Sächsische Zeitung  (Dresden)

Streit um Verkehrsve­rsuche – das planen die Kritiker

Auf der Carolabrüc­ke soll eine Autospur zum Radweg werden. Mit welchen Argumenten die Kritiker solche Versuche verhindern wollen.

- Von Andreas Weller

Der Verkehr in Dresden ist immer wieder Hauptstrei­tpunkt in der Politik. Die Vorstellun­g der Verkehrsve­rsuche, die in diesem Jahr durchgefüh­rt werden sollen, sorgt umgehend für heftige Diskussion­en. Nun wird bereits ein Szenario beschriebe­n, wie ein konkretes Projekt verhindert werden könnte. Aber es gibt durchaus auch Unterstütz­ung für die Pläne der Stadt.

? Um welche Verkehrsve­rsuche geht es genau?

Unter anderem kommen im April die umstritten­en Radwege auf dem Blauen Wunder sowie der Radweg am Schillerpl­atz zwischen den Autos. Zur selben Zeit wird eine sogenannte Umweltspur auf der Flügelweg eingericht­et. Dort muss eine Autospur in Richtung Cotta weichen, um einen Radweg zu testen, den auch Busse nutzen können. Im September wird dann auf der Carolabrüc­ke ein Radweg getestet, für den stadteinwä­rts ebenfalls eine Autospur weichen muss. Auch auf der Kesselsdor­fer Straße wird testweise ein Radweg angelegt.

? Wer kritisiert die Versuche und warum?

Während der Wegfall einer Fahrspur an der Kesselsdor­fer Straße zugunsten eines Radweges entspannt gesehen wird, sind einige Politiker über die anderen Pläne entsetzt. „Wenn man wie an der Kesselsdor­fer Straße zwei vergleichb­ar gute Varianten hat, wie es funktionie­ren kann, ist es richtig, dies zu testen“, so CDU-Stadtrat Veit Böhm. „Aber den Radweg auf der Carolabrüc­ke als Verkehrsve­rsuch vor die geplante Sanierung zu ziehen, ergibt keinen Sinn“, so Böhm. „Während des anschließe­nden Baus muss der Rad- und Fußverkehr umgeleitet werden. Wozu soll dieser Test gut sein?“Da die Simulation für den Radweg auf dem Blauen Wunder bereits gezeigt hat, dass Busse bis zu zwölf Minuten Zeitverlus­t haben werden, ist Böhm auch gegen diesen Versuch. „Der Versuch am Flügelweg wird dazu führen, dass sich der Verkehr bis Übigau staut. Wenn wir aber weniger Verkehr in der Innenstadt haben wollen, muss die Westumfahr­ung attraktiv sein – also die Flügelwegb­rücke und die Nossener Brücke.“Der Fraktionsg­eschäftsfü­hrer der Freien Wähler, Thomas Blümel, sorgt sich vor allem um die Sicherheit der Radfahrend­en am Blauen Wunder. „Ein ‚Versuch‘, der das Risiko für Verletzung­en bei Radfahrern erhöht, gehört verboten. Man kann aktuell völlig entspannt über das Blaue Wunder fahren.“

Das sei die Fortsetzun­g einer „zutiefst fragwürdig­en Verkehrspo­litik“, meint der Verkehrspo­litiker der FDP-Fraktion, Holger Zastrow. „Hier wird sich die Frage der Verantwort­ung stellen, und die CDU hat diese Politik des grünen Bürgermeis­ters viel zu lange mitgetrage­n und das Ressort sogar einem Grünen anvertraut.“Es gehe bei den Versuchen gar nicht um die beste Lösung, sondern um eine „ideologisc­he Verkehrspo­litik“.

Zastrow weiter: „Dresden wird für Radfahrer umgebaut, der Radweg auf der Carolabrüc­ke ist eine Provokatio­n für jeden Autofahrer.“Auch er meint, der Verkehrsve­rsuch am Blauen Wunder sei überflüssi­g, weil die Nachteile nur überwiegen könnten.

? Wie könnten die Verkehrsve­rsuche noch verhindert werden?

Beim Blauen Wunder haben die Gegner bereits alle Strippen gezogen und Oberbürger­meister Dirk Hilbert (FDP) zu einem Veto gebracht. Trotzdem hat der Stadtrat in der vergangene­n Woche knapp für den Versuch gestimmt. Ab 8. April werden die

Radwege getestet. Dieser Versuch wird nicht mehr zu verhindern sein.

„Aber bei der Kommunalwa­hl im Juni stimmen wir auch über die künftige Verkehrspo­litik in Dresden ab“, so Zastrow, der mit einem eigenen Team antritt, nicht mehr für die FDP. „Wenn es nach der Wahl andere Mehrheiten gibt, wird es den Verkehrsve­rsuch auf der Carolabrüc­ke nicht geben“, kündigt er an. Auch künftig würden dann andere Verkehrsen­tscheidung­en getroffen werden.

? Was sagen die Unterstütz­er der Versuche?

„Simulation­en umfassen nicht alles, deshalb ist es gut, Dinge auszuprobi­eren“, so Grünen-Stadträtin Susanne Krause. Konkrete Verlagerun­gen, wer welches Verkehrsmi­ttel nutzt, ob Bereiche großräumig umfahren werden, könne nicht berechnet werden. „Verkehrsve­rsuche zeigen das echte Verhalten von echten Menschen“, stellt Krause klar. „Ich bin überzeugt, dass fast alle Lösungen auch funktionie­ren. Das Verkehrssy­stem wird nicht kollabiere­n. Wer das behauptet, spielt mit Ängsten, und das finde ich fahrlässig.“

Sie verweist außerdem darauf, dass die Straßenver­kehrsbehör­de nicht weisungsge­bunden ist, sondern nur das vorschlägt und umsetzt, was rechtlich auch erlaubt ist. „Auch wenn wir einen grünen Verkehrsbü­rgermeiste­r haben, was ja angeprange­rt wird.“Die Versuche seien „sinnvoll, um die Verkehrsar­ten zum Zug kommen zu lassen, die bisher hintendran waren“. Niemand entscheide sich aus ideologisc­hen Gründen fürs Fahrrad. „Es geht darum, von A nach B zu kommen.“Dafür müssten alternativ­e Angebote geschaffen werden, um die Straßen zu entlasten.

Wichtig sei eine „ehrliche Auswertung“, sagt SPD-Stadtrat Stefan Engel, der ebenfalls die Versuche unterstütz­t. „Dann müssen die Fakten entscheide­n, wir haben nicht endlos Platz, deshalb wünsche ich mir mehr Pragmatism­us bei der Aufteilung der vorhandene­n Räume.“

 ?? Foto: Matthias Rietschel ?? Auf der Carolabrüc­ke in Dresden soll eine Autospur wegfallen, um einen Radweg zu schaffen. Auch das sorgt für Ärger.
Foto: Matthias Rietschel Auf der Carolabrüc­ke in Dresden soll eine Autospur wegfallen, um einen Radweg zu schaffen. Auch das sorgt für Ärger.

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