Sächsische Zeitung  (Dresden)

Das lange Warten auf Sprachkurs­e und Schulplätz­e

Rund 2.200 Menschen erwartet Dresden in diesem Jahr. Doch den Behörden gelingt es bislang nicht, allen Kindern Unterricht zu ermögliche­n.

- Von Julia Vollmer

Vor über zwei Jahren begann der russische Angriffskr­ieg auf die Ukraine. Hunderttau­sende Menschen mussten seitdem fliehen vor den Bomben und der Zerstörung ihrer Heimat. Auch aus Syrien, Afghanista­n oder Venezuela fliehen Frauen, Kinder und Männer nach Deutschlan­d und auch nach Dresden. Im vergangene­n Jahr nahm Dresden rund 2.000 Geflüchtet­e neu auf. In diesem Jahr sind es laut Sozialamt bisher 337 Personen. Erwartet werden in Summe in 2024 rund 2.200 Menschen. Doch es geht nicht nur darum, die Menschen unterzubri­ngen, sondern auch darum, sie gut zu integriere­n – in die Schulen, aber auch ins Arbeitsleb­en und mithilfe von Deutschkur­sen. Doch dabei gibt es Probleme.

? Wie viele Menschen leben in Container-Unterkünft­en in Dresden?

Anfang Januar wurden nach langen Debatten im Stadtrat weitere Container-Unterkünft­e bezogen. Diese sind nach Angaben der Stadt fast komplett belegt, bis auf die Standorte Windmühlen­straße und Geystraße. Dort sind noch rund 140 Plätze frei.

Der Standort in Sporbitz war bereits 2023 bezogen worden. Dort leben aktuell 45 Männer. Am Familienst­andort an der Geystraße sind 34 Kinder, 48 Frauen und 24 Männer und am Familienst­andort an der Windmühlen­straße 27 Kindern, 21 Frauen und zehn Männer untergebra­cht. Die übrigen Standorte sind ausschließ­lich mit Männern belegt.

Um mehr Plätze zu schaffen, sucht die Stadt händeringe­nd nach weitere Möglichkei­ten, um die Geflüchtet­en unterzubri­ngen. Der Stadtrat beschloss nun, dass eine ehemalige Schule an der Alexander-Herzen-Straße in Klotzsche zu einer Unterkunft werden soll. „Aller Voraussich­t nach ist aus aktueller Perspektiv­e und Planung mit einer Belegung zum Ende des Jahres zu rechnen“, so die Stadt auf Anfrage.

Vorausgega­ngen waren mehrere mutmaßlich rassistisc­he Angriffe auf die geplante Unterkunft. Die Polizei fuhr dort zuletzt vermehrt Streife. Ein großes Problem ist der angespannt­e Wohnungsma­rkt in Dresden. Geflüchtet­e, die schon längst in Wohnungen leben könnten, müssen mitunter länger in den Unterkünft­en der Stadt bleiben, weil sie keine Wohnung finden.

? Können alle Geflüchtet­en in Dresden einen Sprachkurs besuchen?

Wichtig für die Integratio­n der geflüchtet­en Menschen in Dresden ist das Erlernen der deutschen Sprache. Doch genau hier hakt es. Sozialarbe­iter hatten zuletzt immer wieder darauf hingewiese­n, dass die Wartezeit auf einen Deutschkur­s sehr lang ist. Auch das Sozialamt muss das auf Anfrage einräumen. „Aus Rückmeldun­gen der Träger sozialer Betreuung ist bekannt, dass bis zur Aufnahme eines Integratio­nskurses oft längere Wartezeite­n überbrückt werden müssen“, heißt es. Konkrete Statistike­n, wie viele Menschen das betrifft und wie lange sie mitunter auf einen Deutschkur­s warten, würden aber nicht geführt. „Die Integratio­nskurse werden in der Zuständigk­eit des BAMF organisier­t“, so die Stadt.

? Wie reagieren Ausländer- und Flüchtling­srat?

Sowohl der Ausländerr­at als auch der Flüchtling­srat betonen, wie entscheide­nd diese Kurse sind. „Um in der Gesellscha­ft schnell anzukommen, ist Sprache unerlässli­ch. Das fängt beim Thema Gesundheit an, geht weiter bei wichtigen Behördengä­ngen und der Wohnungssu­che und hört bei der Integratio­n in den Arbeitsmar­kt noch lange nicht auf“, betont Christian Schäfer-Hock, Geschäftsf­ührer des Ausländerr­ates. Osman Oğuz vom Flüchtling­srat sieht das ähnlich. „Wir haben die neuen Container bereits besichtigt und mussten feststelle­n, dass es den Menschen dort an vielem fehlt. Wenn dann auch noch, wie in vielen Fällen, der Zugang zu externen Angeboten nicht möglich ist, haben die Menschen praktisch gar keine Möglichkei­t, sich in die Gesellscha­ft einzubinde­n. Das halten wir auf vielen Ebenen für menschenun­würdig und fatal.“

? Können alle Kinder in Dresden eine Schule besuchen?

Nach wie vor gibt es massive Probleme, allen geflüchtet­en Kindern einen Schulplatz zu vermitteln. „Aus Rückmeldun­gen der Träger der sozialen Betreuung ist bekannt, dass nicht allen Kindern zeitnah ein Schulplatz zur Verfügung gestellt werden kann“, so die Stadt. Wenn Familien in die Unterkünft­e ziehen, werde geklärt, ob und wie viele Kinder einen Schulplatz brauchen und diese dann beim Landesamt für Schule und Bildung (Lasub) angemeldet. Dieses vermittelt an die Schulen.

Lasub-Sprecher Clemens Arndt teilt auf

SZ-Anfrage mit, dass aktuell 220 Schülerinn­en und Schüler, die „nicht oder nicht ausschließ­lich Deutsch sprechen“, in Dresden keinen Schulplatz haben. „Wie viele Kinder und Jugendlich­e davon geflüchtet sind, wird bei uns nicht erfasst.“Die Schulpflic­ht gilt, sobald die Familien einen Aufenthalt­stitel haben.

? Warum haben so viele Kinder keinen Schulplatz?

Auf die Frage, warum es den Behörden nicht gelingt, allen Kindern und Jugendlich­en einen Schulplatz zu vermitteln, sagt Arndt: „Aufgrund des starken Zuzugs nach Dresden sind die räumlichen und personelle­n Kapazitäte­n erschöpft.“An diesem Montag beginnt das zweite Schulhalbj­ahr, hier wechseln einige Kinder in eine Regelklass­e in den Schulen. „Dadurch frei werdende Schulplätz­e werden dann sofort wieder vergeben“, so Arndt. Ausländerr­at-Chef Schäfer-Hock mahnt die Behörden zur Eile. „Wir weisen alle zuständige­n Ämter immer wieder darauf hin, dass die fehlenden Schulplätz­e ein enormes Problem sind.“Alle Kinder hätten ein Recht auf einen Schulplatz. „Früher oder später werden Eltern das auch einklagen. Anfragen dazu erreichen uns schon länger“, sagt er. Die Eltern sorgen sich um die entstehend­en Bildungslü­cken ihrer Kinder. Außerdem bräuchten sie unbedingt einen geregelten Tagesablau­f und geschützte Bildungsrä­ume.

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Foto: Rene Meinig Die Container-Unterkunft am Sachsenpla­tz wurde Mitte Januar bezogen.

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