„Frauen haben sich nicht reingetraut“
Seit fast zehn Jahren betreibt Katharina Thieme den Sexshop „Par la fleur“. Weshalb Kunden in Zeiten von Porno-Plattformen und Online-Shops in den Laden kommen.
Unscheinbar sieht der Laden aus an der Ecke Anton- und Robert-Blum-Straße. Pinkviolette Klebefolie schützt vor neugierigen Blicken ins Innere. „Wir hatten schon Leute, die sind hereingekommen und wollten Blumen kaufen“, sagt Inhaberin Katharina Thieme und schmunzelt. „Das hat mich sehr amüsiert, weil ich eigentlich gelernte Floristin bin.“
Im „Par la fleur“, zu Deutsch „durch die Blume“, verkaufen Thieme und ihre vier Angestellten keine Pflanzen. Sondern Erotikfilme, Dessous, Peitschen, Vibratoren und andere Sexspielzeuge. Der Erotikshop wurde im Jahr 2000 eröffnet, hieß damals aber noch „Dolly Buster Sex-Kaufhaus“.
2011 fängt Katharina Thieme als Aushilfe im „Dolly Buster“an, 2016 wird sie Filialleiterin. Damals habe der Laden „Hafenflair“gehabt, berichtet sie: „Im Laden wurde geraucht, die Leute sind mit hochgezogenem Kragen reingekommen, Frauen haben sich gar nicht reingetraut.“
Nach dem Tod des Besitzers übernimmt Thieme den Erotikshop. Und ändert einiges: Ein Jahr lang baut sie mit ihren Mitarbeitern den Laden um. Die großbrüstigen Pappaufsteller und Plakate verschwinden, genauso wie der Name Dolly Buster. „Wir wollten etwas Stilvolleres, Subtileres“, so Thieme. Der Plan scheint aufzugehen: Während die Inhaberin durch den Laden führt, betritt ein jüngeres Paar den Laden, eine Frau stöbert durch die Dessous-Abteilung. Verstohlen umschauen tut sich hier niemand mehr. Seinen Hauptumsatz macht das „Par la fleur“mit Erotik- und Porno-DVDs, die im Keller in langen Regalen aufgereiht sind. Laut Thieme lagern hier bis zu 11.000 Erwachsenen-Filme, das Angebot wird regelmäßig gewechselt. „Es gibt jeden Monat irgendeine neue Darstellerin, da komme ich selbst gar nicht mehr hinterher“, sagt sie. Auch einige feministische Erotikfilme gibt es im Angebot.
Hype durch Literatur
Doch wer besucht noch einen Erotikshop, wenn das Internet voll ist mit kostenlosen Filmchen und Sextoys einfach online bestellt werden können? Laut Thieme leihen oder kaufen vor allem ältere Menschen die DVDs. „Viele ältere Kunden haben Hemmungen, im Internet Pornos zu schauen“, sagt sie. „Sie haben Angst vor Computerviren
oder Betrügern.“Deshalb würden sie lieber in ihren Laden kommen. Sicher würden alte Gewohnheiten ebenfalls eine Rolle spielen. Als die „Fifty Shades of Grey“Buchreihe auf den Markt kam, habe es einen kleinen Hype um Bondage-Utensilien gegeben. Gerade in diesem Bereich sei die Beratung extrem wichtig, sagt Thieme. Von blau angelaufenen Genitalien und aufgeplatzter Haut hätten ihr Kunden schon genauso berichtet wie von Krankenhaus-Besuchen, bei denen Sanitäter sie von Cockringen oder anderen Bondage-Spielzeugen befreien mussten. „Neulinge bekommen von mir deshalb erst mal nur Anfängersachen“, sagt Thieme.
Seit mittlerweile acht Jahren führt Katharina Thieme das „Par la fleur“. Wie so viele andere Läden hat auch sie mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. „Die Corona-Pandemie und die Inflation haben uns hart getroffen, alles ist teurer geworden, manche Kunden sind nicht wiedergekommen“, sagt die 41-Jährige. Sie versucht, „jeden möglichen Service anzubieten“, damit Kundinnen und Kunden in den Laden finden. So liefert sie etwa Produkte zu älteren Menschen nach Hause und hat auch schon Kunden außerhalb der Öffnungszeiten in ihrem Laden empfangen, weil denen der Besuch zu den regulären Zeiten unangenehm war. Für die Zukunft plane sie, sich in Dresden mit Sexarbeitern,
Bordellen und Sex-Therapeuten zu vernetzen und eigene Veranstaltungen anzubieten. „Wir bemerken, dass bei vielen jüngeren Kunden eine gründliche Aufklärung fehlt“, sagt Thieme. „Dem wollen wir entgegenwirken.“
Ihr Kollege Maik Noack stimmt ihr zu: Die Aufklärung komme heutzutage häufig aus Pornofilmen, das sei eine gefährliche Entwicklung. „Sex ist wirklich kein Hochleistungssport,
in den Filmen fehlt häufig Zärtlichkeit und Zwischenmenschlichkeit“, sagt er.
Im Gespräch könne man viele der Unsicherheiten nehmen, die gerade Männer gerne verstecken würden. „Wir sind Freund, Vertrauter und Beziehungstherapeut in einem“, sagt Thieme. „Und dazu absolut verschwiegen – was hier drin besprochen wird, bleibt auch hier drin.“