufklärerischen Momenten. Wie auch in der Comic-Lesung von Eric Heit, der sozusagen die Vorband von Scharstein machte. Die Bilder seines Comics projizierte er auf eine Leinwand, eingespielte Sounds entführten in seine utopische Welt, in der „der große Regen“die Zivilisation, wie wir sie kennen, unter Wasser gesetzt hat. Zwei junge Freunde am Strand holen bei ihren Tauchgängen allerlei sinnloses Zeug aus untergegangenen Büros und jede Menge Handys nach oben und wundern sich.
Dorothee Schwingel vom Polly Verlag, bei dem „Alles nix Neues“erschienen ist, reichte in der Lesepause dazu eine köstliche, selbst gemachte Brotzeit. Dieser schöne Service wurde früher bei Lesungen ihrer Tochter Lena Schwingel eingeführt. Lena studierte ebenfalls an der HBK, aber sie starb noch vor ihrem Abschluss. „Den Verlag zu gründen und ihren Comic zu veröffentlichen, war auch Teil des Verarbeitungsprozesses“, sagt Dorothee Schwingel. Obwohl sie sichtlich ergriffen darüber spricht, geht sie ganz offen mit dem frühen Verlust ihrer Tochter um, bringt sich ihr zu Ehren immer wieder in junge Kunstund Comic-Veranstaltungen ein. „Das heute, wäre genau ihr Ding gewesen“.