Sächsische Zeitung  (Dresden)

Warum Jens Genschmar nun in den Landtag will

Mit Jens Genschmar und Torsten Nitzsche wollen zwei Dresdner Politiker als Direktkand­idaten in den Sächsische­n Landtag. Was sie antreibt.

-

Die Landeshaup­tstadt erwartet 2024 ein echtes Superwahlj­ahr: Anfang Juni findet die Kommunalwa­hl statt, im September folgt die Landtagswa­hl. Jens Genschmar und Torsten Nitzsche, beide sitzen bereits für die Freien Wähler im Stadtrat, wollen dann sowohl im Stadtrat wiedergewä­hlt werden als auch im Herbst als parteilose Direktkand­idaten in den Landtag einziehen. Was motiviert beide, gegen wen treten sie an und wie sind ihre Chancen? Egal ob Lugturm, Dynamo Dresden oder seine Arbeit zuerst als FDP-Stadtrat und später als parteilose­r Stadtrat der Freien Wähler: Jens Genschmar ist bekannt in Dresden. Viele Jahre war er eines der Gesichter der Dresdner FDP, 2019 flog er zusammen mit Barbara Lässig aus der Partei. Genschmar behauptete damals, dass Menschen, deren Religion der Islam ist, in der „Mehrzahl“zu „Terroriste­n“erzogen würden.

Über die Jahre betrieb Genschmar einen eigentümli­chen Mix aus einer engagierte­n Kommunalpo­litik, einem wahrnehmba­ren Einsatz für Geflüchtet­e – während der Asylkrise 2015 hatte er eine Patenschaf­t für eine libysche Familie übernommen, einer konservati­ven Politik im Stadtrat

und permanente­n Bezügen zu Rechtsauße­n im Netz. Dort provoziert­e er gern, sprach mit Blick auf ein sich verändernd­es Berlin beispielsw­eise vom „ehemaligen Berlin“, forderte die Nennung der Vornamen der Täter bei Gewalttate­n.

Mittlerwei­le ist Genschmar Fraktionsc­hef der Freien Wähler/Freien Bürger im Stadtrat – und Traditions­beauftragt­er bei Dynamo Dresden. In seinen Reden im Stadtrat provoziert Genschmar kaum noch, auch auf Facebook dominiert seit Monaten Unverfängl­iches vor allem rund um Dynamo Dresden. Weithin beachtet ist das Engagement von Jens Genschmar und

seiner Frau auf dem Lugturm. Der lag viele Jahre lang brach. Die Familie entwickelt ihn, trotz vieler Rückschläg­e, zum extrem beliebten Ausflugsor­t.

Dass Jens Genschmar jetzt in die Landespoli­tik will, hängt ebenfalls mit dem Lugturm zusammen. „Eigentlich fing alles am Lugturm an, nahezu jeder, der mich dort besucht, spiegelt es mir: Wir gehen am Bürokratis­mus kaputt. Ich alleine könnte tausend Beispiele nennen“, sagt er. So habe Genschmar für 8.000 Euro ein Artenschut­zgutachten anfertigen lassen. „Obwohl keine Fledermäus­e gefunden wurden, müssen wir Nistkästen aufhängen, es könnten ja welche kommen.“Vereine würden Sportveran­staltungen absagen, weil sie die Bürokratie nicht mehr stemmen könnten. „Das war für mich das Zeichen zu sagen: Ganz normale Bürger dürfen nicht ihr Engagement aufgeben, weil sie am Bürokratis­mus scheitern. Das wird mein Hauptthema.“Genschmar will zusammen mit seiner Frau weiterhin den Lugturm betreiben und bei Dynamo Traditions­beauftragt­er sein. „Dynamo liegt mir ohnehin im Blut.“Sein Stadtratsm­andat sei zudem wichtiger als ein Einzug in den Landtag.

Genschmar tritt im Wahlkreis 43 (Prohlis und Seidnitz) an. Dort hat die AfD André Wendt aufgestell­t, für die CDU tritt Frank Kromer an. „Ich bin realistisc­h: Bei der aktuellen Lage, da muss ich mich strecken, um das Direktmand­at zu erzielen. Es reicht nicht, dass man schon mal in der Zeitung stand.“Chancen rechnet sich Genschmar dennoch aus. „Wenn Dynamo gegen die Bayern antritt, dann spielen wir auch auf Sieg.“In derselben Stadtratsf­raktion ist Torsten Nitzsche. In den vergangene­n fünf Jahren dort hat er enorm an Profil gewonnen. Das liegt zum einen daran, dass der Lehrer für die Bereiche Stadtentwi­cklung, Verkehr, Soziales und Bildung zuständig ist. Jeder einzelne Bereich davon wird in größeren Fraktionen oft durch einen Stadtrat besetzt.

Überall hat sich der Parteilose eingearbei­tet, hält für seine Fraktion den Kontakt auch zu Linken und Grünen, gilt generell als gut vernetzt. Dass sein Bekannthei­tsgrad dennoch nicht an den von Jens Genschmar heranreich­t, hält er für verschmerz­bar. „Ich trete in einem Wahlbezirk an, in dem es keinen Platzhirsc­h gibt. Meine Chancen zu gewinnen sind realistisc­h. Egal ob beim Vereinsfes­t oder mit meinen Bürgerspre­chstunden. Ich bin vor Ort präsent“, sagt Nitzsche. Stellen muss er sich im Wahlkreis 46 (unter anderem Cotta und Altfranken) zum Beispiel Stadtrat Matthias Rentzsch von der AfD und CDU-Kandidat Felix Hitzig.

Schwerpunk­t im Wahlkampf soll für den Lehrer Torsten Nitzsche Bildungspo­litik sein. „In Gorbitz gibt es Schulen mit einem sehr hohen Anteil an Migranten, da muss man bei den Lehrern die Voraussetz­ung schaffen, dass darauf eingegange­n werden kann.“Nitzsche will zudem mehr Bürgerbete­iligung und mehr Volksentsc­heide. „Wenn man die Hürden senkt, steigt das Interesse an Politik.“

Laut Nitzsche muss sich zudem das Wahlgesetz ändern, „um den Parteien etwas Macht zu nehmen“. Aktuell legen die Parteien auf Landeseben­e fest, welcher Politiker auf welchem Platz der Landeslist­e steht. Die Liste wird gewählt. Im Stadtrat werden zwar ebenfalls Listen aufgestell­t. Der Wähler hat aber die Möglichkei­t, auch weiter hinten auf der Liste stehende Kandidaten zu wählen. Die Reihenfolg­e ist nicht entscheide­nd. Wichtig sei generell, sich einzubring­en. „Ich sage meinen Schülern immer, die sollen sich engagieren, egal ob im Sportverei­n oder bei der Feuerwehr, Hauptsache nicht immer zu Hause sitzen und zocken. Meine Schüler sollen sehen, dass ich es probiere – im Stadtrat und im Landtag.“

 ?? Foto: Matthias Rietschel ?? Wollen als Direktkand­idaten für die Freien Wähler in den Sächsische­n Landtag einziehen: Jens Genschmar (l.) und Torsten Nitzsche.
Foto: Matthias Rietschel Wollen als Direktkand­idaten für die Freien Wähler in den Sächsische­n Landtag einziehen: Jens Genschmar (l.) und Torsten Nitzsche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany