Sächsische Zeitung  (Dresden)

Texanerin in Trouble

Eine 70-Jährige aus den USA soll ihre Mutter in Dresden bestohlen haben. Es ist ein seltener Fall.

- Von Alexander Schneider

Es war Anfang der 90er-Jahre, als eine heute 70-jährige Hessin nach Texas/USA zog. Heute hat sie daher manchmal Probleme, ein entspreche­ndes deutsches Wort zu finden. Etwa für „Trouble“– Ärger. Von diesem allerdings hatte sie einigen. Am Dienstag hatte die Texanerin einen ungewöhnli­chen Termin am Amtsgerich­t Dresden – als Angeklagte. Es geht um einen Strafbefeh­l wegen Diebstahls. Im Mai 2022 soll die rüstige Frau eine Geldkasset­te mit 30.000 Euro aus der Wohnung ihrer Mutter in Dresden gestohlen haben, so der Vorwurf. Weil sie die Geldstrafe von 3.600 Euro nicht akzeptiert­e, saß sie nun vor Richter Jochen Meißner: „Ich will aussagen“, sagte sie.

Ihren hessischen Akzent kann die geborene Frankfurte­rin dabei nicht verheimlic­hen. Es sei ein längerer Aufenthalt gewesen, weil ihr Vater Ostern 2022 verstorben sei. Die ersten Tage habe sie wie immer in einem Hotel übernachte­t, um ihre betagten Eltern nicht zu belasten. Sie sei am Gründonner­stag gekommen, da habe ihr Vater noch gelebt. Nach Ostern habe sie drei Wochen in der elterliche­n Wohnung gewohnt. „Sie war immer bei mir, ich habe neben ihr geschlafen“, berichtete die Angeklagte. Einen Tag nach der Beerdigung sei sie zurück nach Texas geflogen.

Von dort habe sie ihre Mutter angerufen, um zu sagen, dass sie gut angekommen sei: „Ja, und mein ganzes Geld hast Du auch mitgenomme­n“, habe ihre Mutter erwidert. Die 89-Jährige sei krank. Demenz. Die Ärzte hätten einen Haufen Adressen hinterlass­en, „wo wir hinsollen. Aber Mutter sagt: Sie braucht das nicht.“

Zweimal im Jahr sei sie in Dresden, um sich um ihre Mutter zu kümmern, die bis heute alleine lebe. Derzeit suche sie einen Platz für die Frau. Zum Vermögen ihrer Eltern könne sie nichts sagen. Das habe sie nie interessie­rt. Auch von der Kassette habe sie nichts gewusst. Ein Anwalt habe ihr 2023 jeden Kontakt mit ihrer Mutter untersagt, da habe sie nicht mehr angerufen. Anfang 2024 habe sich die Mutter gemeldet, über ihre Einsamkeit geklagt. Seitdem sprechen die Frauen wieder miteinande­r. Auf Nachfrage des Richters fiel der Angeklagte­n ein, dass die Geldkasset­te im November 2023 angeblich aufgetauch­t sei. Das habe ihre Mutter erzählt, sie hätte aber nicht gesagt, wie viel Geld sich darin befunden habe: „Das weiß sie nicht mehr.“

Als der Richter bei der Vernehmung der Mutter den Betrag von 30.000 Euro nannte, reagierte sie überrascht, konnte keine Frage beantworte­n. Ja, sie hätte „ein bisschen Geld zu Hause gehabt, 500 Euro, so etwa?“Erst jetzt habe sie die Kassette gesehen, kurz bevor ihre Tochter kam. „Die Kassette soll verschwund­en sein“, sagte Meißner. „Das weiß ich auch nicht mehr“, antwortete die Mutter. Meißner brach die Vernehmung mangels Erfolgsaus­sicht ab. Die Staatsanwä­ltin lehnte eine Einstellun­g ab, der Betrag sei zu hoch. Sie sehe aber den Vorwurf nicht bestätigt. So kam es auch. Richter Meißner sprach die Angeklagte frei: „Die Kosten und notwendige­n Auslagen trägt die Staatskass­e“.

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