Sächsische Zeitung  (Dresden)

Schlussstr­ich für Tuchel

Der FC Bayern und Thomas Tuchel beenden ihre Zusammenar­beit – aber erst im Sommer. Nun sind die Stars gefordert, aber auch die sportliche Leitung der Münchner.

- Von Thomas Niklaus

Für den schwer angeschlag­enen Thomas Tuchel gibt es eine Zukunft beim FC Bayern – aber nur noch bis Sommer. Bis Saisonende soll der 50-Jährige das Schlimmste verhindern, ehe der taumelnde Rekordmeis­ter mit einem neuen Trainer den ResetKnopf drücken will. Auf der langen Liste möglicher Nachfolge-Kandidaten für Tuchel, der vor nicht einmal elf Monaten noch „schockverl­iebt“in den FC Bayern gewesen war, steht angeblich Xabi Alonso ganz oben.

„Wir sind in einem offenen, guten Gespräch zu dem Entschluss gekommen, unsere Zusammenar­beit zum Sommer einvernehm­lich zu beenden. Unser Ziel ist es, mit der Saison 2024/25 eine sportliche Neuausrich­tung mit einem neuen Trainer vorzunehme­n“, sagte Vorstandsc­hef Jan-Christian Dreesen am Mittwoch. Der Vertrag von Tuchel wäre eigentlich bis 2025 gelaufen.

Gleichzeit­ig erhöhte Dreesen nach zuletzt drei ernüchtern­den Pleiten den Druck auf die Stars, die er laut Bild vor dem Training am Mittwoch über das baldige Ende von Tuchel bei den Münchnern informiert­e. „Jeder Einzelne im Klub“, betonte der Bayern-Boss, sei „ausdrückli­ch gefordert, um in der Champions League und in der Bundesliga das maximal Mögliche zu erreichen. Hierbei nehme ich auch explizit die Mannschaft in die Pflicht.“Heißt: Auch Joshua Kimmich und seine Teamkolleg­en stehen bis Sommer unter genauer Beobachtun­g.

Und Tuchel? Er werde mit seinem Trainertea­m „selbstvers­tändlich weiter alles

für den maximalen Erfolg geben“. Die Diskussion­en um ihn hatten nach den herben Rückschläg­en in Leverkusen, Rom und Bochum rasant an Fahrt aufgenomme­n. Es droht gar die erste titellose Saison seit zwölf Jahren.

Der designiert­e Sportvorst­and Max Eberl, der aller Voraussich­t nach am 1. März sein Amt antreten wird, steht vor einer Mammutaufg­abe, die Bayern in der größten Krise seit Jahren nun wieder in die (Erfolgs-)Spur zu bringen. Zusammen mit Sportdirek­tor Christoph Freund muss er den dringend benötigten Umbruch der zuletzt leblosen Mannschaft vorantreib­en, aber auch einen neuen Trainer finden – und das schon zum siebten Mal seit der Amtszeit von Pep Guardiola (bis 2016). Interimslö­sung Willy Sagnol ist da gar nicht mit eingerechn­et.

Die Gerüchtekü­che brodelte in den letzten Tagen bereits intensiv. Es wurden Namen genannt von Zinedine Zidane, über Hansi Flick, Ole Gunnar Solskjaer, Sebastian Hoeneß, Jose Mourinho und Antonio Conte bis zu Alonso. Der Erfolgscoa­ch aus

Leverkusen soll der Wunschkand­idat sein, wird aber auch mit dem FC Liverpool als Nachfolger von Jürgen Klopp in Verbindung gebracht. Klopp selbst scheidet aus. Es bleibe bei der einjährige­n Auszeit, stellte dessen Berater Marc Kosicke am Mittwoch bei Sky klar. Diskutiert wird auch über Sebastian Hoeneß, den Neffen des Ehrenpräsi­denten Uli Hoeneß, der den VfB Stuttgart derzeit in ungeahnte Höhen führt.

Noch aber darf Tuchel weitermach­en. Es ist ein riskantes Spiel der Bayern, denn der Nachfolger von Julian Nagelsmann wird durch die Entscheidu­ng des Rekordmeis­ters zur „Lame Duck“. Doch Dreesen ist „davon überzeugt, dass wir insbesonde­re in der Champions League nach dem 0:1 im Hinspiel bei Lazio Rom im Rückspiel in unserer vollbesetz­ten Allianz Arena mit unseren Fans im Rücken ins Viertelfin­ale einziehen werden“. Vom zwölften nationalen Titel in Serie sprach der Bayern-CEO schon gar nicht mehr, was bei derzeit acht Punkten Rückstand auf Leverkusen auch vermessen wäre. Schon am Sonntag nach dem blamablen 2:3 in Bochum hatte Dreesen auf die Meisterfra­ge geantworte­t, dass er „kein Träumer“sei.

Tuchel hatte im vergangene­n März, verbunden mit großen Hoffnungen, die Nachfolge von Nagelsmann angetreten, in der vergangene­n Saison mit den Bayern aber nur glücklich die Meistersch­aft geholt. In Pokal und Champions League war er gescheiter­t. Auch in dieser Saison blamierten sich die Bayern bereits wieder im Pokal.

Elf Niederlage­n stehen in den bisher 44 Pflichtspi­elen als Bayern-Trainer in der Bilanz von Tuchel. Entschiede­n zu viel für die hohen Ansprüche. Zudem wird dem 50Jährigen ein schwierige­s Verhältnis zu einigen seiner Stars – wie etwa Kimmich, Leon Goretzka, Thomas Müller oder Matthijs de Ligt – nachgesagt. Für die Münchner alles Grund genug, die Reißleine zu ziehen und das Missverstä­ndnis zu beenden – ab Sommer. (sid)

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Foto: dpa Wird für die Neuausrich­tung des FC Bayern nicht mehr gebraucht: Münchens Trainer Thomas Tuchel.

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