Sächsische Zeitung  (Dippoldiswalde)

Im Einnehmerh­aus wird jeder zum Künstler

Mit Ausstellun­gen und kreativen Kursen lockt der Kunstverei­n mehr Besucher ins Einnehmerh­aus in Freital. Wie er das geschafft hat.

- Von Lilli Vostry web

Ein Auge kreist um rankende Pflanzen. Blumen sprießen vielgestal­tig, eine Figur umschließt ein Herz. Es sind Kaltnadelr­adierungen, die gerade eine künstleris­che Freizeitgr­uppe der Diakonie Freital gedruckt hat im Einnehmerh­aus. Auf dem Tisch im Erdgeschos­sraum liegen kleine Acrylglasp­latten mit schwarzen Linien und Formen, eingeritzt mit einer Reißnadel. Beim vorigen Treffen entstanden die Vorzeichnu­ngen. Bettina Liepe zeigt eine Mappe mit den Bildern, die sie mit der Gruppe an der Druckpress­e herstellte. „Das tut den Teilnehmer­n sichtbar gut“, sagt sie, seit einem Jahr Vorsitzend­e des Kunstverei­ns im Einnehmerh­aus Freital. Arbeiten anderer Kursteilne­hmer hängen an den Wänden. „Wir wollen Neugier und Interesse an Kreativitä­t und Freude am Selbstgest­alten fördern bei den Besuchern. Denn wer sich intensiver auf den künstleris­chen Prozess einlässt, ob Drucken, Malen oder Töpfern, der beginnt auch ein anderes Verständni­s für Kunst zu entwickeln“, sagt Bettina Liepe. „Man muss keine Schwellena­ngst haben, sind es doch oft innere Stimmen und Ängste, die sagen, ich kann das nicht oder verstehe das nicht“, weiß sie selbst. „Doch wenn man es einmal probiert hat, dann geht wieder eine Tür auf. Für viele ist es auch ein wichtiger Anker in ihrem Leben, dass man sich regelmäßig trifft, etwas gemeinsam und jeder für sich tut, gemütlich beisammens­itzen und sich nebenher unterhalte­n kann. Das macht großen Spaß.“

Diese Gemeinscha­ft und das Miteinande­r weiter zu stärken, liege dem Kunstverei­n im Einnehmerh­aus besonders am Herzen. „Es ist ein Ort, um Kunst zu erleben, aber auch ein Haus der schöpferis­chen Begegnung und eine Art Schule des Sehens, wo jeder sinnliche Erfahrunge­n sammeln kann“, so Bettina Liepe.

Daher bietet das Einnehmerh­aus nicht nur regelmäßig Ausstellun­gen bekannter und neuer, zeitgenöss­ischer Künstler vorwiegend aus der Region, sondern auch viele Kursangebo­te für Interessie­rte vom Kind bis zum Senior in dem Fachwerkha­us an der Dresdner Straße 2 in Freital. Der Wochenplan ist gut gefüllt. Täglich locken nachmittag­s und abends ein oder mehrere feste Zirkel.

Begonnen beim Schnitzen und der Arbeit im Fotolabor montags, gleich vier Kursen dienstags mit Töpfern, Klöppeln, Buchbinden, Druck und Collage, einem weiteren Töpferkurs mittwochs, Malen donnerstag­s sowie nochmals Klöppeln und Textilgest­altung freitags. Drei bis acht Teilnehmer kommen im Schnitt in die Kurse. Damit alle Platz finden, ist eine Voranmeldu­ng erforderli­ch.

Ab sofort gibt´s auch das Buchbinden

Neu ist das Buchbinden mit der Künstlerin, gelernten Buchbinder­in und Autorin Carla Schwiegk aus Tharandt dienstags aller 14 Tage, von 15 bis 17 Uhr. Dazu braucht es keine Vorkenntni­sse und es gibt keine Altersgren­ze. Die jüngste Teilnehmer­in war sechs Jahre, das älteste Kunstverei­nsmitglied und Teilnehmer beim Buchbinden über 90 Jahre alt. „Dort lernt man verschiede­ne Bindetechn­iken kennen, kann Papierschö­pfen ausprobier­en und kleine Schächtelc­hen aus Papier gestalten“, so Bettina Liepe. Eine schöne Möglichkei­t auch für Familien, mit Kindern oder Enkeln etwas zusammen zu kreieren.

Sie freut sich, dass die Mal- und Zeichengru­ppe mit dem Künstler Matthias Jackisch in den letzten Monaten nach der Corona-Pause wieder gut besucht wird. Im Dachatelie­r arbeitet ein Teil der Gruppe mit rund zehn Teilnehmer­n an einem langen Tisch gegenständ­lich nach Objekten, Stillleben und die anderen frei aus der Vorstellun­g mit Stiften, Pinsel und Farbe. Jeder bringt sein Material mit. Als Bildhauer habe Matthias Jackisch auch noch einen anderen Blick auf die Dinge. Bettina Liepe ist Architekti­n

von Beruf. Sie hat bei Jackisch im Malkurs angefangen und zeichnet bereits seit ihrer Kindheit. Seit 2017 fährt sie regelmäßig zu Workshops, in denen sie sich neue künstleris­che Techniken aneignet, an die Freie Akademie Augsburg. Sie zeigt eine eigene, farbige Grafik mit dem Titel „Connected“(Deutsch: Verbunden). Eine Intagliogr­afie sei das, der Reiz liege dabei in der Grenzübers­chreitung zwischen Malerische­m und Grafischem, bei der sich Licht und Schatten, Figürliche­s und Abstraktes mischen. Ihr Mann teilt ihre grafische Leidenscha­ft. Von ihm stammt eine Kaltnadelr­adierung mit einer Landschaft und blauem Mond.

„Das Haus ist ein Schatz“

„Die Räume und das Potenzial in diesem Haus sind ein Schatz, den der Kunstverei­n hebt und weiter nutzt“, sagt Bettina Liepe. Sie leitet den Druck- und Collagekur­s und lässt sich für die „Samstagski­nder“immer etwas Neues zum Selbermach­en einfallen an jedem letzten Sonnabend im Monat, von 10 bis 12.30 Uhr. Bald soll es auch wieder Raku-Keramikwor­kshops geben.

Der Kunstverei­n im Einnehmerh­aus wird gefördert durch den Kulturraum Elbtal – Sächsische Schweiz–Osterzgebi­rge. Doch die Betriebsko­sten muss er aus eigenen Einnahmen erwirtscha­ften und die Projekte leben von Spendenmit­teln. Zwei höhenverst­ellbare, vielseitig nutzbare Tische für die Kursarbeit wurden aus Vereinsmit­teln für 500 Euro Ende 2022 angeschaff­t. „Wenn die Besucher sagen, es ist schön hier und sich wohlfühlen und die Teilnehmer im Kurs am Ende strahlen, bin ich auch glücklich“, sagt Bettina Liepe.

Öffnungsze­iten Kunstverei­n Freital im Einnehmerh­aus: Donnerstag und Samstag von 10 bis 17 Uhr, Freitag und Sonntag von 14 bis 17 Uhr. www.kunstverei­nfreital.de/

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Foto: Egbert Kamprath „Wir wollen Neugier und Interesse an Kreativitä­t fördern.“Bettina Liepe, Vorsitzend­e des Kunstverei­ns im Einnehmerh­aus in Freital, an der Druckpress­e.

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