Neue Forderung: Ein Tunnel als „denkbare Lösung“
Bereits eine Fahrspur weniger am Schillerplatz sorgt für Staus rund um das Blaue Wunder. Zudem gibt es Zweifel an dessen Haltbarkeit. Nun kommt wieder eine Tunnel-Lösung ins Gespräch.
Seit vergangener Woche Montag führen im Rahmen eines Verkehrsversuches erstmals Radwege über das Blaue Wunder. Um diese Radwege am Schillerplatz anzubinden, ist dort eine von drei Fahrspuren entfallen. Die Folge sind deutlich wahrnehmbare Staus. Diese waren am ersten Montagmorgen des Verkehrsversuches extrem lang, in der Folgezeit entspannte sich die Lage etwas. Dennoch wird über einen Abbruch des Verkehrsversuches diskutiert. In dieser Situation liegt jetzt eine neue – und gleichzeitig alte – Variante auf dem Tisch.
2016 ist Andreas Ueberbach in die SPD eingetreten. Nach einigen Jahren als einfaches Mitglied ist er nun seit anderthalb Jahren Ortsvereinsvorsitzender der SPD Elbhang/Hochland. „Das Blaue Wunder war in der ganzen Zeit Thema. Gleich am Anfang wurde mir gesagt, wie wichtig das Thema hier ist“, erinnert sich der 57-Jährige. Vor allem die vergangenen Tage haben erneut gezeigt, wie sensibel das Blaue Wunder in Dresden ist. Sensibel zum einen hinsichtlich des Verkehrs. Bereits kleine Veränderungen, wie der Wegfall einer Abbiegespur am Schillerplatz sorgen für teils enorme Staus – nicht nur rund um das Blaue Wunder, sondern auch auf den potenziellen Umfahrungsstrecken. Weil unklar ist, wie lange die Brücke überhaupt noch genutzt werden kann, gibt es immer wieder neue Diskussionen über einen Ersatz.
Zudem ist das Blaue Wunder eines der Wahrzeichen der Stadt. Mit enormer Emotionalität kämpfen sowohl Befürworter als auch Gegner des aktuellen Verkehrsversuches, zum Beispiel mit Petitionen und Eilanträgen im Rat, um die Deutungshoheit an der Brücke.
Mit deutlich spürbarer Vorsicht erklärt Ueberbach, im Hauptberuf neben der Politik eigentlich Richter am Oberlandesgericht, vor diesem Hintergrund das Ansinnen seines Ortsverbandes. „Es ist eng am Blauen Wunder. Der Platz reicht offensichtlich nicht aus, um auf beiden Seiten Radwege einzubinden. Da zum Bauen in die Breite kein Platz besteht, wäre ein großer Tunnel oder mehrere kleine Tunnelzufahrten zum Beispiel nur am Schillerplatz doch eine denkbare Lösung“.
Der Stadtteil-Politiker weiß: „Was wir anregen, hört sich sehr mutig an. Aber andere Städte machen es auch, wir sind die Landeshauptstadt, wir leben vom Tourismus, die Menschen müssen von A nach B kommen.“Mit Blick zum Beispiel auf den Bramschtunnel wünscht sich Ueberbach, dass in Dresden auch wieder scheinbar zu große Projekte angegangen werden. „Wir sollten einen Tunnel nicht als zu große Lösung vorn vorne herein ausklammern.“Konkret beschlossen wurde: „Der Ortsverein befürwortet mit Perspektive auf 2040 den Wegfall des motorisierten Individualverkehrs am Schillerplatz in Kombination mit einer Tunnel-Lösung.“
Über diesen Beschluss wollen die Elbhang-Genossen jetzt zum einen informell an die SPD-Stadtratsfraktion berichten. Formell wird der Vorschlag jetzt der Dresdner SPD zum Beschluss vorgeschlagen. Findet er dort eine Mehrheit, würde er als Auftrag an die Ratsfraktion in deren Arbeit aufgenommen werden. „Das wollen wir mit einer gewissen Bescheidenheit abgehen, sagen aber auch: Wir empfinden die jetzige Diskussion am Blauen Wunder als zu klein“, sagt Andreas Ueberbach.
Viele Jahre lang war Reinhard Koettnitz als Chef im Straßen- und Tiefbauamt der Stadt für die Brücken und Straßen der Landeshauptstadt zuständig. Mittlerweile lehrt der Diplom-Ingenieur an der TU Dresden, ist dort vertretungsweise Professor für die Gestaltung von Straßenverkehrsanlagen. „Denkbar ist nahezu alles, zumal es solche Überlegungen schon gegeben hat“, sagt Koettnitz mit Blick auf den neuen TunnelVorschlag. Eine Überlegung der vergangenen Jahre sei es dabei gewesen, an der Stelle, an der das Käthe-Kollwitz-Ufer in Richtung Goetheallee abschwenkt, den Tunnel unter das Blauen Wunder zu führen und ihn an der Grundstraße wieder anzubinden. Doch in dieser Variante würde weder der Verkehr von der Tolkewitzer noch der von der Pillnitzer Landstraße mit berücksichtigt. An der Grundstraße würden weitere Probleme warten. Weil die Straße ohnehin steigt, würde es schwerer, den Tunnel allmählich einzubinden. Ebenfalls verworfen wurden noch größer gedachte Pläne, etwa ein Tunnel von Tolkewitz bis ins Schönfelder Hochland oder eine kleinere Variante von der Kretschmerstraße auf die Grundstraße. Die Rampen dafür wären zu steil. „Bislang wurden alle Ideen verworfen. Sie wurden aber auch nur im politischen Raum geäußert, es gab keine entsprechenden Ratsbeschlüsse für eine ernsthafte Prüfung“, so Koettnitz weiter. Seine Sicht auf die Dinge: „Man kann vorschlagen, was man will. Die Probleme rund um Körnerplatz und Schillerplatz bleiben. Der gordische Knoten ließe sich nur mit weniger Verkehr insgesamt in diesem Bereich durchschlagen.“
Grundsätzliche Unterstützung für einen neuen Weg über die Elbe kommt eigentlich immer von der Dresdner CDU. Auf Antrag der Union wurde die Stadt 2023 beauftragt, eine Grundlagenermittlung für eine zusätzliche Elbquerung zwischen Waldschlößchenbrücke und Stadtgrenze als perspektivischen Ersatz für das Blaue Wunder einzuleiten. Theoretisch denkbar ist in diesem Zusammenhang laut Stadtrat Veit Böhm (CDU) auch die Untersuchung einer Tunnellösung. „Das kann man sich nochmals anschauen, wenn diese Prüfung nicht zu kostspielig wird. Ich sehe einen Tunnel als theoretisch denkbar an. Von den erwartbaren Kosten und auch hinsichtlich der Grundstücksverfügbarkeit bei den Tunnelrampen an der Grundstraße glaube ich jedoch, dass es nicht machbar sein wird“, so Böhm weiter.
Zuletzt wurde über eine Tunnellösung am Blauen Wunder vor 15 Jahren diskutiert. Damals hatte CDU-Stadtrat Joachim Stübner einen vierspurigen Tunnel vorgeschlagen. Der etwa 2,5 Kilometer lange Tunnel vom Käthe-Kollwitz-Ufer bis zu Grundstraße sei bis 2020 realisierbar. Die Loschwitzer Brücke selbst könnte im Anschluss daran verkehrsberuhigt werden und nur noch für Fußgänger, Radfahrer und Busse offen sein, so der Vorschlag bereits damals. Ernsthaft weiter verfolgt wurden diese Pläne jedoch nicht.