Auch ohne Streiks hat die Bahn keine Ruhe
Die GDL kann die Claus-WeselskyGedenkmedaille in Auftrag geben. Der scheidende Chef der Lokführergewerkschaft hat erreicht, was er und seine Gefolgschaft wollte: den Einstieg in die 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter.
Es ist ein Triumph mit Ansage. Zu groß war der Druck auf die Deutsche Bahn: durch rund 30 Tarifabschlüsse mit privaten Konkurrenten, durch genervte Öffentlichkeit, dreistellige Millionenverluste wegen Streikausfällen, gerichtliche Niederlagen. Brauchte es einen Beweis für Unfähigkeit der Bahnspitze auch auf diesem Gebiet, dann hat ihn dieser Konflikt geliefert. Sich der GDL-Kernforderung – weil „unbezahlbar“– monatelang verweigern, dann mit Scheinangeboten und Verbalattacken aufwarten und auf Justitia hoffen: Das musste schiefgehen. Letztlich ging es um Gesichtswahrung.
Natürlich ist Weselsky Interessenvertreter derer, die ihn gewählt haben: neben Lokführern auch Zugbegleiterinnen, Werkstattmitarbeiter und andere. Dass er den Job ernster nimmt als andere Mandatsträger, kann man ihm ebenso wenig vorwerfen, wie unsolidarisch zu sein.
Keine Streiks mehr, heißt nun nicht, dass alle Züge fahren. Schon gar nicht pünktlich. Die Baustelle Bahn bleibt – wie die Unruhe im Konzern. Wie reagieren die nicht profitierenden rund 90 Prozent der DB-Belegschaft? Sie sind, wenn überhaupt, bei der mitgliederstärkeren EVG organisiert. Die hatte ein sattes Lohnplus erkämpft, über kürzere Arbeitszeit aber gar nicht erst verhandelt. Und Nachschlag wird es laut Vertrag nicht geben.
Weselsky kann es egal sein. Er geht im Herbst in Rente. Die Bahnbosse irren, wenn sie glauben, dass es dann für sie leichter wird. Mit Mario Reiß steht ein ebenso selbstbewusster Nachfolger bereit. Er weiß als Ex-Konzernaufsichtsrat, wie die Chefs ticken. Und auch er ist Sachse.