Pflegealarm: Sachsen fehlen in elf Jahren 5.000 Fachkräfte
Sozialministerium nennt die Situation alarmierend. Nirgends arbeiten mehr Pflegende in Teilzeit.
Sachsen braucht dringend mehr Pflegefachkräfte. Derzeit sind 310.000 Menschen pflegebedürftig, nur in SachsenAnhalt und Thüringen sind es mehr. In elf Jahren sollen es bereits 326.000 Betroffene sein, wie aus Berechnungen des Statistischen Bundesamts hervorgeht. Der daraus resultierende Mehrbedarf von 5.000 fehlenden Fachkräften in stationären und ambulanten Einrichtungen sei schon jetzt spürbar, bestätigt das Sozialministerium.
Nach Angaben des Sächsischen Pflegerats sind im Freistaat etwa 43.000 Fachkräfte in der Pflege tätig. Die Zahl sei allerdings nur eine Schätzung, da Statistiken dazu bisher fehlten, sagt der Ratsvorsitzende Michael Junge.
Der Pflegereport der Krankenkasse Barmer von 2023 belegt: Mitarbeitende in Sachsen arbeiten länger und machen mehr Überstunden. Auffällig sei, dass nur etwa jeder fünfte der stationär Beschäftigten in Vollzeit arbeitet. Die Teilzeitquote sei mit über 50 Prozent höher als in jedem anderen Bundesland. Zugleich sei das Personal unterbesetzt, heißt es. Für 100 Bedürftige seien 42 Vollzeitkräfte verantwortlich, im Bundesdurchschnitt sind es 46.
Nach einer Umfrage der Barmer und des Instituts für Betriebliche Gesundheitsberatung vom Juni 2023, bei der 1.000 stationäre und ambulante Pflegekräfte interviewt wurden, äußerte sich fast die Hälfte unzufriedener als vor der Pandemie. Wesentliche Kritikpunkte: eine zunehmende Arbeitsgeschwindigkeit, wachsender Zeitdruck und mehr Überstunden. Die körperliche und emotionale Erschöpfung habe deutlich zugenommen, heißt es. Deshalb denke knapp ein Drittel der Befragten über eine Kündigung nach, vor allem junge Pflegende im Alter bis 29 Jahre.
„Pflegekräfte arbeiten häufig an der Belastungsgrenze und auch darüber hinaus“, sagt Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer. „Deshalb müssen alle Beteiligten wirksame Strategien zur Bewältigung des Alltagsdrucks entwickeln. Neben besseren Arbeitsbedingungen sind Selbstfürsorge
und eine verantwortungsvolle Führung zentrale Schlüsselfaktoren, um dieses Ziel zu erreichen“, so der Chef der Krankenkasse.
Der Personalmangel in der Pflege soll auch durch ausländische Arbeitskräfte behoben werden. So fördert der Freistaat seit Januar die Rekrutierung ausländischer Fachleute. Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) teilte im Februar mit, auf ihrer Reise nach Brasilien habe sie 60 Pflegekräfte anwerben können, die bereits im Frühjahr in Deutschland landen sollen. Die Ministerin fordert deshalb eine Willkommenskultur ein – nicht nur für Brasilianer, sondern auch für andere Nationalitäten, wie Filipinos. ▸