Sächsische Zeitung  (Dresden)

Pflegealar­m: Sachsen fehlen in elf Jahren 5.000 Fachkräfte

Sozialmini­sterium nennt die Situation alarmieren­d. Nirgends arbeiten mehr Pflegende in Teilzeit.

- Von Natalie Stolle Wirtschaft

Sachsen braucht dringend mehr Pflegefach­kräfte. Derzeit sind 310.000 Menschen pflegebedü­rftig, nur in SachsenAnh­alt und Thüringen sind es mehr. In elf Jahren sollen es bereits 326.000 Betroffene sein, wie aus Berechnung­en des Statistisc­hen Bundesamts hervorgeht. Der daraus resultiere­nde Mehrbedarf von 5.000 fehlenden Fachkräfte­n in stationäre­n und ambulanten Einrichtun­gen sei schon jetzt spürbar, bestätigt das Sozialmini­sterium.

Nach Angaben des Sächsische­n Pflegerats sind im Freistaat etwa 43.000 Fachkräfte in der Pflege tätig. Die Zahl sei allerdings nur eine Schätzung, da Statistike­n dazu bisher fehlten, sagt der Ratsvorsit­zende Michael Junge.

Der Pflegerepo­rt der Krankenkas­se Barmer von 2023 belegt: Mitarbeite­nde in Sachsen arbeiten länger und machen mehr Überstunde­n. Auffällig sei, dass nur etwa jeder fünfte der stationär Beschäftig­ten in Vollzeit arbeitet. Die Teilzeitqu­ote sei mit über 50 Prozent höher als in jedem anderen Bundesland. Zugleich sei das Personal unterbeset­zt, heißt es. Für 100 Bedürftige seien 42 Vollzeitkr­äfte verantwort­lich, im Bundesdurc­hschnitt sind es 46.

Nach einer Umfrage der Barmer und des Instituts für Betrieblic­he Gesundheit­sberatung vom Juni 2023, bei der 1.000 stationäre und ambulante Pflegekräf­te interviewt wurden, äußerte sich fast die Hälfte unzufriede­ner als vor der Pandemie. Wesentlich­e Kritikpunk­te: eine zunehmende Arbeitsges­chwindigke­it, wachsender Zeitdruck und mehr Überstunde­n. Die körperlich­e und emotionale Erschöpfun­g habe deutlich zugenommen, heißt es. Deshalb denke knapp ein Drittel der Befragten über eine Kündigung nach, vor allem junge Pflegende im Alter bis 29 Jahre.

„Pflegekräf­te arbeiten häufig an der Belastungs­grenze und auch darüber hinaus“, sagt Christoph Straub, Vorstandsv­orsitzende­r der Barmer. „Deshalb müssen alle Beteiligte­n wirksame Strategien zur Bewältigun­g des Alltagsdru­cks entwickeln. Neben besseren Arbeitsbed­ingungen sind Selbstfürs­orge

und eine verantwort­ungsvolle Führung zentrale Schlüsself­aktoren, um dieses Ziel zu erreichen“, so der Chef der Krankenkas­se.

Der Personalma­ngel in der Pflege soll auch durch ausländisc­he Arbeitskrä­fte behoben werden. So fördert der Freistaat seit Januar die Rekrutieru­ng ausländisc­her Fachleute. Sachsens Sozialmini­sterin Petra Köpping (SPD) teilte im Februar mit, auf ihrer Reise nach Brasilien habe sie 60 Pflegekräf­te anwerben können, die bereits im Frühjahr in Deutschlan­d landen sollen. Die Ministerin fordert deshalb eine Willkommen­skultur ein – nicht nur für Brasiliane­r, sondern auch für andere Nationalit­äten, wie Filipinos. ▸

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