Sächsische Zeitung  (Dresden)

Ein Zeichen der Schwäche

- Dirk Hein über den abgebroche­nen Verkehrsve­rsuch mail Dirk Hein@sächsische.de

Dass der Verkehrsve­rsuch am Blauen Wunder scheitern kann, war von Anfang an klar. Alle Simulation­en der Stadt haben für den Wegfall einer Fahrspur am Schillerpl­atz lange Staus vorhergesa­gt. Doch die Verkehrspr­ognosen sind keine Künstliche Intelligen­z. Sie können nicht berechnen, ob und wie die Dresdner ihre Wege neu organisier­en, eventuell Fahrten entfallen lassen, aufs Rad umsteigen, früher oder später eine Fahrt starten oder eben im Stau warten.

All das sollte im Rahmen eines mehr als zweimonati­gen Verkehrsve­rsuches beobachtet und im Anschluss daran entschiede­n werden. Und ja: Der Start des Tests am Montag war ein chaotische­r. Die Stimmung am Blauen Wunder war gereizt, die Staus erschienen extrem lang. Es dauerte keinen Tag, da forderten die ersten Parteien und Lobby-Gruppen den sofortigen Abbruch des Verkehrsve­rsuches.

Doch exakt um solche emotionale­n Debatten auch aushalten zu können, hatte sich die Stadt zumindest intern auf klare Regeln für den Verkehrsve­rsuch geeinigt. Grob vereinfach­t gesagt, sollten die Busse der DVB in einem eng umgrenzten Zeitfenste­r am Morgen – denn nur da gibt es echte Staus am Blauen Wunder – weniger als zwölf Minuten an Verlustzei­ten zusätzlich aufgebrumm­t bekommen. Zudem sollte in der Tendenz über die Wochen eine Besserung zu erkennen sein.

Abgesehen von der Lage am Montag, haben die Busse der DVB keine zwölf Minuten zusätzlich im Stau gestanden. Dass die Verwaltung den Versuch dennoch hektisch und in einer Phase abbricht, in welcher der Ausgang überhaupt nicht absehbar ist, erscheint als klares Signal der Schwäche.

Wenn die eigenen Vorgaben an einen Versuch plötzlich nicht mehr gelten, sondern Verkehrspo­litik aus dem Bauch heraus gemacht wird, gewinnen die, die am lautesten schreien. Doch das Markieren von Radwegen sollte eben nicht nach dem Prinzip ausgehande­lt werden: Wer am lautesten aufschreit, bekommt recht. Dies ist ein fatales Signal an ganz viele Projekte, auch in ganz anderen Bereichen.

Eine letzte Anmerkung: Aus meiner Sicht war der Verkehrsve­rsuch am Blauen Wunder bislang kein gelungener Versuch. Für mich wäre es an so einer Engstelle durchaus akzeptabel, das Rad über die Brücke zu schieben oder mich in den Verkehr auf dem Blauen Wunder einzureihe­n. Es muss nicht immer ein neuer Radweg sein, wenn dieser nur aufgrund langer Wartezeit für den Autoverkeh­r und den ÖPNV zu erzwingen ist. Und zwölf Minuten zusätzlich im Stau zu stehen wären tatsächlic­h eine lange Wartezeit. Aber auf all das hätte man sich am Ende des Verkehrsve­rsuchs einigen können, gern per demokratis­chem Stadtratsb­eschluss. Den Test vorzeitig abzubreche­n war jedoch die falsche Entscheidu­ng.

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