Für Pollen-Allergiker gibt es kaum Verschnaufpausen
Erle und Hasel fliegen bereits. Schuld ist der milde Winter. Künftig wird der Klimawandel noch mehr und andere Pollen nach Sachsen bringen – mit Folgen auch für die Jüngsten.
Der Pollenmonitor der Leipziger Universitätsklinik schlägt schon seit Wochen aus. Die Konzentration von Haselpollen bewegt sich bislang noch im gelben Bereich. Die Belastung von Erle ragt dagegen schon in den roten und macht Allergikern in Sachsen zu schaffen.
Zum Leidwesen vieler Betroffener produzieren einige Pflanzen wegen der derzeit milden Temperaturen besonders kräftig Pollen, wie die Experten der Europäischen Allergiestiftung Ecarf und der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) berichten. Bereits im Januar begann bei vielen Allergikern die Nase zu jucken, mittlerweile ist die Pollensaison in vollem Gange. „Die Erle hat schon sehr früh Anfang Februar mit starken Belastungen begonnen“, sagt Matthias Werchan von der PID.
Auch Pappel, Eibe, Ulme und Zypressengewächse blühen nach Angaben des Landschaftsökologen bereits und können für Beschwerden sorgen. Das bestätigen Messungen des Leipziger Pollenmonitors. „Der Februar ist wärmer als ein durchschnittlicher März bisher. Und da reagiert die Natur natürlich stark“, sagt Werchan. Der Pollenflug der Hasel habe bereits zum Jahreswechsel begonnen, seit einigen Wochen stäube die Pflanze mit zum Teil hoher Intensität.
Von einem Frühstart der Saison kann man laut Werchan dieses Jahr aber nicht sprechen. „Es ist fast die Regel, dass zur Weihnachtszeit die Hasel blüht.“Früher galten die Wintermonate als Verschnaufpause für Allergiker. Mittlerweile beobachten Fachleute, dass sich wegen des Klimawandels beinahe die Zeiten überschneiden, in denen die letzten Pollen der Vorsaison verschwinden und die ersten der neuen Saison auftauchen. Als einzige Verschnaufpause bleibe Allergikern nach Angaben des PID-Experten fast nur noch der November. Die Entwicklung der diesjährigen Pollensaison sei schwer vorherzusagen, da sie stark von der Witterung abhängt, sagte Werchan. Noch sei nicht abzusehen, ob die Birkenpollen Menschen mit Heuschnupfen bereits im März oder erst im April Probleme bereiteten.
Einer Befragung des Robert Koch-Instituts (RKI) zufolge, die von 2008 bis 2011 stattfand, leiden rund 15 Prozent der Deutschen an Heuschnupfen, knapp neun Prozent an Asthma bronchiale. Während bei Heuschnupfen die oberen Atemwege in Mitleidenschaft gezogen sind, ist es bei
Asthma die Lunge: Betroffene haben etwa Anfälle von Atemnot. Laut RKI hat die Häufigkeit allergischer Erkrankungen seit den 70er-Jahren in Ländern mit westlichem Lebensstil stark zugenommen und sich auf einem hohen Niveau stabilisiert. Die Häufigkeit von Asthma steige weiter.
Immuntherapie kann helfen
Allergien zählen nach Angaben von Torsten Zuberbier von Ecarf weltweit zu den häufigsten chronischen Erkrankungen. „Anders als bei anderen medizinischen Problemen können wir bei Allergien helfen“, so der Experte. Gegen die Symptome können Betroffene etwa Nasensprays, Augentropfen und Tabletten nutzen. An der Ursache setzt eine Immuntherapie etwa mit Spritzen oder Tabletten an. Um die Beschwerden zu verringern, würde es laut Zuberbier auch helfen, die Begrünung von Städten allergiefreundlicher zu gestalten. Stadtgrün sei wichtig, allerdings sollte bei Neupflanzungen lieber auf Pollenschleudern wie Birken verzichtet werden.
Wegen des Klimawandels und der dadurch verlängerten Pollenflugzeit haben Allergiker nach Angaben der Direktorin der Umweltmedizin am Uniklinikum Augsburg, Claudia Traidl-Hoffmann, im Prinzip das ganze Jahr Symptome. „Sie leiden länger und sie leiden mehr, weil mehr Pollen pro Tag fliegen.“Zudem würden Pollen mehr Allergene freisetzen. Das hänge auch mit einer höheren Schadstoffbelastung zusammen. Vor allem in Städten sei zu beobachten: Pflanzen produzieren als Überlebensstrategie mehr Pollen, die schließlich der Fortpflanzung dienen.
Ebenfalls zur Belastung werden könne die Tatsache, dass der Klimawandel neue Pflanzen und damit neue Pollen und Allergien nach Deutschland bringe. Nach Ansicht der Leipziger Pollenforscher seien es oftmals auch noch Pflanzen, die sehr allergene Pollen ausstoßen, die also besonders häufig Allergien auslösen. In Sachsen gehören beispielsweise Ambrosia dazu und der Götterbaum, eine asiatische Pflanze, die in unseren Breiten früher eingegangen wäre.
Die Entwicklung ist nach Angaben der Ärztin vor allem für schwere Asthmatiker und für Ältere ein Problem. „Aber gerade auch unsere Kinder leiden natürlich wahnsinnig darunter.“Wer ständig niesen muss oder sich erschöpft fühlt, kann sich auch in der Schule schlechter konzentrieren. Das zeigen auch Erhebungen von Ecarf. Demnach haben Kinder mit einem unbehandelten Heuschnupfen eine mehr als 40-prozentige Wahrscheinlichkeit, in der Schule um eine ganze Note abzufallen. Rund 30.000 Jugendliche würden ihre Ausbildung wegen einer Allergie abbrechen.
Und wie sieht der Trend für die kommenden Jahre aus? „Die größte Allergiegesellschaft der Welt, die Europäische Akademie für Allergologie und klinische Immunologie, erwartet, dass im Jahr 2050 die Hälfte der Europäer allergisch ist“, sagt Traidl-Hoffmann. (dpa/rnw)