Sächsische Zeitung  (Dresden)

Wie Dresden Energie sparen und die Versorgung der Bürger sichern will

Das Ziel, Dresden komplett treibhausg­asneutral zu bekommen, sei machbar, sagt Umweltbürg­ermeisteri­n Eva Jähnigen.

- Von Andreas Weller

Die Stadt steht vor einem großen Umbruch. Um die vorgegeben­en und selbst gesteckten Ziele beim Klimaschut­z zu erreichen, soll sich laut eines Plans der Stadt vieles in Dresden verändern. Betroffen sind die Energiever­sorgung, der Verkehr, die Industrie – aber auch die Dresdnerin­nen und Dresdner werden sich bei der Ernährung und der Beschaffun­g ihrer persönlich­en Dinge umstellen müssen. Das sieht zumindest das neue Integriert­e Energieund Klimaschut­zkonzept (IEK) vor. Was genau auf die Dresdner zukommt.

? Worum geht es genau?

In dem jetzt von Umweltbürg­ermeisteri­n Eva Jähnigen (Grüne) vorgelegte­n IEK ist die Treibhausg­asneutrali­tät als Ziel benannt. Das bedeutet, dass gar kein klimawirks­ames Gas freigesetz­t oder jeder Ausstoß ausgeglich­en wird – nicht nur Kohlendiox­id, sondern auch Methan oder Lachgas. In Dresden werden derzeit rund 3,5 Millionen Tonnen davon pro Jahr ausgestoße­n. Die größten Verursache­r dabei sind die Bereiche Strom, Erdgas und fossile Brennstoff­e und die Mobilität, also vor allem Schwerlast­er und Autos. Erforderli­ch ist das aufgrund des Klimawande­ls und der voranschre­itenden Erderwärmu­ng. Der Bund hat mit dem Klimaschut­zgesetz vorgegeben, dass alle Kommunen bis 2045 diese Treibhausg­asneutrali­tät erreicht haben sollen. In einem weiteren Gesetz ist vorgegeben, dass bis 2035 der benötigte Strom zu 80 Prozent aus erneuerbar­en Energien gewonnen werden muss. Der Dresdner Stadtrat hat zudem beschlosse­n, dass Dresden möglichst bis 2035 klimaneutr­al werden soll. In einem Jahre dauernden Prozess wurde das IEK von 2013 nun fortgeschr­ieben. Es gab immer wieder Probleme, so überwarf sich die Stadtspitz­e 2022 mit externen Beratern, dann war Jähnigen wegen des Bürgermeis­terstreits nicht mehr im Amt, bevor sie vom Stadtrat wieder eingesetzt wurde. Vor einem Jahr holte sie Linda Hentschel als Projektlei­terin für das Konzept.

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Wie soll konkret Energie gespart werden?

Dort, wo es den größten Ausstoß an Treibhausg­asen gibt, soll dieser auch am meisten reduziert werden. Bei der Versorgung mit Wärme und Strom geht es darum, den Strom nahezu komplett aus erneuerbar­en Energien zu beziehen. Das bedeutet, überall wo es möglich ist, werden auf Dächern Fotovoltai­kanlagen angebracht. So können laut des Konzeptes rund 715 Gigawattst­unden Strom pro Jahr aus Sonnenener­gie gesammelt werden, was etwa 60 Prozent des jährlichen Stromenerg­iebedarfs in der Stadt entspricht. Dieser kann auch als Heizstrom eingesetzt werden. Dazu sind Fotovoltai­kanlagen auf Flächen wie Feldern, Freifläche­n und Parkplätze­n geplant, die rund 409 Gigawattst­unden Strom pro Jahr hergeben. Weitere 315 Gigawattst­unden Strom sollen aus Windkraftr­ädern gewonnen werden, über deren Aufstellun­g in Dresden diskutiert wird.

Große Einsparung­en soll auch das Klimaschut­zkonzept des Dresdner Energiever­sorgers Sachsen-Energie bringen, das im Stadtrat bereits beschlosse­n wurde. Allerdings betont Jähnigen, dass die Umsetzung bis 2035 erreicht werden müsse, um die Ziele zu erreichen und nicht bis 2040, wie optional beschlosse­n. Dabei geht es unter anderem um den Ausbau der Fernwärme und vor allem die Dekarbonis­ierung, um ohne Treibhausg­as zu arbeiten. Sachsen-Energie verursacht rund 922.000 Tonnen CO2 pro Jahr, vor allem durch die Verbrennun­g von Erdgas in Heizkraftw­erken. Die Zahl soll bis 2035 auf etwa 350.000 Tonnen

gesenkt werden. Statt wie bisher vorgesehen 2045 müsste der Ausstoß deutlich zeitiger bei null sein.

Beim Thema Mobilität, das mit zu den größten Treibhausg­as-Verursache­rn gehört, verweist Projektlei­terin Hentschel auf den Mobilitäts­plan Dresden 2035+, der noch erarbeitet wird. Verkehrsbü­rgermeiste­r Stephan Kühn (Grüne) hat bereits erläutert, dass künftig deutlich weniger Autos mit Kraftstoff durch Dresden fahren werden und der Anteil am Fuß-, Rad- und öffentlich­en Nahverkehr deutlich steigen soll. Aber bei der Planung von Gebäuden, deren Energiever­sorgung, der Abfallwirt­schaft, Industriep­rozessen, bei der Landund Forstwirts­chaft und auch bei der Ernährung der Dresdnerin­nen und Dresdner und ihrem Konsumverh­alten könne Energie gespart werden.

? Wie sollen die Ziele in Dresden erreicht werden?

Mit dem Konzept wurde auch durchgerec­hnet, was eingespart werden kann. „Treibhausg­asneutrali­tät ist möglich“, so Bürgermeis­terin Jähnigen. Allerdings müssen dafür sämtliche Möglichkei­ten ausgeschöp­ft werden. Die Stadtverwa­ltung fange bei sich an und will das Ziel bis 2035 erreicht haben. So wird beispielsw­eise auf der JoynextAre­na eine Solarfolie ausprobier­t, das Klinikum hat ein eigenes Klimaschut­zmanagemen­t und es gibt ein Klima-Netzwerk der Dresdner Kultureinr­ichtungen.

„Wir sind aber auch auf andere ange

wiesen“, erläutert Jähnigen. So müssten die Industrie und alle Dresdnerin­nen und Dresdner mitmachen. Außerdem brauche es schnellere Genehmigun­gsverfahre­n beispielsw­eise beim Bau. Wer weiterhin nicht mit Fernwärme heizen kann, müsse seinen Bedarf zu großen Teilen aus Umgebungsw­ärme decken, also Luft-Wärmepumpe­n, Erdkollekt­oren oder Solartherm­ie.

Die Erzeugung der Energie muss vorwiegend lokal erfolgen, Wasserstof­f muss als Alternativ­e bis 2035 sauber und verfügbar sein. So könne der Treibhausg­asausstoß in Dresden bis 2035 auf deutlich unter einer Million Tonnen pro Jahr und danach weiter gesenkt werden. Völlig autark könne der Strombedar­f in Dresden nie werden. Aber mehr als ein Drittel des Stroms könne zukünftig durch lokale erneuerbar­e Energien erzeugt werden.

Das IEK setzt den Rahmen für den weg, wie Dresden treibhausn­eutral werden soll. Der Stadtrat soll über das Konzept möglichst bis zum Sommer entscheide­n. Werden gesteckte Zwischenzi­ele nicht erreicht, müsse umgedacht werden, so Jähnigen. „Wenn es an einer Stelle nicht klappt, muss an anderer Stelle mehr eingespart werden.“Wie viel die Umsetzung kostet, sei noch unklar. Allein bei der SachsenEne­rgie sind Investitio­nen von rund 1,5 Milliarden Euro notwendig. „Wir müssen die Infrastruk­tur umbauen, um die Versorgung aller Dresdnerin­nen und Dresdner mit bezahlbare­r Energie abzusicher­n“, macht Jähnigen deutlich.

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Foto: André Schulze Ähnlich wie in Uhsmannsdo­rf könnten Solarenerg­iefelder in Dresden entstehen. In Pillnitz wird das bereits getestet.

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