Pirat verlässt Dissidenten-Fraktion nach Eklat um Satire-Politiker
Stadtrat Max Aschenbach verhilft einem CDU-Antrag zur Mehrheit. Dadurch verliert Dresden den Status als „Sicherer Hafen“. Martin Schulte-Wissermann zieht nun die Konsequenzen.
Martin Schulte-Wissermann verlässt die Dissidenten-Fraktion im Dresdner Stadtrat. Das teilte das Mitglied der PiratenPartei am Donnerstag mit. Er reagiert damit auf einen Eklat im Dresdner Stadtrat, den die Dissidenten-Fraktion ausgelöst hat.
Mit seiner Stimme hatte Fraktionskollege Max Aschenbach dem Antrag, dass Dresden nicht mehr als „Sicherer Hafen“für Geflüchtete gelten soll, zu einer Mehrheit verholfen. Damit stimmte der Satire-Politiker (Die Partei) nicht nur überraschenderweise für den CDU-Vorschlag zur Aufhebung des Beschlusses, sondern auch gegen seine Dissidenten-Fraktion. Zur Begründung sagte er, der „Sichere Hafen“sei ein „Bekenntnis zur Nächstenliebe. Doch das passe nicht zu Dresden.“Seine Botschaft sei: „Meidet diese verkommene Stadt.“
Martin Schulte-Wissermann erklärte, die Ereignisse der vergangenen Ratssitzung hätten „eine rote Linie überschritten“. Er wolle nun seine politische Freiheit zurückerhalten. Es gibt noch weitere Gründe für seine Entscheidung, unter anderem die Debatte über die neue Wahlplattform „Dissident:innen“. Im Zuge des Wahlkampfes gründeten die Dissidenten-Stadträte Johannes Lichdi und Michael Schmelich diese Plattform. Ziel ist es, mit dieser bei den Kommunalwahlen im Juni anzutreten. Die Namensähnlichkeit zur Fraktion sowie die personelle Überschneidung bei Dissidenten und „Dissident:innen“führe, so Schulte-Wissermann, seit deren Gründung zu „viel Verwirrung“. Er sieht das kritisch. „Seit Monaten sind wir Piraten damit beschäftigt, diesen Irrtum immer wieder aufzulösen. Das nimmt uns viel Zeit, auch und vor allem, weil die Dissident:innen in einigen Punkten leider zu uns entgegengesetzte Positionen einnehmen.“Er nennt als Beispiele die Diskussion über Globus in der Friedrichstadt, den Ausbau der Königsbrücker Straße oder die Fuß-/Radbrücke zwischen Pieschen und dem Ostragehege.
Nach dem Eklat um Aschenbach hatte die Wahlplattform die Existenz der Fraktion infrage gestellt und eine Entscheidung für diesen Donnerstag angekündigt. Schulte-Wissermann wolle aber nicht abwarten, was jemand anderes für ihn entscheidet. „Ich werde nun nicht wie der Hase vor der
Schlange still warten, ob irgendeine Wählervereinigung darüber bestimmt, ob ich morgen noch Teil einer Fraktion bin“, sagt er. Die Zeit in der Fraktion sei schön gewesen, aber nun hätten die „Dresdner Wähler:innen ein Recht darauf, nicht verwirrt oder hinters Licht geführt zu werden.“
Lichdi sagt, er könne das nur zur Kenntnis nehmen. Durch den Austritt verlieren die Dissidenten ihren Fraktionsstatus, weil sie nicht mehr die nötige Anzahl von mindestens vier Personen umfasst.
Gleich zwei Stadtratsentscheidungen in Dresden hatten in der vergangenen Woche für einen Eklat gesorgt. Neben der Debatte über den Status der Stadt als Sicherer Hafen ging es um einen AfD-Antrag zur Bezahlkarte. Dem AfD-Antrag hatten CDU und FDP zugestimmt.
Gegründet hatte sich die DissidentenFraktion im Frühling 2021. Damals hatten Schmelich und Lichdi nach jahrelangen Streitigkeiten die Grünen-Fraktion verlassen. Mit Schulte-Wissermann und Aschenbach gründeten beide die neue Dissidenten-Fraktion. Aschenbach sorgte mit seinen Aktionen in den vergangenen Jahren immer wieder für heftige Diskussionen. Auf seine Initiative hin beschloss der Dresdner Stadtrat beispielsweise einen „Nazinotstand“. Er bot Stadtrat Holger Zastrow für jeden wegfallenden Parkplatz in der Stadt „einen öffentlichen Blowjob“an.
Aschenbach sagt, der „Unsichere Hafen“habe bestehende Konflikte in der Fraktion „nur aufbrechen“lassen. „Für mich bedeutet es das Ende einer sehr lehrreichen, mitunter schmerzhaften Erfahrung. So tiefe Einblicke in den politischen Betrieb, ob formal durch die Ausschussteilnahme oder durch die grünen Politopas, hätte ich fraktionslos nie erhalten, aber es ist auch schön, dass es vorbei ist.“
Die Auflösung der Dissidenten-Fraktion bedeutet auch, dass vier feste Mitarbeiter und zwei Personen im Minijob ihre Anstellung verlieren. Ohne Fraktion gibt es kein Geld und keinen Raum. Die vier bisherigen Dissidenten sind fraktionslose Stadträte und haben auch keinen Sitz mehr in den Ausschüssen, die die Entscheidungen in Dresden vorberaten. Einige Entscheidungen werden auch in den Ausschüssen getroffen. Der Sitz, den die Dissidenten in den Ausschüssen hatten, geht an eine andere Fraktion. In der jetzigen Konstellation, mit 16 Sitzen pro Ausschuss und dem angewendeten Verteilverfahren, würde das bedeuten, dass gelost werden müsste, ob die Linke einen dritten Sitz erhält oder die Freie Wähler/Freie Bürger-Fraktion einen zweiten. Das ist aber laut Hauptsatzung ausgeschlossen. Also muss die Verwaltung einen Vorschlag machen.