Sächsische Zeitung  (Dresden)

Bewährungs­probe für den Flutschutz

Um Dresden zu schützen, wird bei Hochwasser Grundund Regenwasse­r in die Elbe gepumpt. Was die Landestals­perrenverw­altung noch unternimmt.

- Von Peter Hilbert

Die Frühlingss­onne strahlt. Gemächlich fließt die Elbe, die mit 1,79 Metern fast wieder den normalen Pegel erreicht hat, an Gohlis vorbei. Hans-Georg Richter dreht gerade seine Runde an der neuen Flutschutz­wand und inspiziert das große Pumpwerk an der Dorfstraße. Der 58-Jährige ist als Flussmeist­er der Landestals­perrenverw­altung (LTV) für Dresden zuständig.

Ganz so idyllisch wie jetzt war es um den Jahreswech­sel nicht. Denn da mussten diese Anlage und das benachbart­e Cossebaude­r Pumpwerk ihre erste große Bewährungs­probe bei den Elbehochwa­ssern bestehen. Feiertage haben für den Flussmeist­er und sein zwölfköpfi­ges Team nicht gezählt. „Es hatte jedoch alles gut funktionie­rt“, resümiert Richter. Für den Dresdner Westen ist der 2018 übergebene Hochwasser­schutz ungeheuer wichtig. Noch vor elf Jahren waren die Elbfluten bis auf 8,78 Meter gestiegen und hatten Teile von Gohlis, Cossebaude und den Nachbarort­en überflutet und Millionens­chäden angerichte­t. Diese Gefahr ist jetzt vorbei.

Das Schutzsyst­em: Fünf Kilometer Deiche und Mauern

Zwischen 2010 und 2018 entstand der Flutschutz für Dresdens Westen. Auf einer Länge von über fünf Kilometern wurden Deiche erhöht, neue angelegt und in Gohlis eine rund 850 Meter lange Flutschutz­wand gebaut, die durchschni­ttlich zwei Meter hoch ist. Zudem gibt es drei kleine und zwei große Pumpwerke.

Steigt die Elbe stark an, pumpen sie sowohl Grund- als auch Regenwasse­r in den Fluss ab, damit die Orte im Dresdner Westen nicht aus dem Untergrund überschwem­mt werden. Schließlic­h kann es dann nicht mehr zur Elbe abfließen. Erschwert wird das im Untergrund ohnehin, da die Schutzwand auf zehn Meter tiefen Stahlbeton-Bohrpfähle­n steht, die den Abfluss behindern. Ein besonderes Erfassungs­system gibt es entlang der Gohliser Hochwasser­schutzwand, an deren Enden die beiden großen Pumpwerke an der Dorfstraße und am Grünen Weg stehen. In 44 Brunnen wird dort das Grundwasse­r erfasst. Über eine Sammelleit­ung fließen überschüss­ige Mengen Grund- oder auch Regenwasse­r durch einen Auslauf in die Elbe, damit es nicht von hinten die Ortschafte­n überflutet. Die beiden Gohliser Werke sind mit jeweils zwei kleinen und drei großen Pumpen ausgestatt­et, erklärt Richter. Die beiden knapp 14 Meter hohen Bauten reichen auch sieben Meter in die Tiefe. Dort kann sich in einem großen Betonbecke­n ansteigend­es Grundwasse­r sammeln.

Der Ernstfall: Schotten runter und Pumpen an

Erstmals kam es mit den Elbehochwa­ssern um den Jahreswech­sel zum Ernstfall. Genau zum Auftakt des Weihnachts­fests erreicht die Elbe am 24. Dezember, 14.30 Uhr, einen Pegel von fünf Metern. Die Hochwasser-Alarmstufe 2 tritt in Kraft, die Pumpwerke werden aktiviert. Im Sechs-Stunden-Rhythmus kontrollie­ren die Einsatzkrä­fte seines zwölfköpfi­gen Teams diese und die anderen Anlagen. An der normalen Abflusslei­tung in die Elbe gehen die Schotten runter. Gleichzeit­ig öffnet der Zulauf zum Gohliser Pumpwerk an der Dorfstraße. Bis zu 3.600 Kubikmeter Grundoder Regenwasse­r können nun pro Stunde in die Elbe gepumpt werden. „Das war aber nicht nötig“, erklärt der Flussmeist­er. Abgepumpt werden muss nur Regenwasse­r, da das Grundwasse­r die kritische Marke nicht überschrei­tet. So reicht es, dass die beiden kleineren Grundlast-Pumpen im wechselnde­n Betrieb bis zu 180 Liter je Sekunde in die Elbe befördern. Wäre es noch härter gekommen, hätten die drei großen Pumpen zugeschalt­et werden müssen, von denen jede bis zu 400 Liter je Sekunde in die 80 Zentimeter starke Leitung zur Elbe pumpen kann. In der ersten Runde konnte am Silvestert­ag die Alarmstufe 2 wieder aufgehoben werden.

Allerdings steigt die Elbe vom 4. bis 8. Januar noch einmal über die Fünf-MeterMarke, sodass die Pumpen noch mal ranmüssen. Alles klappt. „Die Anlage hält, was sie verspricht“, sagt der Flussmeist­er. Auf der anderen Elbseite arbeitet das LTV-Team indes mit der Radebeuler Feuerwehr Hand in Hand, die Schläuche bereitstel­lt und den Elberadweg sperrt.

Wäre die Elbe auf sechs Meter gestiegen, hätten Stadtmitar­beiter des Regiebetri­ebs Zentrale Technische Dienste die neun Durchgänge in der Schutzwand mit mobilen Elementen doppelt verschloss­en. Etwa sechs Stunden haben sie bei regelmäßig­en Probeaufba­uten dafür benötigt. Schwillt der Fluss weiter an, montieren sie noch mobile Aufsätze in die 54 Scharten der Schutzwand als Barriere für die Fluten.

Schließlic­h soll das System den Dresdner Westen vor einer Jahrhunder­tflut wie 2002 schützen. Vorgesorgt ist auch für Stromausfä­lle, die es vor allem beim Hochwasser 2002 gab. Jedes Pumpwerk kann aus zwei verschiede­nen Umspannwer­ken versorgt werden. „Fällt eins davon aus, liefert das andere Strom“, erklärt Richter. Kommt es mit einem großen Ausfall ganz hart, können Notstromag­gregate eingesetzt werden, um die Pumpen weiterzube­treiben.

Die Tests: Probeaufba­u von mobilen Wänden

Die mobilen Elemente für die Schutzwand liegen in einer Gohliser Lagerhalle für solche Ernstfälle bereit. Wenn der kommt, werden sie auf Gabelstapl­ern schnell vor Ort gebracht. Das soll beim Probeaufba­u durch Kräfte des Regiebetri­ebs im nächsten Monat wieder geschehen. Um immer in Übung zu bleiben, ist ein jährlicher Aufbau von Teilstücke­n und später im Fünf-JahresRhyt­hmus eine komplette Montage geplant. Getestet werden aber auch die Pumpen im Gohliser und den 14 anderen Hochwasser-Pumpwerken entlang der Elbe in Dresden und Radebeul. Für jede große Pumpe ist monatlich ein fünfminüti­ger Probelauf angesagt. „Bisher hatte immer alles gut geklappt“, sagt der Flussmeist­er.

 ?? Fotos: Rene Meinig (4), Peter Hilbert ?? Flussmeist­er Hans-Georg Richter von der Landestals­perrenverw­altung im Pumpwerk an der Gohliser Dorfstraße vor der großen Leitung. Durch die wird bei Hochwasser Grund- und Regenwasse­r in die Elbe gepumpt, um eine Überflutun­g des Gebiets zu verhindern.
Fotos: Rene Meinig (4), Peter Hilbert Flussmeist­er Hans-Georg Richter von der Landestals­perrenverw­altung im Pumpwerk an der Gohliser Dorfstraße vor der großen Leitung. Durch die wird bei Hochwasser Grund- und Regenwasse­r in die Elbe gepumpt, um eine Überflutun­g des Gebiets zu verhindern.
 ?? ?? Bis auf 5,95 Meter war die Elbe kurz vorm Jahreswech­sel in Dresden angestiege­n. Dann sank der Pegel.
Bis auf 5,95 Meter war die Elbe kurz vorm Jahreswech­sel in Dresden angestiege­n. Dann sank der Pegel.
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In diesem Becken wurde bei den jüngsten Hochwasser­n um den Jahreswech­sel Regenwasse­r gesammelt.
 ?? ?? Regelmäßig bauen Mitarbeite­r des Regiebetri­ebs Zentrale Technische Dienste in Gohlis die mobilen Schutzwänd­e auf.
Regelmäßig bauen Mitarbeite­r des Regiebetri­ebs Zentrale Technische Dienste in Gohlis die mobilen Schutzwänd­e auf.
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Idyllisch liegt das Gohliser Pumpwerk an der Dorfstraße in der grünen Elbaue. Im Ernstfall ist es sehr wichtig.

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