Dresden beendet Verkehrsversuch am Blauen Wunder vorzeitig
SDer Druck war zu groß: Dresden bricht den Verkehrsversuch am Blauen Wunder ab. Wann der Radstreifen wieder verschwinden soll.
eit Montag vergangener Woche führen im Rahmen eines Verkehrsversuches erstmals Radwege über das Blaue Wunder. Um diese Radwege am Schillerplatz anzubinden, ist dort eine von drei Fahrspuren für Autos weggefallen. Staus waren die Folge – und jede Menge Kritik. Nun steht fest: Der Versuch wird vorzeitig beendet, wie das Rathaus am Dienstag mitteilte.
Ende des Verkehrsversuchs übernächste Woche
Allerdings wird das nicht sofort passieren, sondern Mitte bis Ende der kommenden Woche. Hauptgrund dafür sind die notwendigen Vorbereitungen. Zum einen müssen Firmen mit der Entfernung der Markierungen und dem Anpassen der Ampelschaltungen beauftragt werden. Zum anderen können die Arbeiten nicht im Berufsverkehr stattfinden, sondern werden zum Beispiel spät am Abend durchgeführt.
Am Dienstagnachmittag konkretisierte die Stadt das Ende des Tests auf den 28. April, einen Sonntag. Zusätzliche Kosten entstehen durch den Abbruch des Verkehrsversuchs aller Voraussicht nach nicht. Dresden gab über 70.000 Euro für die testweisen Radwege aus.
Ursprünglich sollte bereits am Freitag eine erste Auswertung des Verkehrsversuchs stattfinden. Konkret sollten Zahlen zu den Stauzeiten vorgelegt werden. Vor dem Hintergrund des hohen Drucks verschob die Verwaltung diese Zwischenauswertung jedoch. So wollte sich zunächst
Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) in der Dienstberatung über die Ergebnisse berichten lassen. Diese fand erst an diesem Dienstag statt.
Weil alle Verkehrssimulationen der Stadt, die im Vorfeld durchgerechnet wurden, extrem lange Staus vorhergesagt hatten, sollte die Verkehrsführung im Rahmen eines Tests erfolgen. Dieser sollte eigentlich bis Mitte Juni dauern. Weil es jedoch schon am ersten Versuchstag zu teils sehr langen Staus kam, wurde unter anderem von der CDU ein sofortiger Abbruch gefordert. Auch die Handwerkskammer Dresden forderte vehement einen Stopp.
Andere, zum Beispiel die Grünen und der Fahrradklub ADFC, setzten sich hingegen für ein Fortsetzen des von Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) gegen große Widerstände durchgesetzten Tests ein.
Bedauern und Genugtuung über den Abbruch
„Wir bedauern, dass wir in dieser Stadt nicht die Geduld aufbringen, den Verkehrsversuch fachgerecht abzuwarten. Die Staulängen hatten sich bereits erheblich verkürzt, und es ist fachlich unstrittig, dass es länger dauert als eine Woche, damit der Verkehr sich neu sortiert“, so Stadträtin Susanne Krause (Grüne). Es stimme nachdenklich, dass nach über 20 Jahren ohne irgendeine umsetzbare Idee für eine sichere Radverkehrsführung über die Loschwitzer Brücke keine zwei Monate Geduld für einen Test vorhanden seien. Kühn habe „den Mut gezeigt, sich der Aufgabe anzunehmen“, so Krause zum Bürgermeister, der ebenfalls den Grünen angehört. „Dafür ist er angefeindet und bedroht worden.“
Die CDU reagiert mit Genugtuung auf den Abbruch des Versuchs. „Das Rathaus hat ein Einsehen. Die Ergebnisse sind erdrückend. Das Verkehrsexperiment am Blauen Wunder wird beendet“, sagt CDU
Rat Steffen Kaden. Aus Sicht von LinkeStadtrat Tilo Wirtz „war es wichtig, diesen Versuch durchzuführen, um auch die wohlmeinenden Aktivisten einmal mit den Konsequenzen nicht zu Ende gedachter Lösungen zu konfrontieren“. Maßstab müsse das vernünftig technisch Machbare sein, „nicht aber Wunschdenken“.
Aus Sicht von Torsten Nitzsche (Freie Wähler) wurde „die grüne Geisterfahrt in der Verkehrspolitik vorübergehend gestoppt“. Wer konsequent handle, würde jetzt auch den Verkehrsversuch am Flügelweg beenden.
Busse der „61“standen morgens bis zu 19 Minuten im Stau
Innerhalb der Stadtverwaltung hatte Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) bis zum Schluss darum gekämpft, den Verkehrsversuch nicht vorzeitig abzubrechen. Ausgangspunkt waren auch Verkehrsdaten. Diese zeigen einen Rückgang des KfzVerkehrs am Schillerplatz um 13 Prozent seit 2018. Gleichzeitig ist die Zahl der Radfahrer im selben Zeitraum um fast 50 Prozent gestiegen. Viel Verkehr am Blauen Wunder spielt sich lediglich im engen Korridor zwischen 7 und 8.15 Uhr ab. Vor diesem Hintergrund schien der Verkehrsversuch durchsetzbar.
Als Abbruchkriterium hatte die Verwaltung im Vorfeld des Versuchs eine dauerhaft höhere Verspätung der Busse in der Zeit zwischen 7 und 9 Uhr von über zwölf Minuten pro Fahrt ins Spiel gebracht. Gelten sollte dies für die zweite Woche des Verkehrsversuchs und den Vergleichszeitraum 2022. Die Verkehrsdaten der Stadt haben solch gravierende Abweichungen nicht erfasst, zumindest nicht dauerhaft: Standen die Busse der Linie 61 im Jahr 2022 um 7 Uhr im Schnitt 3,4 Minuten im Stau, so waren sie zwischen Dienstag (9. April) und Donnerstag (11. April) 10,4 Minuten im Stau. Maximal verspäteten sich die Busse im Zeitraum zwischen 7.45 Uhr und 8 Uhr statt um 10,2 Minuten um 18,7 Minuten während des Tests. Noch geringer waren die Abweichungen auf der Linie 63. In der Spitze verspäteten sich die Busse 2022 um 8 Uhr um 14,5 Minuten, während des Tests waren es 19,2 Minuten. Außer am Montag lagen die Verspätungen damit unterhalb der Abbruchkriterien. Zudem verschob sich das Verkehrsaufkommen innerhalb der ersten Tage mehrfach zeitlich und räumlich. Die „Einschwingphase“war noch nicht abgeschlossen. Beobachtungen zeigten, dass die Radwege intensiv genutzt wurden und weniger Radler unerlaubt auf dem Fußweg unterwegs waren.
Das sagt Dresdens Oberbürgermeister Hilbert
Als Grund dafür, warum der Versuch dennoch vorzeitig abgebrochen wurde, nennt OB Dirk Hilbert (FDP) „die Ergebnisse der ersten Woche, die zwar eine Verbesserung der Situation für Radfahrer und steigende Nutzerzahlen zeigen, gleichzeitig aber auch dramatische Auswirkungen auf den übrigen Verkehr“hatten. „Wir haben gesehen, dass besonders im morgendlichen Berufsverkehr der private und Dienstleistungsverkehr ebenso wie der ÖPNV sehr lange im Stau steht.“
Für Handwerker, mobile Pflegedienste in ihren eng getakteten Zeiten bei den Patienten, die gesetzlich vorgegebenen Einsatzfristen der Rettungsdienste und des kassenärztlichen Notdienstes seien die bisherigen Stauzeiten nicht vertretbar gewesen. „Das Einhalten von Arztterminen stellte sich für viele Seniorinnen und Senioren, die nach Blasewitz oder in die Innenstadt müssen, als schwierig bis unmöglich heraus.“Der Rückstau des Verkehrs auf beiden Elbseiten habe erhebliche Belastungen für die Anwohner zur Folge gehabt und „ist mit dem Dresdner Luftreinhalteplan nicht vereinbar“, so die Stadt. ▸