Wieso Solarwatt immer mehr Handwerksbetriebe kauft
Trotz der Drohung, seine deutsche Fabrik zu schließen, weitet der Dresdner Solarmodulhersteller sein bundesweites Netz an Handwerksbetrieben aus.
Das nächste Ziel ist Niedersachsen: Der Dresdner Solartechnik-Hersteller Solarwatt GmbH hat 60 Prozent der Anteile an einem Installationsbetrieb in Bückeburg bei Hannover übernommen. Die Ahrens Solar- und Dachtechnik mit 58 Beschäftigten ist spezialisiert auf die Installation von Fotovoltaik-Anlagen und Elektromobilität. In diesem Jahr will sich Solarwatt noch mehr Standorte in Deutschland sichern, wie das Unternehmen am Mittwoch in Dresden mitteilte.
Dabei sind die europäischen Fabriken der Solarbranche derzeit in Schwierigkeiten. Sowohl Solarwatt als auch die Freiberger Fabrik des Schweizer Konzerns Meyer Burger haben damit gedroht, die Produktion in Sachsen einzustellen. Sie fordern Staatshilfe gegen Billigkonkurrenz aus China. Nach ihren Angaben kommen die Module von dort zu Dumpingpreisen nach Europa. Die Gründe: China fördere die Produktion, die USA errichteten Handelshemmnisse gegen China.
Solarwatt hat zum Jahresende 85 Arbeitsplätze gestrichen. Das Unternehmen beschäftigt nun nach eigenen Angaben 710 Menschen, davon 600 in Dresden. Die meisten sind in Büros und nicht in der Produktion beschäftigt. Würde die Dresdner Fabrik geschlossen, müssten nach Angaben von Geschäftsführer Detlef Neuhaus 120 Menschen gehen. Bei Meyer Burger in Freiberg geht es um 500 Arbeitsplätze.
Gemeinsam mit dem Bundesverband Solarwirtschaft fordern die Fabrikanten, dass Module aus europäischer Produktion mit einem Bonus für die Käufer unterstützt werden sollen. Auch Heckert Solar aus Chemnitz und der Rohstofflieferant Wacker Chemie haben sich angeschlossen. Sachsens Energieminister Wolfram Günther (Grüne) unterstützt die Initiative. Die FDP in der Bundesregierung müsse überzeugt werden, dass die Branche strategisch wichtig sei. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Mittwoch, der Vorschlag für den Bonus liege zur Beratung im Bundestag. Die EU-Kommission habe vorgeschlagen, dass europäische Module noch bei 15 Prozent höheren Preisen als die chinesischen gefördert werden könnten.
Handwerker schließen Bündnis
Günther sagte, falls Europa keine Solartechnik mehr herstelle, könne China die Mengen und Preise bestimmen. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Bernhard Herrmann schrieb in einem Gastbeitrag für sächsische.de, ein Ende der hiesigen Produktion würde die Energiewende bedrohen. Europa werde womöglich in einer Zukunftstechnologie abhängig von China.
Die Hersteller fordern nicht etwa, Zölle gegen Importe aus China zu verhängen. Sie beziehen selbst Material von dort. Solarwatt stellt nur einen Teil seiner FotovoltaikModule in Dresden her und braucht dafür Zellen aus China. Die größere Menge der Solarwatt-Module wird direkt in China im Auftrag des Dresdner Unternehmens gefertigt und importiert.
Umso wichtiger ist es für die sächsischen Hersteller, den Vertrieb ihrer Produkte
zu sichern. Solarwatt hat 2022 das Lübecker Installationsunternehmen E-nel übernommen. Außerdem sind die Dresdner mit eigenen Installationsteams in vier Städten aktiv: Dresden, Kassel, Bochum sowie Ludwigsburg (Baden-Württemberg). In diesem Jahr sollen laut Solarwatt weitere Standorte hinzukommen. Allerdings hatte das Unternehmen auch Anfang vorigen Jahres angekündigt, im Jahr 2023 zwei bis vier Handwerksbetriebe in den alten Ländern aufzubauen oder zu kaufen. Übernehmen sei leichter als selbst aufbauen, sagte Neuhaus.
Nicht nur in der Solarbranche wird es zum Trend, Installationsbetriebe zu übernehmen. Voriges Jahr hat der schwedische Energietechnik-Konzern Aira den Glauchauer Handwerksbetrieb Garant Wärmesysteme übernommen. Dessen 75 Beschäftigte sind auch auf den Einbau von Wärmepumpen spezialisiert. Aira will dort ein Schulungszentrum einrichten und 100 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.
Manche Handwerksbetriebe schließen dagegen Bündnisse untereinander statt mit der Industrie: Der Dachdeckerbetrieb des Dresdner Handwerkskammerpräsidenten Jörg Dittrich in Ottendorf-Okrilla hat einen Verbund namens „Meisterwerke Dresden“mit drei Partnern gegründet. Daran beteiligt sind der Sanitärbetrieb Eberhard Rink, Metallbau Hans Walther sowie Felgner Sicherheitstechnik. Sie wollen ihre Fachkompetenzen vernetzen und bieten elf Ausbildungsberufe an.
Solarwatt kündigte an, die Neuerwerbung Ahrens mit Produkten, Marketing, Digitalisierung und Einkauf zu unterstützen. Solarwatt stellt auch Akkus her und bietet mit dem Dresdner Softwareunternehmen Kiwigrid die Technologie zum Steuern des Stromverbrauchs.